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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (Mai bis August)

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Nr. 101 - Nr. 110 (2. Mai - 12. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.48723#0040
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Die soziale Rechtsprechung
Bei- der Position S a red e s v e r s i ch e r « n g s a m t Rn Vor-
anschÄW des ArbÄtsnttMsterAnns V-emertte i>n HESWltsauZsilmß
ein Sorialdemokrat, es sei notwendig, daß bei der Aus-.
Wahl der RichterbeMHer die StaatsrWiernng mir MM Weitsicht
tige Personen bestinune. Das Landesverficherungsantt solle bei-
bsM'tsn -werden. Ihm schloß sich ein Redner Les Zentrums
an; die Regierung sei verpflichtet, Mr die richtige Rechtsprechung
zu sorgen. — Ein anderer Zentvmnsredner bemerkte, der Richter
könne Mr die buchenden Gesetze auwenden.
Der Arb eitsMinister erklärte, diese Richter wülloen vom
StMtAmAristeriirm <sn«Mt; sie seien unabhängise und unabsetz-
bar. Wenn die Gewerbssericht« und KauswannSgerichte den
AmtÄgerichten angeschlossen sind, tritt eine -gewisse Erleichterung
«auf dem Gebiet ein.
Die Position Oberversicherungsämter veranlaßte
den AeWen Redner der Sozialdemokratie zu der Frage,
warum das Reichsversorgungsgericht bei Berufungen betr. die
Elternrente nur Las VersorguMsgericht Karlsruhe als zuständig
erklärt habe. Mn übrigen seien die OberverstcherungsäWttLr so
wichtig, daß sie nur mit ersten und in der Sache erfahrenen Rich-
tern besetzt werden sollten.
Der Berichterstatter Dr. Glöckner erklärte hierzu, diese
Richter seien schon bevorzugt; sie seien in Gruppe 11 und 12. Bei
der Landesversicherungsänstalt verlangt die organi-
sierte ArvÄterschast mehr Einfluß durch Beisetzung der Referenten-
stellen aus ihren Kreisen. Was den UnfaWevussgeitisssenschaften
recht ist, mutz Mr die Invalidenversicherung billig sein. Dis Re-
ferenten dürsten von 3 auf 5 erhöht werden. — Diese Bemerkung
machte ein Sozialdemokrat.
Gin Zentrumsredmr erklärte Hierzu,, auch die Arbeitgeber
könnten ähnliche Forderungen stellen. Arbeiter hätten es an sich
schwer, solche Stellungen zu bekleiden, da man die VorSUdmrg,
Welche die Beamten im allgemeinen haben, nicht ausschalten könne.
Dem Motz sich ein demokratischer Redner an.
Die Position: Badische landwirtschaftliche Berufsgenossen-
schaft führte zur Klage eines Sozialdemokraten, daß die
Unfallrenten unter 50 Proz. Beschädigung aus den fMheren Mah-
ren bis heute noch keine Teuierungszulageil erhalten; dies sei un-
erhört. Die Festsetzling der ortsüblichen Tagelöhne WM meistens
nach durch die Langsamkeit, mit der hier die maßgebenden Instan-
zen arbeiten.
Die Negierung sagt WbhWfe zu. — Ein Vertreter des Land-
Sundes beklagt, daß manche Ms dem Latkds noch Reute erhär-
ten, die solche gar nicht brauchen-. Nur dem Bedürftigen sollte
gegeben werden. Die RsgieruW schließt sich hem an.
Berlangt wurde noch soz bald emo kratischerf eits sine
NeueinteNmg der Grenzgebiete der S chl ichtunssaus-
schitsse; sie seien «ruf die frühere» Bezirkskommandos aufgebaut,
das sei unhaltbar.
Säuglings- und KleinkinderMrsorge.
Mr de» Betrieb des Kinderkrankenhauses Karls-
ruhe sind 80000 Mk. eingesetzt; eS werden nunmehr seitens der
Regierung 150 000 Mk. verlangt und Mich genehmigt, ha die fimnv-
ziellen Schwierigkeiten dieser Anstalt, in welche jetzt, nach dem
Wegfall der Straßburger UniversttLMlinkken, auch Kinder von
Acher-n, Kehl usw. gebracht werden, groß sind.
