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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (Mai bis August)

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Nr. 131 - Nr. 140 (8. Juni - 20. Juni)
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https://doi.org/10.11588/diglit.48723#0182
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— Mittwoch,-dew 7. JluL Hat der WrdEütnmchMlHeausschud dem
SluleihÄomitee folgeutze Antwort zu-gestellt: ZA Beantwort-uirg
der inr Namen des AnleHeairsschusses gestellte« Fratze hat der Wie-
dcrgutmachungsausschuß die Ehre, dem Kö-Mtse mitzuteileu, daß
in einer offiziellen Sitzung, die heute früh stattsand, folgende Ent'
scheidmitz getroffen worden ist: Die Ansicht Oes Ausschusses ist die,
daß das Mandat des Komitees nicht -so anfgefatzt werden soll, als
ov es irgend etwas enthalte, was dem entgogenWnde, datz der
Ausschuß irgend einen der zur Ausgabe äußerer Anleihen für
Deutschland möglichen Bedingungen studiert, diejenigen nicht aus-
genommen, die sich im allgemeinen mit Der Wiederherstellung seines
Kredites im Ausland befassen. Tatsächlich wird jede Anregung
des Komitees seht wertvoll sein, ahne irgendwie eine Verantwor-
tung 'für den Wied ergutmachu ngs aus schuß fest,zu stelle n. Obige Eut--
kchcidmig -ist durch Stimmenmehrheit gefaßt, indem die Delegier-
ten Englands, Belgiens und Italiens.dafür, der französische Dele-
gierte dagegen gestimmt Haven. Der offizielle amerikanische Dele-
gierte hat sein Persönliches Einverständnis mit der Mehrheit zum
Ausdruck gebracht. Indem Herr Lafontaine diese. Mitteilung macht,
erklärt er gleichzeitig, daß der Präsident des Ausschusses, nachdem
er die Erklärung avgegever: hatte, daß er der Ansicht seiner Kolle-
gen sich nicht anschließen könne, weil er sich verpflichtet hatte, die
Meinung -aufrechtzuerhalten, die er bereits in der ersten Sitzung
ansgedrückt hatte, hinzufttgte, daß die Entscheidung, obgleich sie nur
mir Stimmenmehrheit gefaßt sei, doch vollständig gültig sst und d is
Komitee sich ans dieses Votum stützen könne, um sÄn Studium in
erwartetem Matze durchzusühren und daß er andererseits davon
überzeugt sei, daß das Komitee dies mit der nötigen Impression
tun werde.
Nachdem das Komitee diese erwähnte Antwort erhalten batte,
beschloß es, heute Donnerstag, 3 Uhr 3V nachmittags, von neuem
zusammenzutreten, um die durch diese Antwort geschaffene Lage
zu Prüfen.
Vorbesprechungen zur Haager Konferenz.
Rom, 7. Juni. Nach einer hiesigen Agenturmeldung wird
in den nächsten Tagen in Rom ein englischer und französischer
Delegierter erwartet, um Vor der Konferenz im Haag mit der ita-
lienischen Regierung über die Haager Verhandlungen sich zu be-
sprechen.
Frankreich und die Haager Konferenz.
Paris, 7. Juni. Frankreich scheint gegenüber der Haager
Konferenz etwas einlenken zu wollen. Daraus deutet wenigstens
eine heute veröffentlichte offiziöse Havasmeldung hin, die besagt,
datz die französische Regierung zwar über die Beschickung der Kon-
ferenz vom Haag noch keinen Entschluß gefaßt habe, datz es aber
wahrscheinlich sei, datz Frankreich wenigstens auf den vom 15. bis
25. Juni zwischen den Alliierten und Neutralen unter Ausschluß
der Sowjetvertreter stattfindenden Debatten durch Finanz- und
Wirtschaftssachverständige vertreten sein werde: Frankreich werde
sich aber immerhin Vorbehalten, an der Fortsetzung der Diskussion
nicht mehr teilzunehmen, wenn es im Verlaus der Vorverhand-
lungen den Eindruck gewinnen sollte, daß man nicht gewillt sein
werde, die Bedingungen des französischen Memorandums vom
1. Juni einzuhalten.
Ratifikation des deutsch-dänische« Vertrages.
