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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (Mai bis August)

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Nr. 101 - Nr. 110 (2. Mai - 12. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.48723#0046
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Reichsjustizrcform dahin zu wirken, daß die Frauen — abgesehen
vom Amte eines Fürsorge- oder Jugendrichters — zum Amte eines
Berussrichters und zu denjenigen staatlichen Aemtern, welche
die Befähigung zum Richterdienst als Voraussetzung haben, nicht
zugelassen werden." — Der Antrag wird mit 43 Stimmen der
Sozialdenrokraten, Unabhängigen, Kommunisten, Demokraten, Libe-
ralen Volkspartei und einigen Mitgliedern des Zentrums gegen
28 Stimmen des Zentrums, der Deutschnationalen und des Land-
bundes abgelehnt.
Ausfchußantrag: „Die Regierung wird ersucht, bei der Reichs-
regierung vorstellig zu werden, daß bet der bevorstehenden Justiz-
reform die Frauen zu dem Amt eines Vormundschasts-,
Jugend- und F ü rs sr geri ch t e r s, sowie zu jeder ehrenamt-
lichen Tätigkeit in der Rechtspflege, ferner zu den, freien Berufe
der Rechtsanwaltschaft zugelassen werden; 2. nicht dagegen
zu dem Amt eines Berufsrichters im übrigen sowie zu son-
stigen öffentlichen staatlichen Aemtern, für die die Vorbildung eines
Richters verlangt wird, zugelassen werden." — Der Antrag wird
bei Stimmenthaltung der übrigen Mitglieder vom Zentrum, den
Deutfchnationalen, dem Lcmdbund, Liberale Volkspartei und De-
mokraten niit 45 Stimmen angenomm e n.
Antrag des Zentrums: „Der Landtag wolle beschließen, die Re-
gierung zu ersuchen, bei der bevorstehenden Justizreform alle eine
Erleichterung des bestehenden Ehescheiduugsrechtes bezweckenden
Anträge abzulehnen und insbesondere dafür einzutreten, daß im
8 1568 B.G.B. der bisherige Grundsatz des Verschuldens Les be-
klagten Ehegatten aufrechterhalten bleibe." — Der Antrag
wird in namentlicher Abstimmung mit 39 Stimmen gegen 34 Stim-
men des Zentrums und der Avgg. Hertle (Ldb.), Schrank
(Ldb.), Dörr (Ldb.), Mager (D.N.), Richter (D.N.) und
Mayer-Karlsruhe (D.N.) avgelehnt.
Ausschutzantrag: „Die Regierung wird ersucht, bei der Reichs-
regierung vorstellig zu werden, daß bei der bevorstehenden Justiz-
reform das Ehefcheidungsrecht in folgender Richtung ge-
ändert wird: Ein Ehegatte soll auf Scheidung klagen können, wenn
ohne sein Verschulden eine so tiefe Zerrüttung der Ehe eingetreten
ist, daß ihm die Fortsetzung der Ehe nicht zugemutet werden kann.
Der Nachweis, daß die Zerrüttung durch ein Verschulden des an-
deren Teiles herbeigesührt ist, so« aber bei der Regelung der
Folgen der Auslösung der Ehe in Betracht kommen. Außerdem
soll die Wiedereinführung der in Baden bis zum Jahre 1909 in
Geltung gestandenen Ehescheidung auf wechselseitige Einwilligung
nach Feststellung der Ernstlichkeit nnd Ausdauer des Willens der
Eheleute erwogen werden." — Der Antrag wird mit 40 Stimmen
gegen 33 Stimmen des Zentrums und einigen Deutfchnationalen
angenommen.
Der Eventualantrag Dr. Glöckner (Dem.) um Aufnahme
von Bestimmungen des schweizerischen Ehescheidnnasrcchtes ist hier-
durch erledigt.