Der ErholungSfürsorge für Kinder
sind 4 Millionen Mark zitgedaGt. Die Regierung teilt mit, haß
dieser . Betrag nicht völlig Mr hie sogen. Heubergkinder auAgcgeben
werde. Nachdem die Quäkerspeisung Wessefallen, ist man mit 28
Gemeindeu wegen einer neuen Form von Quäkerspeisung Mr Kin-
der in Verbindung getreten. Beim Arbeitsministeri-um ist ein
besonderer Ausschuß Mr die Fortführung der Kinderspsisuns ge-
bildet. —
Die Sozialdemokratie erklärt, Latz sie dieser Position
zustimme und gerne auch mehr bewillige. Die gewerkschaftlich or-
ganisierten Arbeiter planen, Mr die Zwecke der Kinder-Quäker-
jpeisung Dm Ertrag einer Arbeitsstunde M opfern. — Dies stttrd
dankend anerkannt.
-- —-
Badischer Landtag.
SchlichtungSansschüffe. — Fürsorgegesetz.
Karlsruhe, den 8. Mai.
Bach Erledigung einer förmlichen Anfrage Wer Die Reichsbe-
kleidnngsämter berichtete Mg. S ch «e eider - Heidelberg (Ztr.)
Wer einen dmtschnMonalen Antrag, Der wünscht, haß die von Den
Gemeinde» in die SchlichtungsMsschüfse zu entsendenden Ge-
meindevsrtreter nicht GehMsRNpfättger der Geineinden sein dürf-
ten, und daß die Vorsitzenden der SchNchttmgsausschüsse Beamte
sein »«Ässen. Der Berichterstatter empfahl die Annahme Les An-
trages in etwas abgeänderter Forrn, dahingehend, daß in den
SchRchtungsausschüssen nur eyrenamirich tätige GcmviWerSte
oder Gemeindeverordnete tätig sein können und sonst die Mehr-
heit der Genteindevertteter nicht Gehaltsempfänger einer Gemeinde
seM drirf. — Nach längerer Debatte, in der auch die vielfach ver-
breitete Annahme, daß die bisherige Grundlage Des gemeindlichen

„König Kohle".
Von Apton Sinclair.
(39. Fortsetzung) .
Und nun wurden alle Rücksichten, die er auf die Gesellschaft ge-
nommen, nutzer Acht gelassen, desgleichen die Versuche, den Berg-
hauptmann davon zu überzeugen, daß er einer besseren Klasse an-
gehöre. Trotz Hals „guten Manieren" hatte der Berghauptmann
gesagt: „Ihr Agitatoren!" Weshalb diese Worte? Glich er, Hal
Warner, tatsächlich jenen verblendeten, unveranwortlichen Subjek-
ten? Es war an der Zeit, sich selbst genau zu betrachten.
Hatten ihn wirklich zwei Monate „schmutziger Arbeit" im Erd-
innern derart verändert? Dieser Gedanke mußte einen „Liebling
der Damen" peinlich berühren. Sprach er bereits wie die anderen,
er, der Len Blarney-Stem geküßt? Der Berghauptmann hatte sei-
ner; Redefluß erwähni. Es traf ja zu, er hatte zu viel gesprochen;
aber was konnte der Mann anderes erwarten, nachdem er ihn zwei
Nächte und einen Tag gefangen gehaltert nnd ihm derart reichlich
Zett gegeben hatte, über das ihm zugefttgte Unrecht zu grübeln?
War dies etwa der Schmelzofen, in dem die wirklichen Agitatoren
geformt wurden — in der Einsamkeit mit dem erlittenen Unrecht
als alleinigen Gefährten eingeschlossen?
Hal erinnerte sich der Gedanken, die ihn im Gefängnis bestürmt.
