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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (Mai bis August)

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Nr. 131 - Nr. 140 (8. Juni - 20. Juni)
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Mlkkisl W VßtzNVstAk.
Heinrich Ströbel gegen die USP.
Im Firiiverlag erschien Vas im Mai 1920 herausgegebene
Buch Ströbels „Die deutsche Revolution" in zweiter Auflage.
In einem neuen Kapitel „Zwei Jahre spiiter" übt Ströbel scharfe,
nicht immer von klarer Erkenntnis des Mögliche» getragene
Kritik an der sozialdemokratischen KoalitiorrspMtik. Dies ver-
anlaßt die unabhängige Presse, das Buch Ströbels stark
agitatorisch gegen unsere Partei ausz-nschlachten. Sie verschweigt
dabei Ströbels Urteil Mer Vie USP., von der er z. B. sagt:
„Sic hatte (im Juni 1920) seit Jahresfrist ihre Stimmen-
zahl mehr als verdoppelt. Aber mit ihrem raschen Wachstum
Hatte leider die politische Einsicht nicht gleichen Schritt schatten.
Das offenbarte sich alsbald, als die Sozialdemokratische Partei
sie einlud, sich an der Bildung der neuen Regierung zu beteili-
gen. Statt dieses Angebot, Vas ihr die Möglichkeit gegeben
hatte, de» Sozialismus zur ausschlaggebenden Macht in der Re
gierungskoalitiim zu machen, M akzeptieren, antwortete das
Zentralkomitee der Unabhängigen mit einer hochmütigen Absage:
Wan Mime reicht in eine Regierm« eimrelen. die sich Vie Wie-
deranfrichtung der kapitalistischen Ordnung zum Ziele gesetzt
habe. Für die USP. könne nur eine sozi-MMsche Rogier««« tu
Frage kommen, in der sie die Mehrheit bilde und den bestim-
menden Einfluß anstive. Also statt des Versuchs, zunächst ein-
mal eine übcrwiMnd sozialistische Regierung zu bilden und sich
innerhalb dieser Negierung durch eine kluge und energische Po-
litik durchzusetzen, die sich ja nunmehr aus eine sah; andere pro-
letarische Macht stützen konnte als bei der ersten verunglückten
Koalition vom November 1918, eine schroffe Ablehnung jeder Po-
sitiven Brtiitigungsmöglichkeft und das Verharren in einer un-
fruchtbaren Oppositionspolitik.
.... Eine uni so ärgere Versündigung an den proletarischen
Interessen war die kühle Mlehnniig des rechtssozialistischen
Entgegenkommens, die der törichten Einbildung entsprang, durch
politische Intransigenz die Sozialdemokratische Partei Deutsch-
rands vollends überflügeln zu köNNeu.
Nie jedoch hat eine Partei rascheren Aufstieg und rapideren
Zusammenbruch erleb! als die Unabhängige Sozialdemokratie."
Die USPD, und ihre Grundsätze beleuchtet
von eiurrn ihrer Führer.
Der USPD.-ReichsiagSabgeordnete Merkel-Solingen ver-
össcttklichtc in der unabhängigen Wochenzeitschrift „Der Sozialist"
Anfang März 1922 einen bemerkenswertm Artikel über „Die Par-
tei und ihre Grundsätze". Merkel ist einer Von den Vernünftigen,
die längst ein,gesellen haben, daß die Politik der starken Worte eitel
Schamnschlägerci ist und zu keinem positiven Ergebnis für die Ar
beitertlasse süyrt. Seine Ausführungen in dem vorgenannten Ar-
tikel find so wichtig, daß. wir nicht dringend .genug empfehlen kön-
nen, sie vor allen Dingen den Klasse «genossen der USPD, zu un-
terbreiten, damit endlich die Vernunft siegt. In dem Artikel führt
«r u. a. aus:
„Im wilhelminischen Staat brauchten wir «ns (wegen der
Ausübung der politischen Macht) nicht die Köpfe zu zerbrechen.