Antrag der weiblichen Abgeordneten der Sozialdemokratie, des
Zentrums, der Demokraten und der Liberalen Volkspartei: „Der
Landtag wolle beschließen, die Regierung zu ersuchen, bei der bevor-
stehenden Justizreform für eine Besserung der rechtlichen Stellung
des unehelichen Kindes einzutreten und insbesondere auf eine zeit-
gemäße Abänderung der 88 1708 und 1717 B.G.B. hinzuwirken."
— Der Antrag wird einstimmig ange n o m m e n.
Die zum Justizetat eingegangenen Petitionen werden teils der
Regierung zur Kennntnisnahme überwiesen, teils als er-
ledigt erklärt. Das Gesuch mittlerer Justizbeamter bezüglich
Uebertragung richterlicher Geschäfte wird der Regierung zur
Kenntnisnahme überwiesen.
Antrag der Kommunisten: „Der Landtag wolle beschließen:
Die Landesregierung wird aufgefordert, sofort die Freilassung der.
Politischen Gefangenen zu veranlassen mW alle schwebenden Kom-
muuisteuprozesse niederznschlagen." — Der Antrag wird mit Mehr-
heit ab gelehnt.
Der GM Below-Kantorowicz.
Nach der Abstimmung der Justizauträge trat der Landtag in
die Beratung des Unterrichts etats ein. Den Bericht des
Ausschusses erstattete Abg. Strobel (Soz.).
Abg. Dr. Kull mann (Soz.) begründet im Zusammenhang
mit dem NnterrichtSetat folgende förmliche Anfrage der drei Koa-
litionsparteien: Ist die Regierung in der Lage, über den Fall Bc-
low-Kantorowicz an der UniverfiM Freiburg Auskunft zu geben?
Sind Vorkehrungen getroffen, um die Freiheit der Meinungsäuße-
rung der Lehrkräfte an den Hochschulen sicherzusteken?
Die Anfrage ist voll der Sorge eingcgeben, daß die akademische
Meinungsfreiheit beschnitten werden soll.
Staatspräsident Hummel erklärt zum Fall v. Below-Kanto-
rowicz, daß das Ministerium nur über zwei Punkte dieser Frage zu
unterscheiden hafte. Der Freiburger Senat gab Herrn Kantorowicz
eine Rüge; hierzu hatte er keine Befugnis, da Herr Kantorowicz
nicht im Beamtenverhältnis steht. Bei Below war der Senat hierzu
berechtigt, da er im Beamtenverhältnis steht. Doch hat der Senat
auch gegen Privatdozeuten das Recht auf Ordnungsmaßnahmen, so
daß dein Senat keine Vorwürfe zu machen sind. Den weiteren,
Punkt, daß er dem Herrn Kantorowicz die Meinungsfreiheit habe
beschneiden wollen, bestreitet der Senat. Ich gab einen Erlaß
hinaus, worin sich die Regierung als feste Stütze der freie« Mei

„König Kohle".
Von Upton Sinclair.
(40. Fortsetzung)
„Den Marktpreis der Politiker. ZufälligLttveise kenne ich in
Western Eity eine Dame, die zur Schnlkommission gehörte, als
Peter den: Staate ScULand aWanfte -- Land, von dem man
genau Wußte, daß es lohlerchäiftig sei. Er Hat drei Dollar Per Joch
bezahlt, und es war allgemein bekannt, daß das Joch dreitausend
Dollars wert war."
„Nun" — meinte Cotton — „besticht man die Politiker nicht
selbst, so erwach: man eines schönen Morgens und sicht, daß ein
anderer sie bestochen hat. Besitz muß verteidigt werden."
„Cotton" — sagte Hai — „Sie verkaufen ja dem alten Peter
ihre Zeitzaber .einen.Teil ihres Gehirns könnten Sie doch zuMck-
vehastten. Wenigstens so viel, uni bei der Betrachtung Ihres mo-
natlichen Lohnschccks etnzuscyen, daß auch Sie ein L-ohnMave
find, nicht nur vieles Vesser, als die von Ihnen so verachteten
Bergleute."
Der andere Lächelte. „Ich gebe zu, daß mein Scheck größer
sein könnte; doch glaubte ich dennoch, es geht mir besser als euch
Agitatoren. Ich An oben und werde auch oben bleiben!"