Er war verbittert gewesen, Hatte gar nichts mehr gegen die Herr-
schaft einer Gewerkschaft im Nord-Tal einzuwenden gehabt. Dock-
war dies eine bloße Stimmung gewesen, ähnlich der, die ihm die
Antwort an den Bruder eingab, Gefängnispsychologie, ein Teil sei-
nes Sommerkurses in praktischer Soziologie. Er vermeinte es av-
tzestretst zu haben, doch hatte es anscheinend auf ihn einen tieferen
Eindruck gemacht, als er selbst Wußte, hatte sogar sein Aeußeres ver-
ändert. Er sah wie ein Agitator aus, sprach wie einer! War „un-
verantwortlich", „verblendet" geworden!
Ja, das war es! Dieser ganze Schmutz, die Unwissenheit,
Krankheit, die Gaunerei und Bedrückung, dieses Verstümmeln der
Menfchenkewer und Menschenseelen in den Kohlenrevieren Ameri-
kas — all dies existierte gar nicht. War bloß die Halluzination ei-
nes „unverantwortlichen" Gehirns. Hals Bruder und der Berg-
hauptmann bezeugten es, die ganze Welt bezeugte es! Der Berg-
hauptmann, der Bruder, die ganze Wett konnten doch nicht blind
sein! Sprach man ihnen von diesen Verhältnissen, so zuckten sie die
Achsel, nannten einen „Träumer" oder «Narr", behaupteten, man

SMicht'Mtgswesens zu Mißtrauen Anlaß gebe, widerlegt wurde,
Wunde der Antrag mit Mehrheit angenommen. Die Sozialdemo-
kraten und die äußerste Linke stimmten gegen den AMrag.
Es "folgte die Behandlung der Anträge der -Abg. Ziegel-
mater-Oberlirch (Ztr.) und Genossen und der der Ms. Freu-
denberg (Dem.) nrw Genossen betr. das Fllrsorgsgesetz Mr Ge-
meinde- und Körperschaftsbeamte. Es vanrelt sich einerseits um
eine den geänderten Geldverhältntssen angepatzte Erhöhung der
EinG-mtmensgrenze und im Zusammenhang damit um Die Uebev-
MhMNg Des Pränrienverfahrens in das Umt'ageversaHren. Der
Berichterstatter Les Rechtspslegeausschusses, Adg. Rausch (Soz.),
führte aus, allgemein sei man der Ansicht, daß eine Revision Des
Mrsorgogesetzes im Sinne der Anträge dringend nötig sei und
auch Die Regierung habe sich bereit erklärt, einen Aenderungsent-
Wurf. ins Arrge fassen zu wollen. . w .
Ohne wesentliche Debatte wurde Der Antrag Freudenberg in
einer vom Ausschuß etwas redigierten Form einstimmig an-
genommen- Der Abg- Fischer-Karlsruhe (Soz.) unter-
stützte und belegte Den Antrag der Abg. Frau Dr. BermchS nnd
Genoffen, den Ausbau der polizeilichen Fürforgetättgkeit. Der
Antrag wurde einstimmig angenommen. Es folgen eine Reihe
von Gesuchen, Die Der Abg. Rückert (Soz.) begründet und Di«
ebenfalls fast debattelos Annahme finden. Auf der Tagesordnung
steht noch die förmliche Anfrage der Abg. Ritter und Genossen,
den Metall arbeit erst reik betr. Die Presse stellt in An-
betracht der späten Grunde die Berichterstattung ein. (Infolge
dieser Einstellung der Berichterstattung Durch die Presse können
wir den Bericht über diese wichtige Anfrage erst morgen brin-
gen. Die Red.)

Soziale Rundschau.
Der Streik iru Zementwerk in Leimen.
Wer übt Terror?
Von einem Arbeiter des Werks wird uns geschrieben: DaN
„Heidelberger Tageblatt" veröffentlichte in seiner Nr. ISS eine
Zuschrift Der Werkleitung Leimen, i-n Der diese ersucht, ihre
schroffe ablehnende Haltung den Arbeitern gegenüber vor Der
Oeffentlichkeit zn rechtfertigen. Einem Arbeiter fei es daher ge-
stattet, Wer Das wahre Verhakten des Herrn Schott und fMer
Getroue>r einige Ausführungen zu machen:
Die Ursachen, Die zum Streik führte»; liegen zunächst an der
schroffen ablehnenden H'altung Der Werkslei-
ttmg selbst, sowie an Der oftmals brutalen systematischen Unter-
drückung des KoaNtionsrechtes der Arbeiter. Um die Haltung -eS
Herrn Dr. Schott und seines Vorgängers klar zu kennzeichnen,
mutz etwas weiter ausgehott werden, um die heute geschaffene Si-
tuation objektiv benrtMen zn können. Es soll auch den Leser«
dieser Zeilen überlassen sein, festznstellen, wer Terror aus geübt
l at. Die Werksleituns, oder die um die nackte Lebensexistenz mit
der Wsrksleittmg ringende Arbeiterschaft.