Erstens wollte „man" uns nicht, und zweitens wollten wir nicht.
Der wilhelminische Staat ist weg und wirhabendenVokks
staut bekommen. Wir können, unbeschadet grundsätzlicher
Meimlnssvcrschiedknheircu über die Zweckmäßigkeit der Verfas-
sung und vic Ausübung des Vertretungsrechts der von unserer
Kkasfengesetlschast Gewählten die Grundlagen unseres
Staates nicht verneinen. Da wir ein wesentlicher Teil
des Bokkcs sind« Haven wir einen Anspruch darauf, bei der Aus
Mrmg der Staatsgewalt durch jene Ausschüsse (RetchsrcgieruM,
Reichsrnk) zugezogen zu werden. Grundsätzlich darf mau »ins
nicht auSfchalten und grundsätzlich haben unsere Ge-
wählte n die Pflicht, sich nicht ausschalten z«
lassen. Als bürgerliche Parteien es abtehnten, mit uns eine
Regierung zu wollen, hat man ans unserer Seite dagegen
mit keinem Ton protestiert, trotzdem das unsere Pflicht gewesen
Ware. Ob wir uns au der Rcgiernug beteiligen wollen, das
ist eine Frage, die nur uns angelst. Biele unter uns find „gründ
läßlich" dagegen. Diese Vielen müsse« aber die Meinung erlau-
veih daß wir z u solchen „G ruudsätzen" gar kei« Rcchl
haben. Unsere sozialistischen Klasfengenossen, unsere Parteigän-
ger überhaupt, habe,» eine» Anspruch darauf, zu fordern, daß un-
sere Gewählten auf solche „Grundsätze" verzichten, d« mit ihnen
der Satz: „Die Staatsgewalt grht vom Volke au s"
verneint wird. Bon wem soll sie den» ausgehen? Ein rot an-
gestrichenes Zarat bleibt ein Zarat, nur, daß es ein rot angestri
chenes ist. Seine Tätigkeit und feine Wirkung ist zaristisch und
kann gar nicht anders fein.
Anläßlich verschiedener Regierungskrisen hatte unsere Rcichs-
tagsfraMon sich mit der KoaMiousfrage zu befassen, und sie hat
von ihrem Recht, sich nicht zu beteiligen, Gebrauch gemacht.
Sie meinte, Grundlegendes ließe sich bei der Zusammenarbeit
»nit bürgerlichen Parteien doch nicht hervciführen. Zur Hälfte
ist das richtig. Die andere Hälfte sagt aber, daß eine rein-
sozialistische Regierung auch nichts Grundle-
gendes mache» konnte. Wenn wir unsere Parteifreunde
i« den Glaube» wiegen, wir könnten etwas wesentlich anderes
km», wenn wir regierten, als was jetzt geschieht, so kau,» sich das,
falls wir einmal die Hausverwaltung allem übernehmen sollten,
recht Sitter rächen. Der Traum von der Neve r n a h m r
der Wirtschaft, wie wir ihn vor 1914 träumtert,
ist au s. Da er sehr lange dauerte und sehr intensiv war, wirkte
er sehr nach,haltig, aber trotzdem ist er aus! Wir Haven notwen-
dig, das Deklamatorische in unserer Partei gele-
gentlich einer Nachprüfung auf seine» sachlichen Gehakt zu unter-
ziehen, mw da bi» ich der Meinung, daß unsere „Grundsätze"
in der Frage der Koalitionspolitik trotz ihrer Neuheit in der For-
mulierung mit dem alte» Staat hätten untergehen sol-
l e n, denn der» alten Staat waren sic entsprossen. Wir können
es angesichts der fürchterlichen Lage der Arbeiterklasse in Gegen-
wart und absehbarer Zukunft nicht verantworten, „da-
gegen" zu sein; dem, „die Staatsgewalt geht vom Volke aus".
Wir sind ein veritabler Bestandteil dieses Volkes und
dieser Bestandteil ist in besonders übler Lage."
