Zusammenfassung
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die schriftliche Fixierung von Veränderungen überflüssig, ließ sich der in den Pontifi-
kalien der zelebrierenden Erzbischöfe enthaltene Ordo doch stets in der konkreten
Durchführung des Rituals modifizieren. Der Blick auf diese Veränderungen ist uns
durch den mangelnden Detailreichtum der übrigen Quellen zumeist verstellt, doch
werden gerade die Krönungen des späten 13. und frühen 14. Jahrhunderts zeigen, dass
hinsichtlich der Anordnung der einzelnen Sequenzen des Rituals durchaus vom Ordo
abweichende Traditionen bestanden, ohne dass diese zu einer neuen Fassung Anlass
gegeben hätten.
Die Beständigkeit dieser liturgischen Texte lässt aber gleichzeitig den vorgenom-
menen Umgestaltungen und Erweiterungen besondere Bedeutung zukommen. Da es
zu verschiedenen Zeitpunkten offenbar nicht mehr genügte, einfach das vorgegebene
Schema für den Einzelfall anzupassen, müssen gerade diese Fälle ins Zentrum der Be-
trachtung gestellt werden, lassen sie doch einen besonders ausgeprägten Willen zur
Perpetuierung von Wandel erkennen. Kleinere wie größere Abweichungen dürfen da-
her nicht als bloße Schreibfehler abgetan oder als »richtiger« beziehungsweise »sinnge-
mäßer« eingestuft werden, sondern müssen stets als Ausdruck der Vorstellungen ihrer
Zeit verstanden werden.
Dies zeigt sich bereits beim Mainzer Ordo in seinen verschiedenen, relativ zeit-
gleich entstandenen Fassungen sowie in dessen Umgang mit den älteren Vorlagen. Die
verschiedenen Bestandteile des Ordo wurden durch eine geringfügige Ausweitung der
Rubriken in eine feste Abfolge überführt. Neben der Messe war die Königinnen-
krönung hiervon noch ausgenommen, ihr Ordo blieb eigenständig neben dem ausführ-
licher geregelteren Ordo der Königskrönung bestehen. Zu den Neuerungen des Main-
zer Ordo gegenüber seinen Vorlagen zählt die Aufnahme der Kopfsalbung, die im
Hinblick auf die Angleichung an die Bischofsweihe hochbedeutsam ist. Bereits in den
ältesten Handschriften des Mainzer Ordo wurde dies durch die hinzugekommene Sal-
bung der Hände weiter verstärkt, wie auch in den jetzt aktiv formulierten Fragen an den
König die Gefahr gewisser Missverständnisse beseitigt wurde: So wurde das ambigue
de/endere ac regere jetzt nicht mehr gemeinsam auf Kirche und Volk bezogen, sondern in
zwei Fragen aufteilt, so dass der König jetzt nur noch fMfor ac de/ensor der Kirche war.
Auch die Forderung nach der gerechten Regierung »nach der Sitte seiner Väter« (zMxfa
morem palrrzw SMoraaz) wurde in diesem Zug zur »Gerechtigkeit seiner Väter« (sccandaaz
ZMshhaw pafrMW d/orr/ra) präzisiert: Offenbar schien es sinnvoll, das alte Herkommen
moralisch genauer zu bestimmen. Der Mainzer Ordo muss daher insgesamt trotz sei-
ner älteren Grundlagen als Ausdruck derjenigen Ordnungsvorstellungen verstanden
werden, die im 10. Jahrhundert zumindest in gewissen Kreisen herrschten. Da er außer-
dem den Ausgangspunkt für die Gestaltung der folgenden Krönungen darstellte, wirk-
ten er und das in ihm enthaltene Text- und Gedankengut gleichzeitig in die Zukunft.
Dies zeigen nicht nur sein Einfluss zum Beispiel auf die englischen und französi-
schen Ordines,^ sondern auch die erhaltenen Handschriften des 11. und dann vor al-
lem des 12. Jahrhunderts: Diese erweiterten den Mainzer Ordo um einen wohl aus Bur-
gund übernommenen Krönungseid, wie er zumindest für die Krönung Friedrichs I.
377 Vgl. zur Verbreitung des Pontifikales bereits kurz nach seiner Entstehung Vogel/Elze (Hg.), Le
Pontifical romano-germanique du dixieme siede, Bd. 3, S. 45f.
