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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (Mai bis August)

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Nr. 131 - Nr. 140 (8. Juni - 20. Juni)
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Namen der Geschichte ein b efugtes Tribunal feinen Spruch
ßelällt hat.
Nach der Ansprache des Außenministers Dx. Rnrbenau
ergriffen hervorragende Könner der Schnldsrage, die den verschie-
densten politischen Richtungen nahestehen, das Wort. Ais erster
unterstrich Professor Dr. Hoetzsch die volle Objektivität der neuen
Veröffentlichung, die die politische Korrespondenz des Fürsten
Bismarck der Welt ohne jedes Geheimnis darbiete und die ziel-
bewußte Friedenspolitik des ersten Kanzlers in einer Weise ent-
hülle, die unserem Vatcrlande in der Schuldfrage unbedingt von
Nutzen fein müsse. Die deutsche Regierung müsse auf alle Weife
das Material ausnutzen, im übrigen aber auch keine Gelegenheit
zu aktiver Politik in der Schuldfrage vorttbergehen lassen. An die
Wissenschaft des Auslandes und an die fremden Kabinette
sei zu appellieren, ihrerseits auchdieArchivezuöffnen und
so die Schuldfrage zu klären; Deutschland sei vor diesen Veröffent-
lichungen in keiner Weise bange.

Deutscher Reichstag.
Berlin, den 15. Juni.
Das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz.
Im Reichstag ist gestern das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz in
zweiter und dritter Lesung mit großer Mehrheit angenommen wor-
den. Düs Gesetz tritt am 1. April 1924 in Kraft.
Eine interessante Geschäftsordnungsdebntte.
Nach Schluß der Sitzung entspinnt sich noch eine Geschäftsord-
nungsaussprache, weil auf einen Einspruch des Abg. Hertz (U.S.)
dis Anträge über die Erbschafts- und die Einko mm eil-
st e u e r, dis nach einem Beschlüsse des Aeltestenrates gemeinsam
mit der Zwangsanleihe behandelt werden sollen, von der Tages-
ordnung gestrichen werden.
Abg. Becker-Hessen (D.VP.) erklärt, damit seien die zwischen
den Parteien getroffenen Vereinbarungen gebrochen. Seine Partei
halte sich daher freie Hand vor und sie werde sich Liese Vorgänge
für künftige Fälle merken. Diese drei, Steuergesetze müßten ge-
meinsam beraten werden, sie sollten möglichst bald in den Ausschuß
gebracht werden.
Abg. Schulz-Bromberg (D.N.) stimmt dem Vorredner zu.
Abg. Feh re nb ach (Ztr.) fordert die Unabhängigen aus, am
Freitag ihren Einspruch gegen die Mitbehandlung der beiden
Steuergesetze bei der Zwangsanleihe zürückzuziehen.
Die Abgg. Müller- Franken (Soz.) und Her tz (U.S.P.)
bestreiten jeden Zusammenhang zwischen ,Len Erbschaftssteuer- und
den Einkommensteueranträgen und der Zwangsanleihe.
Abg. Becker-Hessen (D.VP.): Wir verstehen die Absichten
der Linken sehr Wohl. Sie will die Zwangsanleihe veranbschieden
und dann verhindern, daß die Abänderungsanträge zur Erbschafts-
steuer noch vor den Ferien kommen werden. Wir wollen jedoch
die Vereinbarungen, die wir beim Steuerkompromitz mit verschie-
denen Parteien und auch mit der Regierung abgeschlossen haben,
bei dieser Gelegenheit durchgesührt sehen. Wenn Sie die Beratung
verhindern wollen, dann werden wir uns auch gegen die Durch-
beratung der Zwangsauleihe wenden. (Lachen links.)
Abg. Sch u l z - Bromberg (D.N.) erklärt: Wenn die Linke ans-
Samstag eine große Erbschastsfteuerdebatte haben
will, so müssen wir auch am Freitag ausführlich über die Zwangs-
anleihe sprechen.
Schluß vor 7 Uhr.
W her AMMWMMS.
Empfang der Dpitzenverbitnde beim Reichskanzler.