Es ist bedauerlich, daß Merkel mit seinen Ansichten in der
USPD, noch nicht weiter durchgcdruMeu- ist. Was in ihnen
ÄeMiNdet wird, ist eine glänzende Rechtfertigung der sozialdemo-
kratischen Politik, deren Richtschnur schon fett Jahren Das praktische
Handeln ist. Wir sind gewiß, daß auch die USPD, noch zwangs-
läufig zur praktischen Arbeit zurüSkehren WM, wenn sie nicht voll-
ends an ihrer Abstinenz zugrunde gehen will. Tief zu bedauern ist
nur, daß die leidende Arbeiterklasse den Schaden für die un-verant-
ivortliche Politik der Halbheit -davonirägt.
Ern Unabhängiger zur Einigung.
In der „Leipziger Volkszcittmg" veröffentlicht der Unabhän-
gige Genoss« Schöning- Zittau Anfang Mai 1922 einen, beach-
jenKverten Artikel zur Einigung zwischen SPD. und USPD. Er
kommt zu dein Ergebnis, daß unüberwindliche Schwierigkeiten
nicht vorhanden sind. Was, fragt Schöning, sind denn die haupt-
sächlichsten Trenn nngsgrü nid e?
„Die persönlichen Gründe rönnen seit der Wiederver-
einigung mit den Genossen der KAG. nicht mehr maßgebend sein.

Die Sünden der Heine, Raste usw. sind siche» »richt größer als die
der Levi, Geyer und Genossen."
Ebenso hält Schöning die Frage der Diktatur des Prole-
tariats für keinen Hinderungsgrund:
„Auch hier find die Gegensätze nicht so groß, als allgemein
angenommen wird. Der Parteitag brachte klar zum Ausdruck,
Daß wir eine Diktaiur, wie sie der Bolschewismus einführte, von
uns weifen. Wenn Worte also Sinn Haven sollen, so können
wir unter Diktatur oder Herrschaft des Proletariats nichts an-
deres verstehen, als die physischen und geistigen Kräfte der Hand-
und Kopfarbeiter zu mobilisieren, um so dem gesamten Proleta-
riat den Reifegrad zur Beherrschung des politischen und wirt-
schaftlichen Lebens zu geben. Solange dieser aber nicht erlangt
ist, wird die Herrschaft des Proletariats nicht möglich sein. Er
ist die Vorbedingung zur sozialistischen Wirtschaftsform,
und dieses wollen Seide sozialistische Parteien. Sind wir uns
im Ziel einig, so werden Wir den Weg gemeinsam Vesser fin-
den als getrennt."
Auch in der K o alt tio n s Po litik ficht Schöning kein
grundsätzliches Hindernis der Einigung:
„Kein NSP.-Genosse würde heute bereit sein, einer Regie-
vungskoalition anzugehören, in der Mc SoziaWeniokraten nur
das Anhängsel der Bürgerlichen bilden und als Minderheit die
Verantwortung für bürgerliche Regiernngskunststücke mit über-
nehmen müssen. In dieser Sache sind wir einig.
Aber auch die Frage der Koalition würde nach einer Ver-
einigung der beiden sozialistische« Parteien ein ganz anderes
Gesicht bekomme«. Eine Partei, die im Reichstage »nit 193 Man
dale« vertreten wäre, könnte sich auch in der Regierung den
Einfluß verschaffen, de« wir in» Imrresfe der Hand- und Kopf-
arbeiter zu haben wünschten."
-So gelangte Schölling zu folgendem Urteil:
„Alle Schwierigkeiten, die einer Vereinigung entgegenstauderr,
sind heute fast überwunden. Die Politische und wirtschaft-
liche Lage ist heute so weit geklärt, daß ein grundsätzliches, so-
zialistisches Programm, das Mr Seide Teile akzeptabel wäre, auf-
gestellt werde» kann.
Gin Wille der Parteien zn solcher Tai wäre fruchtbringender
als Spintisierercien über die Ergebnisse kommender Kämpf« in
bezug auf die Einigkeit.