Berlin, 7. Juni. Der Vertrag zwischen Deutschland und
Dänemark betreffend die Räumung der durch den Uebergang der
Staatshoheit in Nordschleswig zu Dänemark entstandenen Fragen
ist hertte in Berlin ratifiziert wordem

Soziale Rrmdschmr.
Baudarlehen 1922."
P. A.. Mit Rücksicht auf die gestiegenen.' Baukosten 'hak M
Keichsregierüng eine Erhöhung der Einheitssätze für die Landes-
baudarlehen zugelassen und eine Erhöhung des Gcmeinde-Ber-
bands-Darlehen Lorigeschrtehem Das Badische AWeitsministeri-ual
hat. deshalb mit AussührungsbesAmmungen vom 29. Mai 1922 die
Einheitssätze für Gewährung von Landesdarlehen bei Neubauten
wie folgt neu festge-l-cgt:
L. Mr den Quadratmeter Wohnfläche:
1. in bäuerlichen Gemeinden und kleineren Städten nut
vorwiegend ländlichem-Charakter, bei eim und zweige-
schossigem MehrfanMielchaus 750 Mark;
2. in den übrigen Gemeinderi! bei ein- und zweigcichossi-
gom Wohnhaus 900 Mark, bei drei- oder viergeschossi-
gem Wohnhaus 820 Mark;
8. Kr den Quadratmeter Stallfläche gleichmätzig 380 Marl.
Das Lamdesdarlchen beträgt deshalb bei einer Wohnung von
70 Quadratmetern in der Stadt 63 000 Mark und in den bäuerli-
chen Gemeinden und kleineren Städten 60200 Mark.
Diese Sätze sind Höchstsätze. Die Festsetzung im Einzelfall er-
, folgt durch das Arveitsmtnisterinm; eine Ermäßigung kann ins-
ibefonvers Äntreten, wenn däs Bauvorhaben nicht in jeder Hinsicht
'einwandfrei, oder wenn mit der Bauausführung bereits begonnen

„König Kohle".
Von Apton Sinclair.
(62. Fortsetzung)
Die jungen Männer nahmen mit -ausgesuchter Höflichkeit ihre
Hüte ab: „Ich freue NM, Ihre Bekanntschaft zu machen." Sie
starrten Rosa an, denn sie sah sehr hübsch aus, da sie errötend eine
verlegene Antwort stammelte. Sie war völlig verwirrt, so vor-
nehme Herren hatten noch niemals vor ihr d ie Hüte ab genommen.
Und diese Herren sprachen mit Joe Smith wie mit einem al-
ten Freund und nannten ihn bei einem anderen Namen. Die
schwarzen it-aliertischen Augen blicttcn fragend zu Hal -empor und
«r fühlte sich von oben bis unten erröten!. Es war fast so arg, vom
Nordtal erwischt zu werden, wie von Western City.
Die jungen Männer sprachen von den Rettungsarveiten Und
Von dem, was Cartwright darüber berichtete. Der Brand sei in
einem der Hauptgänge, er habe die Verzimmwr-uns ergriffen und
breite sich durch den vom Fächer geschaffenen Luftzug rasch aus
In diesem Teil der Grube fei wohl nichts zu machen, doch ver-
mochten die Helmleute in den bereits verkohlten Gängen Hitze und
Rauch Trotz zu bieten. Sie Wußten genau, wie groß in diesen
Teilen die Gefahr des Zusammenbruches sei, dennoch waren die
Männer, die dort gearbeitet, ihre persönlichen Freunde. „Ich
mutz sage!:-, daß sie schneidige Kerle sind" -- meinte Dicky.
„Kommen die andern auch?" fragte er.
„Ich woitz nicht," erwiderte Bob. — „Sie sind Wohl eben beim
Frühstück, auch wir müssen gehen."
„Kommen Sie nicht mit?" fragte Dicky.
„Rein, danke" entgegnete Hal — „ich mutz mit diesem Jun-
ten bleiben." — UM er drückte des kleinen Jerry Hand.