Berlin, IS. Juni. Heute vormittag hat der Reichskanzler
Vertreter der Kreisspitzenverbände des Allgemeinen Deutschen Ge-
werkschastsbundes, des Deutschen Beamten- und des Asabundes
(dis Reichsgewerkschaft deutscher Eisenbahnbearmen und Anwärter
und der Deutsche Eisenbahnerverband waren ebenfalls vertreten)
empfangen und deren Wünsche und Beschwerden wegen der Maß-
regelungen infolge des Februarstreiks angehöri. Der Reichskanzler
wird nach Fühlungnahme mit den zuständigen Ressorts eine Stel-
lungnahme der Reichsregierung baldmöglichst herveiführen.

Aus dem Parteileben.
Adelsheim. (DieBezirkskonferenz) am Sonntag, den
11. d. M. in Adelsheim erfreute sich eines sehr guten Besuches.
Unter dem Vorsitz des Gen. G a n ß e r - Sennfeld wurde die wich-
tige Tagesordnung, deren einzelne Punkte zu einer lebhaften Aus-
sprache führten, in zufriedenstellender Weise abgewickelt. Einmütig
wurde das Amt des Bezirksvorsttzendeu dem kampferprobten Gen.
Gantzer übertragen, der dem seitherigen Vorstand Gen. Maye r-
Ostervurken den Dank für seine Tätigkeit abstattete. In der Bei-
tragsfrage wurde die in der Kreiskonferenz Mosbach vorgeschlagene
Regelung mit überwiegender Mehrheit angenommen. Der dritte
Punkt der Tagesordnung war ein Vortrag des Gen. Hahn-
Mannheim über das Görlitzer Programm. In großen
Zügen verbreitete er sich über Entstehung und Entwickelung der

„König Kohle".
Von Upton Sinclair.
(68. Fortsetzung)
„Und morgen früh wird Nr. 2 wieder geöffnet!" — brüllte
Tim. „Wer wird da einfahren? Zusammen mit Alec Stone, der
die Leute zur Hölle schickt und die Maultiere reitet!"
„Wir fahren nicht in die Gruben ein, ehe sie sicher sind" —.
schrie Wauchope. — „Sie sollten streuen lassen — oder ich schere mich
einen Teufel um die Arbeit!"
„Sie sollen richtiges Gewicht geben!" — erhob sich eine cuidere
Stimme. — „Wir wollen einen Wagekontrolleur, Wir bekommen,
was wir verdienen!"
Und wieder der Ruf: „Joe Smith! Halt uns eine Rede! Gws
ihnen tüchtig! Du bist der Rechte!"
Hail stand Hilflos da, verblüfft. Er hatte seinen Kamps für
beendet gehalten — und Hier entspann sich jählings ein neuer! Die
Männer vertrauten ihm, riesen ihn- als den küynstcu der Rebellen
zu Hilfe. Nur wenige wußten von der plötzlichen Veränderung sei-
ner Lage.
Während er noch zögerte, brauste die Schlachtlinie vor, der
Engländer Wauchope sprang auf die Stufen, sprach zur Menge.
Er war ein gebeugter, verkrümmter Mann, nun aber zeigte er
plötzlich die Kraft seiner Lungen. Verwundert lauschte Hal den
Worten des Redners; Viesen schweigsamen, stumpfsinnig aussehen-
den Menschen hätte er nie und nimmer siir einen Kämpfer gehal--
ien. Tarn Olson Hatte ihn sondiert, berichtet, daß er von nichts
hören wolle, so hatten sie sich wicht mehr um ihn gekümmert. Und
nun stand er da, brüllte furchtbaren Trotz in die Welt hinaus.
„Ränder sind sie und Mörder! Aebemll berauben sie uns! Ich
hab es satt, ihr nicht?"
Ein Stimmengewirr dröhnte auf; alle hatten es satt.
„Gut, dann werden wir sie bekämpfen!"
Jeff Cotton kam herbeigerannt, von Bud Adams und drei
Gr-ubenpoliz-isten gefolgt. Die Menge stellte sich ihnen entgegen,
die Außenstehenden ballten die Fäuste, zeigten gleich zornigen Hun-
den die Zähne. Coltons Gesicht glühte vor Wut, doch erkannte er,
daß es sich hier um etwas Ernstes handle, er wandte sich um und
ging Verstärkung holen; — der Mob brüllt« Wut auf vor Entzücken.