„Nun verstehe ich auch, Cotton, daß Sie sich mit einer solchen
Lebensauffassung hin und wieder betrttrkem Ein Hundekamps,
ohne Glauben und Menschlichkeit. Glauben Sie nicht, -daß ich Sie
Verhöhne, ich spreche aus chMche-m Herzen zu Ihnen. Ich bin
weder zu jung noch zu töricht, um nicht muh Ihre Seite sehen zu
können. Doch steckt etwas im Menschen, das Hm zuruft, er fei
nicht vlos ein Hund, trage die Möglichkeit zu Besserem in sich.
Denken Sie cm Liese armen Teufel, die da unken im Berg schwit-
zen, täglich, nächtlich ihr Leben aufs Dpi« setzen, um Sie und
mich mit erwärmender Kohle zu versorgen, die „Räder der Indu-
strie" treiben. . ."
Dies waren rie letzten Worte, die Hal sprach, alltägliche,
dem Augenblick «ngepaßte Worte: wenn er sich Hier jedoch spä-
ter entsann, so schien es Hm «in seltsames Zusammentreffen gewe-
fen zu sein. Dum während er dort plarrderte, befanden sich die
armen Teufel im Berg inmitten eines jener Erlebnisse, die die
Rornantir und Len Schrecken des GmveNlebens aus machen: Einer,
der gegen jedes MiOerMchge-setz im Erdinnrrn arbeircudrn Kna-

nunLSäußerung der akademischen Freiheit bekennt. Hiervon wurde
Herr Kantorowicz verständigt. Weitere Vorgänge sind zwischen-
zeitlich nicht an das Ministerium gelangt. Ich glaube, daß unsere
Maßnahmen einen wirksamen Schutz der Meinungsfreiheit an den
Universitäten darstellen.
Dis Schulpolitik der Sozialdemokratie.
In der gestrige« Nachmittagssitzung sprach zunächst Abg. Dr.
Föhr (Ztr ). Er trat sehr warm für Kantorowicz gegen Be-
low ein, den Optimismus des Unterrlchtsministers gegenüber
der Gesinnung und dem Willen des Freiburger Senats kann er
nicht teilen, er wünscht eine eingehende Untersuchung des Falles
Kantorowicz und der damit in Verbindung stehenden Ang-elegen-
HMsn.
Hieraus sprach
«vg. Graf (Soz.):
Den Positionen des Kulturetats stimmen wir nicht zu. Für
uns ist die
Religion keine GtaittSsache,
sondern Ueverzeugungssache. Wir haben Achtung vor jeder reli-
giösen Ucberzengung. Gerade aus Religiosität verlangen wir, daß
die RMgion vom Stmtt sretgemacht werden muß.
Unsere Schule
ist inmitten der Umwälzung unbeweglich geblieben. Wir brach-
ten schon im alte» Staat dem Men Schulwesen das größte Inte-
resse entgegen. Der alte Staat lehnte alle unsere Refovmvorschläge
ab. Die geistige Uevevlsgeichelt der Besitzenden ist keine Quali-
fikation, sondern liegt Ar Geldbeutel des VaterS. Hiermit mutz
gebrochen werden. Die Befähigten müssen in die höheren Schulen
Lufrücken dürfen. Baden verliert den Ruf des „Äufterländl-e",
wenn es im Schulwesen nicht rascher vorwärts kommt. Vor al-
lem muß die
Volksschule
ausgeMut werden. Denn der allergrößte Teil des Volkes zieht
hieran sseine geistige Grundlage. Das Reichsschulgeseh geht in
allznl-a-ngsamem Tempo voran. Die Lehrerbildung in den Semi-
naren war hinsichtlich des Gysteins nicht richtig. Wir brauchen
eine vertiefte erziehungswiffeuschaftliche Lehrerbildung. Die Hoch-
schuwi-ld-nug bringt vor allem einen kenntnisreichen Lehrerstand,
wie wir Hu brauchen. Nötig ist die Ausgestaltung der Einheits-
schule. Beim Nevergang von der Volksschule zur höheren Lehr-
anstalt darf nicht die Qualifikation der Eltern maßgebend sein.