Neues 8 e b e n und neuer M u t würde die deutsche Ar-
beiterfchast beseelen, und mit -der Vergeudung der ungeheuren
materiellen und ideellen Kräfte wäre cs vorbei."
Schließlich stellt Schöning noch eine Frage: Ob nämlich „die
Sicchtssoziattstcn sich vom Opportunismus freimachen könne» und
nicht wieder kompromisscln werden?" Hieranf antwortet er mit be-
ächicnswerier Offenheit:
„Ja,'sie werden Wieder kompmmissel« und wir auch, werk
eine Welk »richt mit einem Schlage zu erobern ist und »vir zu je-
der Zettnüchi mehr erreichen können, als m unserer Macht liegt,"
(Jur Original setkgedrnckt.)
Doch solche Gedanken brauchen uns nicht zu schrecken, denn
eine Vereinigung der beide«! Parteien würde der Gesamtpartei ein
ganz anderes Aussehen geben, es würde wieder die alte, wetter-
feste Sozialdemokratische Partei werden, wie zu Bebels Zeiten."
Wir habe» hierzu nur zu bemerken, daß die Einig»,ngSfrage
überhaupt nicht diskutiert zu werden brauchte, wenn diese Einsicht
in der USPD, allgemein wäre: Das einzige Hindernis
der MiMung sind heute die -der radikalen Phrase ergebenen Füh-
rer der USPD.

Soziale Rundschau.
19. mdcntNchcr Genossenschaftskag.
st. Eisenach, 14. Juni.
In der Woche des 19. Juni hatten zwei große für das deutsche
WirischastslebLN'bedrutcnde Organtsaiionen ihre Tagungen ab: in
Leipzig der Kongreß der sre-i-gewerkschafk-lich organisierten Arbei-
terschaft, in Eisenach der Kongreß der organisierten Verbraucher-
schaft. Beide Körperschaften haben ein- gemeinsames Ziel: die
so zi-alistif che Gern eiuw irisch aft.
In Leipzig wird heiß um die verschiedene» gkivertschaftlichen
und politischen Auffassungen in der Arbeiterbewegung gerungen
werden, in Eisenach wo mehr rein wirtschaftliche Fragen zur Be-
raum« stehen, werden die Meinungen auch vielfach auseinander-
gehen, die Gegensätze aber wohl nicht so schroff zum Ausdruck
kommen.
Die wirtschaftliche und soziale Bedeutung des Teils der deut-
schen Konsumgenossenschaften, der seine Vertretung im Zentral-
verband deutscher Konsumvereine erblickt, steigt von Jahr zu Jahr.
Aus dem vorliegenden 700 Seiten starken Jahrbuch für 1921,
das alle Gebiete konfmngenossenschaft-ttchcr Arbeiten umfaßt, geht
klar und deutlich die gigantische wirtschaftspolitische Bedeutung
des Zcntralverbandes Deutscher Konsumvereine hervor. Lassen
wir die Zahlen sprechen. In den IS Fahren seit Bestehen des
Zemralverbandes hat sich Vie Zahl der ihm angefchlossenen Or-
ganisationen von 685 aus 1364 gesteigert. Die Zahl der diesen
Vereinen angeschlossencn Mitgliedern ist Von 5.75 4l9 auf 2843 805
gewachsen-. Der Gesamtumsatz betrug im Fahre 1903 160 Ml«.
Mark und ist bis zum Jahre 1921 auf 7689 Millionen Marc gestie-
gen. Der Wert der in eigener Produktionen hergcstelltett Waren
ersulir-ci-ne Steigerung von l-5 Millionen Mark auf 1072 Millionen
Mark. Die Zahl der beschäftigten Personen betrug im Fahre 1903
6440, Ende der B-er-ichtszeit 37 545. Das eigene Kapital vermehrte
sich von 18 Millionen Mark aus 326 Millionen Mark; das fremde
Kapital von W Millionen Mark auf 689 Millionen Mark,
Das find Zahlen, die Zeugnis von einer gesunden Ent-
wicklung abkcgen. Dars aber der Einfluß, Veit die Konsumge-
nossenschaften ans unser Wirtschaftsleben ausüben, schon in norma-
len Zeiten nicht gering veranschlagt werden, so erst recht nicht in
Zeiten großer wirtschaftlicher Umwälzungen, tu denen sich die Kon-
snmvercine immer mehr als Mittel zur Stabilistcrnng des Wirt-
schaftslebens erweisen. Sie verdiene» daher zweifellos das reg?