Der Kampf hatte begonnen — der erste Sieg war bereits aus ihrer
Seite l

sozialistischen Bewegung seit Marx und Engels; er legte dar, wie
die sozialistische Ideologie ihren Ausdruck sand im kommunistischen
Manifest, im Erfurter Programm und wie schließlich unter Berück
sichtigung der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung des letz-
ten Jahrzehntes die Schaffung des Görlitzer Programms notwen-
dig wurde, das vom Redner, soweit dies im Rahmen des aus-
gedehnten Vortrags möglich war, erläutert wurde. Die lehr-
reicher! Ausführungen wurden mit Dank quittiert. In der weiteren
Aussprache gab die Versammlung ihrer lebhaften Genugtuung über
das Mißglücken des Mordanschlages auf den Gen. Schei-
de mann Ausdruck; diese bübische Tat als Ausfluß einer sittlich
minderwertigen Gesinnung, die in den deulschnational-rechtsbolsche-
Wistischen Kreisen Gang und Gäbe ist, wird die Genossen anspornen.
noch mehr als seither zu ihren Führern zu stehen und dem Treiben
des lichtscheuen Gesindels, das auch im Baulande Ableger hat,
scharf aus die Finger zu sehen. — Als Tagungsort für die nächste
Bezirkskonserenz wurde Seckach bestimmt. Mit Worten des
Dankes an die Erschienenen schloß der Vorsitzende Gen. Ganßer die
anregend verlaufene Konferenz. — Gleichzeitig seien die Genossen
daraus aufmerksam gemacht, daß Minister Remmele dem-
nächst in Adelsheim in einer großen Volksversammlung sprechen
wird.
Tagung des sozialdemokratischen Parteiausschuffes.
Berlin, 15. Juni. Der Parteiausschub der sozialdemokra
tischen Partei Deutschlands ist zu einer eintägigen Beratung heute
zusammengetreteu. De» Vorsitz führt der Parteivorsitzende Wels,
der auch das einleitende Referat hält. Zur Beratung stehen in der
Hauptsache O r g a n i s a i io n s s r a g e n, in erster Linie die Vor-
bereitung und die Festsetzung der Tagesordnung des diesjährigen
Parteitags, der am 17. September in Augsburg eröffnet werden
soll.
--- > -
Soziale Rrmdschau.
Das hiesige Postamt rmd seine neuen
Arbeitsmethoden!
Heidelberg, !6. Juwi.
Iw letzter Zeit ist mau bei ver Postverwaltung wieder Lazu
übergsgawgen, in den- einzelnen Verkehrsämtern Vie Beamten und
Hilfskräfte der unteren Besoldmtgsgvilp-pen mehr einzusparen, weit
aus Antrag des Zentrums bei der Beratung der Postetats im
Reichstag dem Postmünster die Summe von IVO Millionen Mark
für Löhne der Hilfskräfte gestrichen worden sind.
Daß Vie 400 Millionen für die Kontrolle, ob diese Summe
auch -wirklich unter den arbeitenden Beamten emMpart wird, für
die kontrollierenden höherdn Beamten cm Spesen und bergt, ausge-
gebe-n Wirb, darüber macht sich wcd-er das Zentrum noch Vie Post-
verwüiltNng Gedanken. Von dem Verluste der produktiven Arbeit
dieser kontrollierenden höheren Beamten Wollen wir gavnicht viel
roden, weil die Leistung der produktiven Arbeit schon früher nicht
allzusehr hoch war. Es füllt einem aber unwillkürlich das schöne,
der Tatsache entnommene Gedicht: Der Poflhrlssbote Säb-e-Wein,
lädt für Berkin Pakete ein usw. in den Sinn.