Die richtige Durchführung der Einheitsschule Masst gesichtetes,
bLauchibares Material für die Höheren Schulen. Sicher ist, daß
attsprachige Kenntnisse für gewisse Studien ihren Wert haben. Ich
bin kein Freund schulpolitischer Experimente. Ader man darf nicht
jede Schulreform als Experiment bezeichnen. Wir müssen unser«
Hochschulen
erhalten, schon aus gesundheitlichen Gründen wegen der Klini-
ken. Wir begrüßen die akademischen Kosttische. Wir freuen uns
über die Erhöhung des Beitrages zur Nnterstützung bedürftiger
Schüler. Die Hochschulen sind der Hort der Reaktion. Das zeigt
der Fall Kantorowicz. Der Freiburger Senat hat mit zweierlei
Maß gemessen. Das Vorgehen des Senats gegen Kantorowicz,
der nicht unserer Partei angehört, war umerechtfertigt, nachdem
er nach der anderen Seite hin anders maß. Es gibt Lehrer, die
Sabotage an der heutigen Staatsform treiben. Dem neuen Fort-
bildungsschulgesrtz muß mit dem 1. April 1923 Geltung geschaffen
werden. Bei den Fachleute«, Handels- und Gewerbeschulen lei-
sten die Städte Hervorragendes; hier sollte der Staat den Städten
entgssonkommeu und die Lasten übernehmen. Die handwerks-
mäßig gebildeten Lehrer an den Fachschulen dürften nicht in der
Besoldung so sehr hinter den anderen Lehrern Zurückgestellt wer-
den. Wir wünschen, daß Baden von Schulkämpfen verschont
bleibe. Wir wollen di«
Simultanschrrle
erhalten wissen, wenn wir auch aus dem Boden der weltlichen
Schule stehc». Wir wollen den schulpotttischcn Frieden. Nun
überrascht uns heute das Zentrum mit einem Antrag. Wenn die-
ser Zentrumsantrag mich das Reich im Auge hat, so wirkt dies
doch auch auf Baden zurück. Der Verfassung von Weimar zufolge
hat die Gemeinschaftsschule vor der Bekenntnisschule zu stehen.
Daran wollen wir festhallken. In den höheren Schulen findet auch
keine konfesfionclle Trennung statt. Das ganze Reich beneidet uns
um unsere Simultanschuke. Hier Lars keine Bresche eingelegt
werden. — Leider sind viele Dinge aus finanziellen Gründen nicht
durchführbar, der Vertrag von Versailles, die Reparations-
lastcn wirken auch auf die Schule. Wir leisten die beste Aufbau-
arbeit, wenn wir vollwertige Staatsbürger heranziehen. (Beifall..)
Nächste Sitzung: Mittwoch früh 9 Uhr. Tagesordnung: Un-
terricbtsetat.
Schluß der SitzlMg 6.50 Uhr. .
Die Metallarbeiterstretk Interpellation.
Es ist uns auch heute nicht möglich, über die Behandlung dieser
Interpellation durch den Landtag zu berichten. Unser parlameu-
bcn, nwchtc eine Dummheit. Es war dies ein „Bremser", dessen
Ausgabe darin bestand, einen Stock zwischen die Näder des ge-
stillten Karrens zu stecken, um ihn aufziHalten. Er war ein klei-
ner Innige, und als er den Stock ins- Rad steckte, hatte sich der
Karren bereits in Bewegung gefetzt. Der Knabe wurde gegen die
Wand geschleudert und eure Kohleuladung raste die Steigung
hinab; hinterher Assen, zu spät, einige sechs Mann. Mit immer
wachsender Geschwindigkeit flog der Karren um eine Biegung, ent-
gleiste, stchr in aufgestapelte Ballen hinein, sie auseftranderwer-
sen'd. Die Balken wirbelten im Sturz einen Strom von jahrzehn-
tcattem Kohlenstaub aus; ein elektrischer BSle-nchttlngsdraht be-
rührte, einen Funken erzeugend, den Karren.