„Sagen Sie doch dm andern, sie sollen auch Herrommen; es
iürfs sie manches interessieren."
„Gut" — erwiderten die beiden und wandten sich zum Gehen.
Nachdem er die zum Frühstück erforderliche Zeit hatte verstrei-
Ven lassen, begab sich Hal zum Sonder-ug und ließ sich bei Percy
Melden. Er hoffte Percy das Dors ohne Auffeh er-Chaperonage
!W zeigen, und der,rahmen mit Bestürzung, daß die Gesellschaft in
IbeMgen Stunden wieder fort wolle.
«Mer du hast ja «sch S« Wichts gesehen« — protestierte Hal.
„Mair läßt «ns doch nicht ßn den Schacht und was gibt es an
irres zu tun?"

ist. -Die orhShteu Sätze gelten-grundsäWch nur für -die nach-der
Veröffentlichung der neuen Vorschriften noch zu erlassenden"Bet-
hilfevsscheide. Das Arv-eitsministerium ist jedoch bereit, die -nach
dem 31. Dezember 1921 erlassenen Beihilfebescheide für Neubau-
ten, bei denen mit der Bauansführung (Beginn der Mau-
remrbeitsn) erst «ach dem 14. Mai 1922 begonnen wurde, zurückzu-
nehmen uM durch neue Beihilsebescheide mit den neuen erhöhten
Sätzen Unter folgenden Bedingungen zu ersetzen:
a) Die Erhöhung muß zur Finanzierung des Bauvorhabens
dringend geboten sein,
b) die Gemeinde (Gemein-deverband) muß ihr Darlehen in
der unten genannten Weise erhöhen,
c) durch die Erhöhung dürfen die den verbandsfreien Ge-
meinden und Wohnungsverbänden zugewiesenen oder noch
zuzuweisenden Mittel nicht überschritten werden.
Anträge sind vorr dem Bauherrn beim Bürgerm e i si e r-
amt cinzureichen. Der Ausgleich -der durch die Einführung -eines
Stichtags für die Grenzsälle etwa entstehenden Härten soll den
verbandsfreien Gemeinden und Wrchmmgsverbändeu übeklassen
bleiben.
Das Gemeinde-(Vervands-)Darlehen soll auch künftig so hoch
bemessen werden, daß es zusammen mit den vom Bauherrn auf-

zubMMÄlden KWM'"'Und 'E die sManzierU-ug
des Barrvovhaöens erqwAjcht^WähreH MK.,.PflichtdWehe«f bis-
her Mr ein Drittel des LMtzeMMchenK HstzM so Miß es künf-
tighin mindestens sochoch Me"Äs' LmidesdarWH-en sein: Bei Bau-
ten vorr Privatpersonen kann Maus zwef Drittel dMDaindesdar^
lebens ermässigt werden. Das,Arbeitsmiusstzriunt kansi gestatten,
daß das -Gemeinde- und Ver-bandsdarlehen N besonders begrün»
deren Fällen bis auf ein DrilM des LanyesdarlchenH ermäßigt
WiM»7'S EI
Die Landesdarlehen solle» künftighin in stärkerem Umfange
als bisher nur fiir Neubauten gegeben werden. Die Gewäh-
rung von Baudarlehen für Ein- und Umbauten und für den Wie-
deraufbau abgebrochener Häuser soll grundsätzlich den i verbands-
freien Gemeinden und WoHnungKverbänden überlassen bleiben und
ein Landesdarlehen ausnahmsweise nm dann gegeben werden,
Wen» ihre finanzielle Leistungssä-hi-gkeit zur Finanzieruug -des Bau-
vorhabens nicht ausreichen sollte. Ei« Gleiches soll gelten, wenn
-ein abgebranntes Gebäude in erheblich erweitertem Umfange
wieder aufgebmtt werden soll und die BraMentschädigung und
eine -etwaige -guttaitsweike Erhöhung durch die Gebäudeversiche-
rungsanstait zur Finanzierung des Neubaues nicht genügen sollte.