Interesse aller sozial ftttcressierten Kreise.
Auf der sehr umfangreiche» Tagesordnung des Genossenschafts-
tages stehen u. a. folgende Punkte von besonderer Bedeutung,
lieber: „Die Entwicklung des Zenttalverbandes Deutscher Kon-
sumvereine" wird Heinrich Kaufmann-Hainburg imd über: „Dis
wirtschaftlichen Maßnahmen des Vorstandes unter besonderer Be-
rücksichtigung der Zwangswirtschaft und der Umsatzsteuer" wird
Hugo Bästlein-Hamburg referieren. Jnlereffantes Material wird
das Referat von Hugo Bästlei» über: „Die Bedrückung der Ge-
nossenschaften durch die Verbände der Fabrikanten und Händler"
bringen. Derartige Schikane» sind ja ganz besonders geeignet den
Gedanken der Eigenproduklion immer mehr zu propagieren und zur
Tat werden zu lassen, sodaß als» ans den» Feldzug gegen die Kon-
sumgenoffenfchaften letzten Endes segensreiche Früchte erstehe».
Den Bericht über die Tätigkeit der Fortbildungskommissto»
gibt Heinrich Sierakowsky- Hamburg. Der Wert dieser ion-
sumgenossenschaftlichcn Fortbildungsschule ist von nicht zu unter
schätzender Bedeutung. In einer eigenen Schule mit einer»» sach-
verständigen, tüchtigen Lehrkörper wird der notwendige Stamm
tüchtiger Genossenschaftler herangebildet.
Die übrigen Tagesordnungspunkte behandeln dann noch die
rein geschäftlicher» Angelegenheiten.
Ein Kapitel aus dem umfangreichen Geschäftsbericht wollen
wir noch zur Besprechung herausgreifen: Der Kampf für und wider
die Zwangswirtschaft. Das Jahrbuch sagt hierzu:

„Wer gewissenhaft und gründlich die gewesenen Verhältnis^
mit den heutigen, die heutigen Bedarssgittermengen mit de«
früheren, die heutige Valuta mit der früheren und die heutige"
Preise mit den früheren vergleicht, der kann Nur sehnlichst Wün-
schen: Nie wieder Zwangswirtschafti Möchten doch alle Ver-
braucher endlich begreifen, daß die Zwangswirtschaft für ei»
einzelnes armes Land inmitten der freien Wirtschaft aller der
es umgebenden reicheren Länder rettungslos rasches Treiben zu"'
Abgrund bedeutet."
Diese von den Genossenschaftstagen i» Harburg und Baden-
Baden vertretene Ansfassung findet draußen in» Lande nicht de"
ungeteilten Beifall der Verbraucher, die nach der großen Umwäl-
zung des Jahres 1918 immer und immer wieder die freie Wirtfchast
verlangte, sehnt sich heute nach der», wenn auch bescheidenen, ave»
doch gesicherten Ouanien der Zuteilung der einzelnen LebensmiiE»
unter der Zwangswirtschaft. Was nützt es die große Masse des
Volkes, wem» Rahrnngsinittel in Hülle und Fülle Vorhandei» Mb
aber — zu unerschwinglichen Preisen. Die Verelendung des Vol-
kes greift immer weiter um sich. Die alte Theorie, Angebot «uv
Nachfrage regeln die Preise, gilt heule in der immer ungesundcl
werdenden privatkapitalistischen Wirtschaftsweise nicht »nehr. Bevor
in dieser Frage nicht eine glücklichere Lösung getroffen ist, ist a"
einen Wiederaufbau Deutschlands, der sich doch nur aus ein gesun-
des, kräftiges Menschenmaterial stützen kann, nicht zu denken. Hirt
erwächst den Volkswirtschaftlern, besonders auch in den Konsums
genosscnfchaften, eine ernste verantwortungsvolle Aufgabe. Es
mutz ein Weg gesunden werden, ehe cs zu spät ist. Vollkommen
einig gehen wir »nit dem iin Jahrbuch geprägte»! Satz:
„Die Aufregung der Verbrauchermasse»» ist das beste Ernle-
seld Mr Schieber und Wucherer, Weil sie die organisierte Rege-
lung der Bedarfsdeckung stört und letzten Endes lahmlegt."