Und so kam es, daß Hal plötzlich im Gespräch mit dem Berg-
hauptmann ein betäubendes Dröhnen vernahmen, es mehr fühlte,
als hörte; die Lust im Zimmer schien Mendig, körperlich gewor-
den zu sein, versetzte ihm einen Schlag, der ihn -auf den Fußboden
hinstreckte. Das Fenster stürzte klirrend, zerfcherbend ins Zimmer,
von der Decke bröckelte der Stuck ab.
Da Hal sich halb betäubt zu erheben versuchte, sah er den
Bcrghauptman» ebenfalls am Boden liegen; die beiden starrten
einander entsetzt an. Noch ehe sie anfznstöhen vermochten, dröhnte
es Mer ihren Häuptern: die halbe Decke stürzte ein, ein großer
Balken senkte sich von oben herab. Von Men Seiten donnerte
und krachte es als sei das Wellende gekommen.
Sie sprangen auf und erreichten eben die Tür, als ein zer-
klüftetes Stück Balken in den Gang fiel; mit einem Satz wichen
sie zurück. „In den Keller!" ries der BevgHauptmmm, die Hin-
tertreppe hinabelleud.
Doch noch ehe sie völlig tiiuuntergelangten, war das Dröhnen
verstummt. „Was war das?" — stammelte Hal atemlos.
„Eine Gruvenexploston!" — sagte Cotton. Nach einigen Mi-
nuten strebten sie wieder der Türe zu.
Vor ihren geblendeten Augen stieg eine ungeheure Rauch-
und Feuersäule zum Himmel empor; sie verbreitete sich immer
mehr und mehr, bis «S um sie herum Nacht geworden war. Eine
Art feinen Staub- und Schuftregens siel aufs Dorf nieder, als
sie langsam die Urteilsfähigkeit erlangt Halten, erkannten sie. Laß
das Schachtgebäude von Nr. 1 verschwunden war.
„In die Luft geflogen, bei Gort!" — rief der Berghauptmann
aus. Die beiden ramucn die Straße entlang, blickten sich um und
sichen, daß ein Teil des Daches von Cottons Büro etngeMrzt
war.

Wischer Berichterstatter teilt uns über die Dienstagabend-Sitzung
mit:
»Mäsident HM 1 emGy A.Wtzt Htexahf um ^8Hhr das sehr
schwach besetzte Haus noch in die Beratung der kommunistischen
Interpellation zum MetallarbeiterstreU eintreten. Die Presse lieb
ihn zuvor bitten, hiervon abzusehen, da es bei Fortsetzung der
Beratungen nichtmehr mögltch ist, die für die auswärtigen
Zeitungen bestimmten Manuskripte rechtzeitig sertigzustellen. Der
Präsident versagt es sich jedoch, der Presse dieses Entgegenkom-
men zu beweise«. Die Presse stellt hierauf ihre Tätigkeit ein."
Wir werden auf die Angelegenheit zurückkommen, sobald die
stenographischen Berichts vorliegen.

Ausland.
UnavhüngWeitserMrung der Kroaten.
Nom, S. Mat. Nach einer Meldung des „T ernp o" haben
die Kroaten ihre Unabhängigkeit von Jugoslawien
proklamiert und eine eigene Regierung eingesetzt. Zum Präsiden-
ten wurde der Baucrnführer Städtisch, zum Vizepräsidenten
Jankowitfch, zum Minister des Inneren Podsintschitsch
und zum Kriegsminister General Stisedi ernannt. Alle Städte
Kroatiens seien zur Feier der Unabhängigkeit geschmückt.

KoMMunales.