Der Erzbergermord - Prszetz in Offenburg.
L.v. Offenburg, den 7. Juni.

(Eig. Bericht.)
Erster Verhandlungstag.
Vormitlagssitzüng.
Der Angeklagte von Killinger wird kurz nach Besetzung
der Geschworenenbank vernommen. Im wird vorgeworfen, den
beiden mutmaßlichen Mördern Erzbergers bei ihrer Flucht behilf-
lich zu sein und sie damit der Strafverfolgung entzogen zu haben.
Er hat 1. in der Zett vom 29. bis 31. Mai 1921, also wenige Tage
nach der Ermordung Erzbergers, die Reisekoffer des Schulz in
seiner Wohnung in München aufbewahrt. 2. Um Schulz der Ver-
haftung zu entziehen, hat er ihn im Auto weggebracht. 3. hat er
sich berciterklärt, den Briefwechsel von Schulz unter seiner Adresse
zu verdecken. Der Angeklagte setzt daraus den Geschworenen seinen
ganzen Lebensgang auseinander. Erwähnenswert ist feine Tätig-
keit bei der Marine, die Kommandantur von lsi-Boot 45. Nach der
Revolution schloß er sich zur Bildung von Freiwilligenkorps an
den Kapitänleutnant Ehrhardt an und bekam den Befehl über
eine Kompagnie von 80 bis 100 Unteroffizieren, die Mannschafts-
dienst verrichteten. Weiter war er bei der
Niederkämpsung der Riiteregierung
den Kämpfen in Oberschlesten, bei der Niederringung von Streiks
an vielen Orten tätig. Im Herbst 1919 trat Schulz in seine Truppe
ein. Am 1. September bekam K t l l inger eine Ofstzierskompag-
nie, in der Schulz Zugführer Wurde. Im Dezember 1919 nahm
Killinger feinen Abschied, weil er sich nicht mit den neuen politischen
Verhältnissen befreunden konnte. Er begab sich nach München.
In diesem Augenblick gibt der Vorsitzende Aufschluß über Vie des
Mordes an Erzberger Beschuldigten. Daraus ist im wesentlichen
folgendes ersichtlich: Schulz war bei der Ausführung des Mordes
28, Tillessen 26 Jahre alt. Politisches Interesse hat die Feststellung,
daß die Beiden anfangs Juni 1920 in die unter dem Reichstags-
abgeordneten Dr. Heim arbeitenden Zentralgenossenschaften in
Regensburg eingetreten waren. Sie haben dort, Wie ans Briefen
hervorgeht, ein sehr geringes Einkommen bezogen. Es wird von
einem Monatsgehalt von 600 Mk. gesprochen. Anfangs Juni 1921
begaben sie sich in der Absicht zu studieren nach München, wo sie
mit Killinger zusammentrafen. Die Organisation L 74 in Mün-
chen, deren Leitung in den Händen von Killingers lag, umfaßte
eUv«^4W^-Hsi'.Mitglieder.' Sie' hatte, sich zum Ziel gesetzt,
gegen ryMtyMMsche'" StreiM/'ilMtttreftül''
Alt der Spitze der Gefamtorganisatisn siand Kapitänleütnäirt
Ehrhardt, der sich flüchtig im Ausländ aUfhältz DU Organi-
sation O bedeutet den Geheititausdruck für „Cönsul". .Die Orga-
nisation zerfiel in drei Abteilungen: a) Sammelstellen aller Nach-
richten unter Leitung Hoffmanns, der das Material weiterzugeben
hatte, b) Propagansigstelle, der Killinger Vorstand, mit der Ausgabe,
in verschiedenen Städten neue Mitglieder zu werben. In dieser
Abteilung waren Schulz und Tillessen tätig, außerdem ein gewisser
Baidenius. c) Presse und politische Abteilung, die die Zeitschrift
„Wicking" herausgab. Als Zweck der Organisation ergibt sich aus
den Statuten, die der Vorsitzende verlieft,
die Bekämpfung der Weimarer Verfassung.