Große Debatte wird auch die Frage der Heranziehung der Gc
nvssenschaften zur Umsatzsteuer auslöfen. Es wird verlangt, uu
Reichstag weiter darauf hinzuwirken, daß dieser Zwang, für einen
Umsatz Steuer zu zahlen, der nicht existiert, doch noch beseitigt wird
und daß die Steuer bei»» Produzenten voll und ganz zur Erhebung
gelangt.
Mit Interesse sieht man de»» Verhandlungen des 19. ordent-
lichen Genossenfchaststages in Eisenach entgegen. Mögen die Bc-
rcmmgcn eine»» Weg zur Gesundung der deutschen Wirtschaft zeige«
Wir werden über die Verhandlungen berichten.
.- > — «„»»- ..
Meine Nachrichten.
Die Schwiegermutter ermordet. In Sontheim (LA. Müustm
gen) wurde die Baucrswiiwe Strom tot auf dem Felde gesunden.
Die äußeren Merkmale an der Leiche liehen-auf gewaltsame Todes-
ursache schließen. Da schon längere Zeit in der FamAieu Zwistig-
keiten vorkamen, schöpfte, man Verdacht ans den SHMegersohn als -
Täter. Es ist dies der Bauer Stahl vor» dort. Stahl befand fiM
gestern in Ulm und wnrdc in Blaubeuren aus dem Zug heraus
verhaftet. Er ist geständig.
Ueversall ans der Poft. In- der Postsparkasse in Budapest
brachten unbekannte Täter eine unter einer Bank versteckie Knall'
Patrone zur Entladung und benutzten Vie durch die Detonation
verursachte Bestürzung, uni Vic Anwesenden zu berauben. Rach
den bisherigen Ermittlungen erbeuteten sie 250 000 Kronen
Das diipicrle Fundbüro. Auf dem Hamburger Hanpivahn-hoi
hatte ein Mitinhaber einer Innsbrucker Firma seine Aktenlafw«
mit Briesmarkcn im Katalogwert von 500000 Mk. Verloren. Ei"
ehrlicher Finder lieferte die Tasche mit den Marken ab, doch Hal
ein unbekannter Schwindler das Fundstück ans betrügerische Ar-
ven« Fundbüro der Eisenbahn aus geliefert erhalten.
St. Bttrokrats Blütcnlese. Ein Eife-nbahnfchaffndr ans Ach-
telsbach in Baden erhielt vor einigen Tagen die Anforderung vo»
sage und schreibe 1 Pfennig für -den Beitrag zur Landwirtschaft'
liehen Bcrufsgcnosscnnschaft. Er hat ausgerechnet, das; die Un-
kosten Mr Formulare, Porto und Arbeit 44.80 Mk. betragen, «m
diesen einen Pfennig. — (Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdet's m?
erjagen.)
Wege« Gistmordversllchs verhaftet. In München wurde >"
der Kistlerhosstrahe ein Hilfsarbeiter verhaftet, der an Psingste"
seine Fra» mit Lysol vergiften wollte. Der Täter unterhielt fei'
längerer Zeit ein Verhältnis »nit einer arideren Frau und woliE
seine Gattin vermutlich ans dein Wege räumen.