Es war im Fahre 1907 als die Belegschaft der Strcinbrecher
des Werkes es unternahm, sich mit Ausnahme einiger Spitze! Dem
Fabrilarücitsr-Vcrband Deutschlands anzuschließen. Nach einigen
Wochen, als diese Tatsache bei der Werksleitung bekannt wurde,
hielt es der alte ergraute Herr Kommerzienrat Schott Mr ange-
bracht, an einem sonnigen Nachmittag die gesamte Belegschaft in
der Kantis Des Rohrbacherbruchs sammeln zu lassen, und gab,
nachdem er rurch Aufstchentasten Die organisierten Arbeiter wie
räudige Schafe von dm Indifferenten geschieden, folgende Erklä-
rung ab: „Wer noch weiterhin Geld an die Kaffe der sozialdemo-
kratischen Kampsesorganisation zahlt, wird ohne jegliche Rücksicht
entlasten." Daß diese Drohung auch in die Tat umgesetzt wurde,
braucht Wohl nicht besonders erwähnt zu werden. Bei den da-
mals herrschenden schlechten Zeitverhättnisten wurden nach einiger
Zeit einige Der Vesten Arbeiter und Familienväter, dank dem bento
noch in diesem Betrieb herrschenden Spiveltum, ohne Rücksicht auf
die Familien zu nehmen, aufs Pflaster geworfen, sodaß sie 3 Mo-
nate laug mit ihren Garn-Akn einem erbarmungslosen Schicksal
überantwortet blieben. Auf die weiteren Vorgänge in diesem Be-
triebs bis zum Kriegsaubruch wollen wir heute nicht näher ein«
gehen, auch nicht auf Die einzelnen Persönlichkeiten, die sich heute
noch um Herrn Schott scharen und vor Hm in Demut erstarren.
Nur sollen die damaligen Arbeitsleistungen noch erwähnt werden.
Bei Merans zahlreichem ArbeitIpersonal (auf S Mann ein Auf-
seher, wurden Sei lOstündiger Arbeitszeit von 2 Mann täglich 58
Wagen gefördert und hatte jeder der Wagen ein Mindestgewicht
von durchschnittlich 15 Zentner, was einer Tagesleistung von S58
Zentnern entsprkht; ungeachtet dessen, daß das hierzu erforder-
liche Material noch zerkleinert werden mutzte, stellte sich der übliche
Akkordverdienst, bei diesem überaus riesigen Kraftaufwand, auf
sage und schreibe: „4 Mark pro Man« und Tag."
Wehe demjenigen Arbeiter, der sich dem herrschenden System
Mtd Der schrankenlosen Ausbeutung der Arbeitskraft nicht unter-
jochen lassen wollte. Die damals noch bestehenden Arbeiteraus-
schüsse, deren Mitglieder von der WerkSlettun« auf ihre sozialisti-
sche Haltung genau geprüft wurden, machten Herrn Schott wie-
derholt auf eine Erhöhung der überaus schlechten Lohnverhältniste

habe den Verstand verloren, oder ff« wurden bitter und zornig,
schrieen einem „Ihr Agitatoren!" zu.
*
Der Berghauptmann von RorL-Tal war derart erregt, daß er
nicht mehr stillsitzen konnte. Aller Aerger, Me Sorgen seines un-
ruhigen Lebens fluteten Hm durchs Gehirn er schritt auf und ab,
sprach, ohne auch nur auszupacken, ob Hal Zuüörer oder nicht.