Die Organisation nennt sich eine G.-Organisation, was Killinger
mit Geheimorganisation bezeichnet. Mitglied konnte nur werden,
wer drei Bürgen stellte, die bestätigten: datz der Bewerber einwand-
freier Deutscher ist. Jedes Mitglied mutzte dem Vorsitzenden un-
bedingten Gehorsam geloben. 8 7 der Satzungen bestimmt: „Juden
und Ausländer sind von der Aufnahme ausgeschlossen." Die Pa-
role lautete:-
„Für Deutschlands Wiedergeburt!"
Killinger hält"die"gegen den Ermordeten erhobenen Vorwürfe
wegen Unterzeichnung des Friedensvertrags für Unrecht, weil
nichts anderes übriggeblieben sei, als den Vertrag zu unterzeichnen,
nachdem der Infanterist fein Gewehr weggeworfen und der Kano-
nier seine Kanone verlassen habe.

Im Gegenteil wäre er «gleich seinen Kameraden für die Mtsr-
zeichnung des Vertrages von Versailles wie Erzberger eingetreten.
Ihm sei nichts davon bekannt, daß von einer gewaltsamen Besei-
tigung Erzbergers gesprochen worden sei. Er Weitz Mich nicht, von
welcher Seite Mittel für diesen Plan zur Verfügung gestellt wur-
den. Er Weitz nur, daß es Kreise ans Industrie und Landwirt-
schaft waren, die Interesse an seiner Organisation hatten. Anfangs
August 1921 ging Sch u l z und Til-l-e f f e n in Urlaub. Der An-
geklagte -genehmigte ihnen, obwohl keinerlei Aufzeichnungen darü-
ber -gemacht wurden, etwa 3 oder 4 Wochen Ferien. Am 1. August
. ging Schulz in das Haus Tillessens. Hier schrieb er einen Fracht-
brief, der zerrissen- im Papierkorb aufg-esnnden wurde, der eine Re-
gensburger Adresse auswies, wie -auch aus einem Bries des Schulz
vom 27. 6.. 21 -au die Tochter seiner Wirtin in Regensburg zu er-
sehen ist, daß er zwei Tage seines Urlaubs in Regensburg verbrin-
gen wollte. Jedoch schon tags darauf schrieb er einen zweiten
Frachtbrief, worin er 'einen Koffer nach Saalfcld dirigierte. Arn
4. August -ist der Koffer auf-gegeben worden. Während -der ganzen
Urlaubszeit der beiden hat Killinger keine Post von ihnen erhalten.
, Ihr Verkehr fei nicht sehr freundschaftlich gewesen. Er habe erst
am 27. August ein Lebenszeichen erhalten. An diesem Tage sand
er einen von Tillessen .geschriebenen Zettel vor, wonach -er von die-
sem in den -englischen Garten- gebeten wurde zu einer zwanglosen
Zütammeulunft. Hierbei wurde hauptsächlich von den Arbeiten
der Organisation, von dem Morde an Erzberger nur nebmsiäclMch
gesprochen. Am Vormittag des 29. August waren Schulz und
Lillesfe -n und Killinger auf dein Büro. Am nächsten Tage
sprachen Schnitz und Tillessen wieder auf -dem Büro bei Killinger
vor. Hier erst teilten.sie ihm mit, -daß sie ihre Koffer in feine Woh-
nung geschickt hätten, WM sie noch ins Gebirge fahren wollten. Am
d-arauffolgenden Dienstag kamen die beiden wieder zu ihm, mit
der MttMung, sie hätten ihre Ansicht geändert uns baten nochmal
Uni 8 Tage Urlaub nach Lindau. Dem genauen Zeitpunkt ihrer
Abreise weiß -der A-nget-lagte nicht. Am 9. September kehrte Schulz
allein zurück und teilte von Killinger mit, ex wolle aus der Zentml-
orgoMation austreteu, da man ihm in Lindau eine erträglichere
Stelle in Berlin verschafft habe. Hierbei habe Killinger bet der
Erwähnung der Ermordung Eezbergers im Scherze -gesagt, er,
Schulz, könne ja auch der Mörder fein, weil er auch eine Narbe -auf
der Nase habe wie der steübrieflich verfolgte Mörder. Mn 9. Sep-
tember tr-äf von einer Freundin der beiden Mörder ein.Telegramm
nm 11.15 llhr,vormittags bei Killinger ein und bereits mn 11.5-0
Uhr vormittags erfolgte die RiiSantwormng, sie soll an die. Bahn
kommctr, da bMe heüto ahrNstsN - ' - ' .