Schwere Unwetter -häuften dieser Tage in zahlresthen Gegen'
den Nord Obersrantens (Bayern) und richteten in Feldern, Mü-
sen, Gärten und auch an Bäume« kolossalen Schaden an. lieber
Mistclseld und KaroUnenhöhe ging ei» schwerer Wolkenbruch nie'
der, der die ganzen Eruieansstchten zunichte machte. Dutzende vo»
Bäumen wnrven durch den Orkan geknickt.
Bei einer Etzwettc, die nur Pfingstmontag in einer Wirrschaft
der Rüdesheimer Straße in Kreuznach ansgetragcu wurde, hat ei"
Nimmersatt außer 12 Pfund Brot, 10 Pfund und 225 Gramm
Schwartenmagen, 9 Wasserwecken, 6 Heringe, einen Halben Küche"'
drei Schoppen Wein und fünf Spezial Chabeso-Schnäbje in zwei
Stunden zu sich genommen.
Eine bestialische Rohheit. In Hillershausen (Thüringen) er-
hielt ei» achtjähriges Mädchen in der Schule eins Ohrfeige, die cim'
iödliche Gchirnerschiitienmg herbeiführte.
Eirr Kind mit zwei Köpfe«. Die Fran eines Bergmanns
Snderw-ich (Westfalen) hat dieser Tage einem Kinde das Leben ift'
schenkt, das zwei an den» Hinterkopf zusammengewachsene Köpfe
hatte. Das Kind starb schon bald nach der Geburt.
Eikibrcchcr, die Vorfahren. Ein dreistes Aebesstückchen leistete"
sich Einbrecher, die den Musikdireftor Wiedcman« in Berlin-Wil'
merSdors heimsuchten. Während feiner Abwesenheit fuhren
mit einer Pferdedroschke vor, ließen den- Wagen vor dem Häuft
halten und brachen dann die Wohnung auf. Hier suchten sie fick
über 100000 Mk. Silberzeug, Wäsche usw. zusammen, packten alles
in einen großen Rohrplattenkofser, einen Huikarto» und mehrere
Pakete, bestiegen mit der Benke wieder die Droschke und führe"
davon. Die Einbrecher sind zwei junge Männer von etwa 25 bw
28 Jahren. ,
An einen, Schlangenbiß gestorbcn. In dem Dorfe Tschiaboi
(Tschechien) wurde ein IS Jahre altes Dienstmädchen von eftuck
Kreuzotter in den linken Unterschenkel gebissen. Personen schnür'
le« das Bein oberhalb der Bißstelle sofort ab und sichren mit dem
Mädchen sogleich znm Arzt nach Benfe». Dieser konnte aber keine
Hilfe mehr leisten, da das Mädchen wenige Minute» nach dem
Eintreffen im Zimmer des Arztes verschied.
Ablehnung der Begnadigung der zum Tode verurteilten ruin
scheu Geistlichen. In dem Moskauer Prozeß gegen die zum Tove
verurteAten Geistlichen beschloß das allrussische Zentralerer«^
komiiec, sechs zum Tode verurteilte Personen z>r -begnadigen und di.
ursprüngliche Todesstrafe in fünf Jahre Gefängnis uuizuwandcl"-
Bei den zum Tode verurteilten Geistlichen Radoschm, Sokoiolw
Telegin, Ttchomrow und Sosersai lehnte das Exekutivkomitee d<w
BcMaÄiOmgsgefuch ab. Sie werden also hiugerickstet.

Briefkasten,
Nach Waildors. Ten Artikel über die Stillegung der slcft»-
Baiin nach Walldorf mußten wir noch etwas.zurückstellcn, da
für die im Artikel a-ngestellten Behauptungen znuächst die tmur-
lagen, einforvern müssen. Es ist ja eine bekannte Tatsache, Lau " -
Bahnen leider mit Defizit arbeiten müssen, da die Auslagen »m
mer höher find, als die Einnahmen.
 
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