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die schriftliche Fixierung von Veränderungen überflüssig, ließ sich der in den Pontifi-
kalien der zelebrierenden Erzbischöfe enthaltene Ordo doch stets in der konkreten
Durchführung des Rituals modifizieren. Der Blick auf diese Veränderungen ist uns
durch den mangelnden Detailreichtum der übrigen Quellen zumeist verstellt, doch
werden gerade die Krönungen des späten 13. und frühen 14. Jahrhunderts zeigen, dass
hinsichtlich der Anordnung der einzelnen Sequenzen des Rituals durchaus vom Ordo
abweichende Traditionen bestanden, ohne dass diese zu einer neuen Fassung Anlass
gegeben hätten.
Die Beständigkeit dieser liturgischen Texte lässt aber gleichzeitig den vorgenom-
menen Umgestaltungen und Erweiterungen besondere Bedeutung zukommen. Da es
zu verschiedenen Zeitpunkten offenbar nicht mehr genügte, einfach das vorgegebene
Schema für den Einzelfall anzupassen, müssen gerade diese Fälle ins Zentrum der Be-
trachtung gestellt werden, lassen sie doch einen besonders ausgeprägten Willen zur
Perpetuierung von Wandel erkennen. Kleinere wie größere Abweichungen dürfen da-
her nicht als bloße Schreibfehler abgetan oder als »richtiger« beziehungsweise »sinnge-
mäßer« eingestuft werden, sondern müssen stets als Ausdruck der Vorstellungen ihrer
Zeit verstanden werden.
Dies zeigt sich bereits beim Mainzer Ordo in seinen verschiedenen, relativ zeit-
gleich entstandenen Fassungen sowie in dessen Umgang mit den älteren Vorlagen. Die
verschiedenen Bestandteile des Ordo wurden durch eine geringfügige Ausweitung der
Rubriken in eine feste Abfolge überführt. Neben der Messe war die Königinnen-
krönung hiervon noch ausgenommen, ihr Ordo blieb eigenständig neben dem ausführ-
licher geregelteren Ordo der Königskrönung bestehen. Zu den Neuerungen des Main-
zer Ordo gegenüber seinen Vorlagen zählt die Aufnahme der Kopfsalbung, die im
Hinblick auf die Angleichung an die Bischofsweihe hochbedeutsam ist. Bereits in den
ältesten Handschriften des Mainzer Ordo wurde dies durch die hinzugekommene Sal-
bung der Hände weiter verstärkt, wie auch in den jetzt aktiv formulierten Fragen an den
König die Gefahr gewisser Missverständnisse beseitigt wurde: So wurde das ambigue
de/endere ac regere jetzt nicht mehr gemeinsam auf Kirche und Volk bezogen, sondern in
zwei Fragen aufteilt, so dass der König jetzt nur noch fMfor ac de/ensor der Kirche war.
Auch die Forderung nach der gerechten Regierung »nach der Sitte seiner Väter« (zMxfa
morem palrrzw SMoraaz) wurde in diesem Zug zur »Gerechtigkeit seiner Väter« (sccandaaz
ZMshhaw pafrMW d/orr/ra) präzisiert: Offenbar schien es sinnvoll, das alte Herkommen
moralisch genauer zu bestimmen. Der Mainzer Ordo muss daher insgesamt trotz sei-
ner älteren Grundlagen als Ausdruck derjenigen Ordnungsvorstellungen verstanden
werden, die im 10. Jahrhundert zumindest in gewissen Kreisen herrschten. Da er außer-
dem den Ausgangspunkt für die Gestaltung der folgenden Krönungen darstellte, wirk-
ten er und das in ihm enthaltene Text- und Gedankengut gleichzeitig in die Zukunft.
Dies zeigen nicht nur sein Einfluss zum Beispiel auf die englischen und französi-
schen Ordines,^ sondern auch die erhaltenen Handschriften des 11. und dann vor al-
lem des 12. Jahrhunderts: Diese erweiterten den Mainzer Ordo um einen wohl aus Bur-
gund übernommenen Krönungseid, wie er zumindest für die Krönung Friedrichs I.
377 Vgl. zur Verbreitung des Pontifikales bereits kurz nach seiner Entstehung Vogel/Elze (Hg.), Le
Pontifical romano-germanique du dixieme siede, Bd. 3, S. 45f.