Nachmittagssitzung.
Zu Beginn der Nachmittagssitzung verlas der Vorsitzende einen
Brief, den Schulz an seine.Mutter geschrieben hat. Er bemerkte
darin, es gehe ihm finanziell gut und es werde ihm jetzt möglich
sein, Geld nach Hause zu schicken. Er erinnerte seine Mutter daran,
daß jetzt die Landtagswahlen bevorstüuden und riet seinen Ange-
hörigen, dentschnational Zu wählen. Er kenne viele Abgeordnete
dieser Partei, die für die Kleinrentner einträten. Sie solle nicht
liberale Volkspartei wählen, weil das die Partei der Kapitalisten
sei Md nicht demokratisch, denn das sei die Partei der Juden. Er
bemerkte dann noch in dem Briefe, wenn seine Mutter an ihn
schreiben wollte, so solle sie das unter der Adresse Killinger tun.
Der Angeklagte v. Killinger bemerkt dazu, davon wisse er nichts.
Zuerst sollte als Zeugin Frau Erzberger vernommen werden.
Sie ließ sich aber durch Krankheit entschuldigen. Als erster Zeuge
wurde deshalb Reichstagsäbg. Diez-Radolfzell vernommen, der
am 26. August 1921 in Griesbach angekommett war, nm mit Erz-
berger zusammenzutreffen. Diez gibt dann eine Schilderung der
Vorgänge vor und nach der Mordtat. Er teilt mit, daß auf dem
Spaziergang auf der Straße von Griesbach zuerst zwei junge
Mariner ihnen folgten, sie dann überholten und, als sie umgekehrt
waren, wieder hinter ihnen gingen. Plötzlich seien die beiden vor
sie gesprungen und gaben mehrere Schüsse ab. Von einem dieser
Schüsse wurde Diez getroffen und ohnmächtig. Als er wieder zu
sich gekommen war, suchte er Blutspuren folgend nach Erzberger

„Ich wollte so gerne, baß du mit den Leuten sprichst, etwas
von den hiesigen VeOälLwissen erfährst. Du solltest die günstige Ge-
legeicheiten ausnützen, Percy."
„Schon gut, Hal, aber du mutzt doch eirffchen, daß dies nicht
der -geeignete Moment -ist. Ich hab-e meine Gäste rnit und kann von
ihnen nicht verlangen, datz sie hier warten."
„Können sie nicht auch etwas lernen, Percy?"
„Es regnet" — läutet die Antwort. „Außerdem dürfte es
die Dmnen kaum freuen, in -einem Gedränge M ftchen und Lefchsu
"Ms dem Schacht herausholent zu sehen."
HM nahm den Vorwurf still entgegen. Ja, seit seiner AniUNft
im Nordtal war er abgestumpft worden, hati-edas Aartgefittsi ver-
loren, das intuitive Verständnis für die Empfindungen der Damen,
tvie er es noch vor kurzer Zeit bewiesen hätte. Dieser UWlücksfall
erregte ihn aufs höchste, war ihm zur persönlichen Sache gewor-
den; er hatte die Tatsache vergessen, daß er in seinen Einzelheiten
für die Damen der Harrigan-Gesellschaft bloß abstoßend und
schmutzig erscheinen mutzte. Wenn sie in Regen und Kvt ins Gru-
beudorf gehen und sich dort umWicken, so werden sie das Gefühl
haben, daß sie nicht menschliche Teilnahme zeigen, sondern bloß
müssige Neugierde. Der sich ihnen bietende Anblick würde sie nur
nutzlos erschüttern und sie würden sich außerdem einer unnötigen
Oeffentlichkeit ausfetzen, und den Witwen mch Waffen ihre Sym-
pathie bezeugen? — Diese waren ja größtenteils Ausläiuder, ver-
standen nicht, was man zu khnen sprach, würden durch das Ein-
dringen Vieser Wesen aus einer fremden Welt in ihrem Kummer
mehr beunruhigt als getröstet werden.