Neckarsteinach. (G e m e i nd erat s sitz u n g.) Festsetzung
der Hol>prcikc mW Verteilung des Holzes wurde einer Kommis-
sion überwiesen, ferner wurde der Antrag unserer Fraktion für
bas schlechtere Reis Holz auch demgemäß einen besonderen Preis
Bei Punkt 7: Bekanntmachungen im „HeiDelv. Tageblatt" wurde
der Ehefrau des Peter Schwöbcl übertragen. — Bet Verpachtung
der Wiuterschäfweid« wurde beschlossen, dieselbe zu versteigern. —
eVt Punkt 7: Bekanntmachungen im „Heddelb. Tageblatt" wurde
der Antrag unserer Fraktion, auch in der Heidelberger „Volks-
zeitung" die Bekanntmachungen erscheinen zu lassen, genehmigt. —-
Punkt 8: Arzueimittelvefchassung für Ortsarme wurde ohne De-
batte genehmigt. -- Punkt 9: Mahn-, Pfand- und Bekanntma-
chungsgebühren wurde aus Antrag des Gen. P. L. Otbert vertagt.

M Wkl llÄ Skll MUMM.
Neckarsteinach. (Steuerdrückeberger ei.) Hier wird
allgemein das Gerücht verbreitet, Latz sich einige der hiesigen Groß-
mognlen bei der SteueremschStzung zum größten Teil noch unter
dem Einkommen eines Arbeiters deklariert Haben. Diese Herren
glaubten auch, sie könnten uns irreftthren, wenn sie Wer die Ver-
treter der hiesigen Gemeinde, die mit in der VerankagungSkonunis-
ston waren, schimpfen. Wir wissen, daß sie deshalb schimpfen,
Weil ihre Einschätzung als viel zu gering verworfen wurde und
diese Herren, allen voran ein gewisser Herr der immer sagt, er
esse nur Kartoffel und Salz und dcchei über 100 Kilo wiegt, wolle«
den hiesigen Arbeitern das Recht versagen, auch einen Vertreter
in der StsuervemnlagrmgskonmAsflon zu haben. Was bilden stch
diese Herren eigentlich ein, -glauben dieselben vielleicht die Arbeiter
geben ihren Lohn vom avgeschundcneu Steuerabzug ohne weiteres
hin, ohne eine Kontrolle zu haben? Ob man auch b« diesen Her-
ren, Sie, wie es hier manchmal geschieht, in der Wirtschaft mit
Millionen nm sich werfe«, auch tatkräftig zngreist? Dieser Herr
denkt Vielleicht, wenn er selbst, wie es früher war, bei der Ver-
anlagungskoinmission gewesen wäre, hätte er es dort erklären
können^ daß er so arm wäre und würde sich nur von Kartoffel und
Salz ernähren, dann würden seine Kollegen vielleicht Erbarmen
gehabt haben und der Stcuerzettel Hätte nicht so hart aus Leu
Geidheni n und das Gemüt dieses noblen Herrn gedruckt. Mr
sind der Ansicht^ daß das Finanzamt hier energisch mugrcifeu
muß und nicht davor zurückschrcckeu darf, sich auch einmal den
OffeMaru-ngseid leisten zu lassen. Die hiesigen Arbeiter sind sich
darüber klar, daß man solche Leute, die die Rechte der Arbeiter zu
ihren Gunsten so beschneiden wollen und jetzt sogar noch dagegen
agitieren, daß hier eine Tonwareufavrik errichtet werd eit soll, sich
keine Hoffnung zu machen brauchen, jemals wieder von ihnen in
-en Gemeiuderat gewählt zu werden.
EPPHgen. (Verschiedenes. ) In Steins-furt stürzte ein
nahezu fertiggestellter Schuppen ein. Sechs Arbeiter wurden unter
den Trümmer» begraben. Drei davon wurden schwer verletzt,
Während die drei anderen mit leichteren Verletzungen davouk-'.men.
— In Rohrbach b. Eppingen wird die 37jährige Tochter Les
Landwirts Konrad Rebel seit über 14 Tagen vermißt. Zur Auf-
findung hat der Vater 1000 Mk. Belohnung ausgesetzt.
