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Büttner, Andreas; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der Weg zur Krone: Rituale der Herrschererhebung im spätmittelalterlichen Reich — Mittelalter-Forschungen, Band 35,1: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34718#0279

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Herrschererhebungen des Spätmittelalters

wonnene Herrschaft zu sichern, weshalb die Lehnsvergaben in Frankfurt, Straßburg
und Aachen Priorität gegenüber der gemeinsamen Krönung des neuen Herrscher-
paares besaßen: Die Not des Augenblicks machte gewisse Abweichungen unumgäng-
lich, Pragmatik und Herrschaftssicherung siegten über Tradition. Auch wenn über Be-
folgung oder Abweichung von der traditionellen rituellen Form der Königsweihe
aufgrund des Schweigens der Quellen keine Aussagen möglich sind, so zeigt sich doch,
dass die rituelle Rahmung in Form einer getrennten oder gemeinsamen Krönung
durchaus situationsbedingten Dynamiken unterworfen war.
Gleichzeitig scheint dieses Abweichen von der Tradition Albrecht nicht zum Nach-
teil gereicht zu haben: Keine der zahlreichen historiographischen Quellen, die in die-
sem Fall als Stimmungsindikator gelten können, bemängelte die alleinige Krönung des
Königs. Nicht einmal die dem neuen König kritisch bis ablehnend gegenüberstehenden
Autoren griffen diesen Punkt auf, um ihn gegen Albrecht beziehungsweise seine Legi-
timation ins Feld zu führen. Es ließe sich hingegen sogar argumentieren, dass Albrecht
durch seine aus der Notwendigkeit entsprungene Trennung der beiden Weihen eine
Tugend machte, indem er die Krönung seiner Frau mit seinem ersten Hoftag verband,
und so seinen Herrschaftsantritt nach Wahl und Weihe nun an einem dritten Ort feier-
lich zelebrieren konnte. Zu seinem Auftreten als Herrscher an den traditionellen Orten
Frankfurt und Aachen kam nun die erneute Zusammenkunft der Kurfürsten und Fürs-
ten des Reichs - wie es die Goldene Bulle später festschreiben sollte - an einem wiede-
rum geographisch wie herrschaftlich anders eingebundenen Ort. Hier konnte der neue
König, nun selbst bereits gekrönt, der Weihe seiner Frau beiwohnen und sich beim -
jetzt offenbar gleichsam nachgeholten - Krönungsmahl ebenfalls unter seiner Krone
von den weltlichen Kurfürsten bedienen lassen.
Der in seiner Form außergewöhnliche und damit anfechtbare Herrschaftswechsel
in der Schlacht von Göllheim wurde so durch die rituelle Inszenierung in drei zentralen
Orten des Reichs in gewisser Weise geheilt, vergessen gemacht und ins Positive ge-
kehrt. Aus einer der fragwürdigsten wurde binnen kürzester Zeit eine der am besten
abgesicherten und das ganze Reich in starkem Maße erfassenden und durchdringen-
den Herrschererhebungen. Wenn ein in der Erfurter Peterschronik überliefertes Ge-
dicht mit den Worten Anno nnHeno Acren io sine Inno / Mars creaf AiFerfnm rcyc/n, t?ni sirazn'i
Adoi/nnr trefflich den Kern von Albrechts Herrschaftsübernahme beschreibt/'^ so muss
dies folglich um den Hinweis ergänzt werden, dass dieser sein so gewonnenes König-
tum erst mittels zahlreicher Herrschaftsrituale sichern und festigen musste, bevor er als
neuer römisch-deutscher König zur wirklichen Herrschaft im Reich gelangte.

498 Cronica S. Petri Erfordensis moderna, S. 318.
 
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