„Ein Lager lausiger Ausländer! Sie verstehen kein Wort
einer zivilisierten Sprache, haben nur einen einzigen Gedanken An
Kopf: sich von der Arbeit zu drücken, wo sie können, ihre Karren
mit Schiefer und Gestein zu beladen und Die Schuld einem an-
deren in die Schuhe zu schieben. Auch das Trinken nicht zu ver-
gessen! Sie arbeiten nicht ehrlich, kämpfen nicht ehrlich, der Mes-
serstich aus dein Hinterhalt ist bsi ihnen Gitte! Und dann kommt
ihr Agitatoren, voller Mitleid und Sympathie. Warum, zum Teu-
fel, kommen die Kerle den« Ar dieses Land, wen« es ihnen nicht
mehr znsagt, als Hr eigenes?"
Hal hatte diese Frage bereits früher gehört —, Loch mußten
sie noch immer auf Das Automobil warten, außerdem wollte er,
Da er nun schon einmal ein Agitator war, seinem Gegner so viel
Aerger wie rnöglich bereiten. „Der Grund ist doch ganz klar" —
entgegnete er. — „Erzählen denn Vie Agenten der Allgemeinen
Beheizungsgesellschaft im Ausland nicht Wunderdinge von den
hohen Löhnen, die man in Amerika erhält?"
„Erhalten sie die Leute denn nicht? Die Löhne hier sind
dreimal so hoch wie bet ihnen zu Hause."
„Ja, aber keiner hat etwas davon, die Agenten vergessen zu
erzählen, daß hier noch alles viel mehr kostet, als die Löhne aus-
machen. Außerdem bringt man den Leuten bei, Amerika
sei ein Land der Freiheit, und so kommen ste, alles Gute Mr sich
und ihre Kinder erhoffend. Und was finden ste hier? Einen
Berghauptmann, der seine ganze Geographie verlernt hat — und
meint, die Rocky Mountains seien irgendwo in Rußland."
„Ich kenne das Geschwätz!" -- rief ungeduldig der andere. —
„Auch ich habe in meiner MtgenD das Sternenbanner geschwenkt;
aber ich sage, man verfällt der Kohlengrube, und das ist etwas
anderes, als eine 4. Juli-Feier zu veranstalten. Da haben Di«
Kirchenlente ein Gesetz gegen SonntagSarveit gemacht. Was ist
das Resultat? Daß die Leute sechSunDDreitzig Stunden Zeit
haben, sich zu besaufen und am Montag arbeitsunfähig sind."
„Dagegen gibt es doch ein Heilmittel, Sotto«. Wenn die -Ge-
sellschaft zu», Beispiel keim Schankräume vermietete?"

der Betrgschasten aufmerksam. Doch wurde-Hnen bei jeder Sitzung
Der MM-eiD, Daß an .eine ErhWimg Der LöhneMcht zu Senken sei,
infolge schlechten GcschüftsgcknWs. Trosch-eck hatte-'Herr Dr.
Schott damals einer StlMeukommisston der Techn."Hochschule
zur MiMrung gesagt, Daß das Werk in Leimen über 1 Million
Reingewinn jährlich abwerse. Wagten M' ttötz obigen Bescheides
einige Ärveitervertrcler geMtÄMer Meinung zu sein,' so teilten
ste dasselbe Schicksal wie ihre Arbeitskollegen vom Steinbruchbe-
Mebe. So sehen Ne BerhälMsse aus, worirr die UWchen- Des
Streikes zu suchen sind. Jahrelang wurre das Koalitionsrechi der
tm Werk tätigen Belegschaften mit alle« erdenklichen Mitteln, auch
heute «och mtterdrückt und Zündstoff auf Zündstoff gehäuft. Am
traurigsten ist PS tedoch um WefsiOgen Ärbeitör bestellt. Die es dis
heule nicht gewagt haben, die Betriebsleitung auf ihre Menschen-
rechte aufmerksam zu machen sind sich noch herveilassen, ihren käm-
psenden Kameraden dm Kampf Mit dem Kapitalismus zu er-
schwerest. Das hier -geschilderte Verhalten der Werksleituns läßt
klar Wer,ehe», wer Terror ausgeübt hat. Richt die Arbeiter, son-
dern Die Werksleitung.