Lahr. (Seinen Verletzungen erlegen.) Das 214-
jährige Töchterchen des Vergolders Lecerf, das von einem Mähr.
Knaben durch einen Schuß in den Kops schwer verletzt wurde, ist
gestorben.
Konstanz. (Grotzfeuer.) Heute nacht 1 Uhr brannte der
große Kohlenschuppen der Firma Stvomeyer-Lagerhaus am
Bahnhof Petershausen nieder. Es verbrannten große Mengen
Holzkohlen, deren Wert aus 1 Million geschätzt wird, sowie Stein-
kohlen, Briketts, 2 Lastautos uud verschiedene Maschinen. Die
Bran-ursache ist unbekannt. Der Schaden ist größtenteils durch
Versicherung gedeckt. Viele Fensterscheiben der Nachbarschaft sind
infolge der Hitze zersprungen. Trotz später Stunde -war eine große
Menschenmenge am Ort.
Der Schulungen hatte anfgehört, doch durchwogten dichte
Staubwolken die Straße und bedeckten die beiden Männer mit
schwarzem Siaub; immer dichter wurden die Wolken, bis man
saft nicht mehr die Hand vor dm Augen sehen kowrte. Und zu-
sammen mit der Finsternis kam eine große Stille, Hie nach dem
Dröhnen der Explosion und dem Krachen der Trümmer wie das
Schweigen des Todes anmutcte.
Einige Augenblick: stanh Hal betäubt; er sah einen Strom
von Männern und Knaben aus dem Brechwerk drängen; aus
jeder Straße kamen Frauen gceikt, alte Frauen, junge Frauen,
die das Essen auf dem Herd, die Babys tu den Wiegen gelassen
hatten; die größeren Kinder klammerten sich schreiend au tzi?
Röcke der Mütter, und alle drängten sich tu dichten Schwärmen
um die Schachtösfumtg, die dein räucherten Krater eines Vulkans
glich.
Cartwright, de» Oberaufieüer, erschien, lief in die Richtung
des Fächergebäudes; Colton bolle ihn ein, und Hal folgte. Das
Fächergebäuds war eine Ruine, der Riesensächer tag etwa hun-
dert Schritt entfernt zertrümmert am Boden. Hal war in Gru-
bendingen zu unerfahren, um dH volle Bedeutung dieser Tatsache
erfassen zu können; doch sah er, Wie der Bergyau-Ptmarm und der
Obeuaufseher einander entgeistert anstarrten, hörte ersteren brum-
men: „Nun ist alles aus!" Cartwright schwieg, die dünnen Lip-
pen zusauMieugepretzt, Angst in den Augen.
Die beiden Männer eilten, von Hal gefolgt, zur rauchen-en
Schachtösfnung zurück. Hundert, zweihmrdert Frauen stauten sich
hier, schrien Fragen durcheinander. Sie umdräugten den Berg-
haupttnaml, den Oberausseher, die anderen Aufseher, fogar Hal,
schrien hysterische Worte auf polnisch, böhmisch und griechisch. Und
da H-wl verständnislos den Kopf schüttelte, stöhnten sie verzweifelt
und brüllten auf. Einige starrten unentwegt in den Schacht Hinab,
-andere verhüllten ihre Augen oder sielen schluchzend, mit erhobe-
nen .Händen laut betend, ans die Knie.
Allmählich wurde Hal das ganze Entsetzen der Gruben la m-
strophe klar. Nicht Lärm und Rauch und Finsternis, nicht die
Halbwahnsftmig-en, heulenden Weiber, nichts was Wer der Erde
War, aber das dort unten, im rauchenden Schacht! Dort waren
Menschen! Männer, die Hal kannte, mit denen er gescherzt, deren
Lachen er geteilt, deren tägliches Leben Hm nicht mehr fremd ge-
wesen. Viele Hunderte vielleicht, befanden sich unter seinen Fü-
ßen, wt, verletzt, verstümmell. Was werden die oben für sie tun?
Hal versuchte zn Cotton zu gelangen, Hn M befragen, doch ist der
ustr.
 
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