Das „Geschäft" der TeUnahmsbezeugnng war durch die von
diesen Damen aufrechterhaltene ZWAifation in ein System ver-
wandelt worden; zufälligerweife befand ftch auch hier jemand, der
mit diesem System vertraut war. Percy erzählte Hal, daß Frau
Curtis bereits etwas unternommen, eine Liste herumgereicht -habe'
in wenige« Minuten waren Wer taufend Dollar gezeichnet worden.
Diese würden als Scheck beim „Roten Kreuz" einbezahlt werden,
dessen Angestellte sich mit der Verteilung unter Notleidende de-
fable«. Percys Gäste konnten nun mit dem Gefühl, zartfühlend
das Richtige getan zu Haden, getrost, mit ruhigem Gewissen von
dannen ziehen.
„Die Welt kann nicht stehe» Weihen, WM es eine Grude,Mta°
strophe gegeben hat" — sagte veS AohlenMrigS SMn. „Man mutz
trotzdem seine Verpflichtungen einhMtrn."

Und er erklärte, welche Art diese Verpflichtungen seien. Er
müsse heute abend bei einem Diner anwesend sein, tvisse kaum, ov
ihm dies gelingen Werde. Berth Altyns habe eine Billardpartie,
auf der Weiten stünden, Fra« Curtis, die Komiteesitzung -eines
Framenklubs. Außerdem sei heute der letzte Freitag im Monat;
habe Hal vergessen, Was dies bedeute?
Nach kurzer» N-achdenVen erinnerte sich Hall; es war der In-»
gendabend im Lgudklub. Er hatte eine Plötzliche Vision des wei-
hen Säulenhaufes am Fuße des Berges, Türen Und Fenswr waren
weit geöffnet, die Klänge der Musik schwebten heraus. Und im
BallfcM die jungen Damen, darunter Jefste, seine Braut, in duf-
tigen Chiffon- und Dpttzeng-ewändern, von Musik, Farben und
Parfüm umwogt. Sie werden lachen und plaudern, flirten, mit
einander rivalisieren, derweil hier -im Nord-Tal fchlucbze-nde Wit-
Well ihre verstümmelte« Toten in den Arnte« halten. Wie seltsam,
wie schauerlich! Und wie es doch den Szenen am Vorabend der
französischen Revolution glich,
Percy wollte, daß Hak mit ihnen komme, deutete dies zuerst
taktvoll an, dann, als Hal anscheinend den Wink nicht verstand,
drang er, ärgerlich werdend, heftiger in ihn. Der Schacht fei offen
--- was wolle Hal denn noch? Ms Hal meinte, Carlwr-ight könnte
ihn wieder verschließen, enthüllte Percy die Tatsache, daß dies von
seinem Vater adhänge. Der Oderaufseh-er hatte am vorigen Wend
ein langes Telegramm ab-gefwndt, die Antwort konnte jeden An-
gcndlrck eintreffe«. Was immer sie befehle, wird geschehen.
Ein grimmiger Ausdruck erschien aus Halls Gesicht, doch zwang
er sich zur Höflichkeit. „Wenn deiner Vaters Befehle die Rettung
der Leute hindern, so mutz ich dagegen kämpfen."
„Wie kannst du gegen meinen Vater kämpfen?"
„Mit der einzigen Waffe, die mir z« Gebot steht: der Ocsfent-
iichkeil."
„'Du willst damit sagen, daß ..."
„Ich Will damit sagen, was du bereits weißt. Ich werde Billy
Keating loslassen und die ganze Geschichte in alle Winde posau-
nen.
„Bei Gott!" — rief der junge Harrigan —. „ich mutz sagen, datz
das von dir verflucht gern ein ist! Du hast versprochen, nichts W
tun, wenn ich den SckMh« öffnen laste!"
«Fortsetzung folgt.)
 
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