Man könnte Wer das Verhalten der Werksleitung noch Bände
schreiben. - Wir glauben bestimmt, daß DiL MerMeittMO Durch ihr,
Verhalten beim Streik ihr voll-gerütteltes Matz Schuld an Der Er-
bitterung Der kämpfenden Arbeiter trägt und ist ste bis heute nicht
irnstanDe, dm Beweis für ihre AnschnldiMngm in besagtem Ar-
tikel zu erbringest und zu rechtfertigen. Denn solange man Der
Arbeiterschaft unerbrachte Motive zu unterschieben versucht, Mutte
man dies auch von anderen, vielleicht bezahlten Elenrenten, be-
haupten, daß ste beauftragt waren, Sabotageakt« zu verüben (!)
Die gesamte Arbeiterschaft protestiert einmütig -gegen Derartig ge-
meine Bezichtigungen.
Fort mit dem Polizeiaufgebot.
Man schreibt uns: In der SttsM-age des Zementwerkes ist
«ine gewisse Ruh-e eingetreten. Die Arbeit ruht, die Aufregung
der letzten Tage hat sich gelegt. Umso unverständlicher ist eS, daß
das von vornherein überflüssige Polizeiaufgebot immer noch auf
dem Letmener RaHauS residiert und durch Hre große Zahl den
Geschäftsbetrieb hemmt, um di« Mr nicht gefährdete Ruhe und
Ordnung aufrecht zu erhalten. Die Leimener Arbeiterschaft be-
sitzt so viel Disziplin und Schulung, daß sie dieses Aufgebots nicht
bedarf. Besäße sie diese Eigenschaften, die durch jahrelange Btt-
dungSarveit in sozialistischem Geist erworben wurde, nicht, dann
würde auch dieses Aufgebot Acht verhüten können, Den Provoka-
tionen der Zementgewaltigen rind ihrer gelben Söldlinge mit
Geawlt entgegenzutretm.
Dieselben Herrschaften, die nie einen Heh-l idarans machen, daß
ste die heutige Staatssorm nicht anerkennen, nutzen die Freiheiten
dieser Staatssorm restlos aus. Sie rufe« sofort nach der republi-
kanischen Polizei, wenn ste Hre kapitalistischen Interessen gefähr-
det schm und diese stellt flch ihnen auch sofort Dienstbeflissen zur
Verfügung.
Diese Tatsache iöirkt auf die Masten der Arbeiter niederschinct-
lernd. Die Arbeiterschaft erlangt in Hrem wirtschafKichen Kamps
nm bessere Lebensbedingungen keinen polizeilichen Schutz, man
sollte sich aber auch hüten, diesen Schutz Kapitalisten Mr Verfügung
zu stellen, die jedes Arbetterrecht mit Füßen treten, Ne außer Der
gelben Sumpfpflanze kein Koalitionsrecht anerkennen.
Es ist das Verdienst Des Een Herrn Schott, Die Grund-
lage zu den heutigen unglückseligen Verhältnissen in« Zementwerk
gelegt zu haben. Schon vor 20 Bahren wurde systematisch gear-
beitet, eine Reihe von Spitzeln und Denunzianten wurde gezüch-
tet, deren Tätigkeit darin bestand, sozialdemokratische Versamm-
lungen zu überwachen, inwieweit solche von Zementarbeiteru be-
sucht wurden, wer gewerkschaftlich oder politisch organisiert war,
oder sich Mr aktiv in der Arbeiterbewegung betätigte, wurde rück-
sichtslos vom Zementstauv befreit.
Welche seelische Qualen mancher dieser Sklaven ausgestanden
hat, der tnnerlich längst Sozialist war und nach außen sich nicht
frei bekennen durste, wenn er nicht arbeitslos werden wollte, weiß
nur Der, der in seinem Leben sich schon in solcher Lage befand
Dieser Zustand besteht noch heute. Die Revolutionierung der Gei
ster geht eben gar langsam.
Was der alte Herr begann, gedenkt der junge Herr fortzu
setzen Die Arbeiter werden höchst eigenhändig eingestellt und so
Weit sie von Leimen sind, der FanMienstammbaunr untersucht, ol
sich nicht etwa revolutionäre Elemente dawrtter befinden. Jp
Diesem Falle ist eine Einstellung ausgeschlossen, außer man bemüh!
sich durch gelbwerden das Unrecht der Großväter wieder gut zu
niachew. Dieser Schottsche Geist, der jede freie Regung der Arbei-
terschaft An Keime 1» ersticken versucht, ist der wahre Schuldige,
wenn Gewaltakte Vorkommen, die auch wir verurteilen.
Diesen Geist zu bekämpfen und cmszurotten mutz Ausgabe der
organisierten Arbeiterschaft sein, damit auch Mr die unterdrückten
Zomentsklaven die Stunde der Befreiung schlägt, damit auch dort
der Arbeiter außer Der Arbeitskraft nicht noch seine felvstgewäh-tte
Ueberzsugung auf Dem Altar der ZementtapttaWen zu opfern
braucht.
Die volkspartei-lichen ReichStagsabgeordneten aber, die der
Reichsre-gierung Hre famose Anfrage vorlegen, möchten Mr er-
suchen, bei der Begründung Dieses zeitgemäßen Aktenstückes Dieses

„Großer Gott! Glauben Sie denn, wir hätten's nicht ver-
sucht? Dan« gehen die Leute nach Pedro, bringen, in Hrem Kör-
per nnd in Flaschen so viel Alkohol zurück, wie sie nur tragen Me-
nen. Wird das verboten, so wandern unsere Arbeiter nach ande-
ren Gruben aus, wo sie Hr Geld ausgeven können, wie es ihnen
beliebt. Nein, junger Manu, solche Heiden kann man nur nett
der Knute behandeln! Und dazu gehört eine starke Hand ge-
hör« ein Mann wie Peter Harrigan. Braucht man Kohle, soll die
Industrie weiterkommen, Fortschritt . . ."
„Das ist auch in unserem Liede enthalten" — unterbrach H«
Hal und sang:
„Er treibt ste und treibt, Der fröhliche Kauz,
Die Räder Der Industrie,
Seiner Pfeife nsid seinen Schüsseln zulieb,
Seiner Schulen Philosophie."
„Ja" — brummte der Berghauptmann — „es fällt euch junger!
Burschen gar leicht, Verse zu machen, während ihr bequem von
des alten Mannes Großmut lebt. Damit wird meine Frage aber
nicht beantwortet. Wollt ihr Studenten die Leitung übernehmen?
Oder etwa diese dernokrattschen Politiker, die Herkommen, alber-
nes Zeug Wer Freiheit zu schwätzen, Arbeitergesetze über das Ge-
sindel machen....?"
„Ich fange an zu verstehen" — sagte Hal. — „Sie mögen dis
Politiker nicht, die Vie Gesetze durchdringen, bezweifeln Hre Mo-
tive — und weigern sich daher, ste zu befolgen. Warum sagten
Sie Venn nicht früher, daß sie ein Anarchist sind?"
„Anarchist!" — schrie der Berghauptmann. — „Ich ebn Anar-
chist!"
„Sie handeln doch wie ein Anarchist?"
„Großer Gott! Das ist Die Grenze! Da kommen -Sie her,
Hetzen Die Leute aus ein Gewerkschaftsagitator oder was Sie
sein mögen — und Dabei wissen Sie genau, daß Diese Leute, so-
bald sie losbrechen, Dynamit in Ne Schächte legen und Ne Ge-
bäude anzünden."
„Tun ste das?" Erstaunen klang aus Hals Stimm«.
„Haben Sie denn nicht gelesen, was An letzten großen Streik
vorsttl? Der sauertöpsige -alte Prediger, Der Erdstrom, könnte
Ihnen davon erzählen; der hat damals auch zu der Bande ge-
hört."
„Nein" - sagte Hal — „Sie irren. Edstrom hat ein« an-
dere Philosophie. Doch Haven Ne anderen es sicher getan, und
seit ich hier bin, kann ich dies auch verstehen. Als sie die Häuser
 
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