Bei dem hiesigen Postamt nehmen Vie Zustände des über-
»näWgsn Sparens am arb-sit-end-e-n unteren und mittleren Per-
sonals baild schreckliche Formen gn, Äe Vorst Pub-Mum, sowie von
der: Geschäftswelt nicht so Mn« weiteres-hingctMnmen werden
können. i,Z. B. wirb der PaketbesiMdienst Im'Tage nut' noch ein-
mal in jedem Bezirke -vdrgenbmmew lind wenn man" die voll-be-
packtsn Postwagen des morgens ans dem PosthLst- fahren steht,
braucht man sich nicht zu »mürber«, wenn man feine Pakete, welche
nicht mehr auf dem Postwrr-gen verstaut werden können, eben erst
den andern Tag erhält. Ost kommt es vor, wenn man Empfänger
mehrerer Pakete in der Woche ist, daß man die PoftpaketabschMIte
schon am Freitag erhält, das Palet selbst aber erst den folgenden
Dienstag bestellt wird. Bei der heutigen Zeit ist dieses für das
PubWrmr ein riesiger Schaven. So bestehen in der Briesabferti-
guwg die Gleichen Zustände. Dort sind die dionsttu-siiden, oder bes-
ser gesagt die arbeitenden Beamten, wirklich nicht mehr in der
Lage, die mit deut Nachtzuge um 2.45 Ahr ankommende Post von
Mannheim so zu verarbeiten, daß sie den nächsten FMHzügesl zur
Weiterbeförderung an ihre Bestimmungsorte mitgsgeben werden
können. Die Boitze Davon ist,-, daß' Brkse^Mvem (PeWMMMsotl..
die nächste Nähe HeMMergs ist, 1--2-Tage dott später ankommeu-.
(Die Bestellung ist damit eittgerechn-et;) Es läßt sich hier tatsächlich
dH. FÄtzv 'MfwerW,. öb...nmj nicht vesikps einen Radssthrer mit der
Beftevumg iMfxr POefr
Alle diese Zustände zu beseitigen, wäre wirklich die heiligste
Pflicht der hiesigen Postverwaltnng. Aber anstatt den Stab der
höheren Beamten (es sind dies 2 Postvirektoren, 6 Oberpostinspek-
toron, 4 Postinspektoren und ungefähr 10 Stellenvorstcher) ihr
Augenmerk aus diese Haltlosen Anstände richten, und dem arbei-
tenden Personal den Dienst insofern erleichtern, indem sie mit
Hand anlegen würden? (soweit dies in ihrer Würde steht) gehen
sie lieber dazu über, zu versuchen, sestzustellen, ob nicht ein Ver-
gehen sin-es arbeilend-on Beamten zu finden ist. Welche Summen
hierbei das Verschmieren der heute so leneren Schreibmaterialien-
preise verschwendet werbe«, kann sich die Allgemeinheit bei ihrer.
Steuerzetteln nachprüsen. Z. B. scheint ein Direktor beim Hiesigen
Amte keine ändere Arbeitzu haben, als M obigem Zwecke tage-
lange Reisen zu unternehmen und ziemlich hohe Spesen zu machen,

obwohl- MN Ende dieser isPMfnngen- MjWichtS MftnießliclM
hi'WuAkockmt, die Personakäkten "der unteren und »Miere» Be-- -'A
amten aber so schwer gemacht werden, daß eß dem JnWber dieser ..
bange ist, zwecks Verbesserung seftwr- PEnwBmqvcchU zur Prw- > '
sung zu gehen. «
Bevorstehende AufbLffsrung der
BeaMtengehAter.
Berli n, 15. Juni, Wie die Tele-graphen-Union hört, hat die
Rcichsregierung die große Teuerung des letzten MormO zum An-
laß genommen aus eigener Initiative an die Ausbesserung der
durch die schlechte wirtschaftliche Lage ins Hintertreffen geratenen
Bcamtengehälter heranzugehm. Mit den Spitzenorgani-
'«t i o n e n ist bereits Fühlung genommen worden. Die Verhand-
lungen sollen a n s a n g s n ä ch st er W o ch e bereits einfetzen. Je-
doch jetzt fchon Ziffern zu nennen, wie dies eine Berliner Korre-
spondenz tut, ist verfrüht, um so mehr- als bei den kommenden
Verhandlungen die schwierige Ausgabe zu lösen ist, die Wirtschafts-
lage der Festbesoldeten mit der Finanzlage des Reiches m Gin
klang zu bringen.
- --«»EU-NEK um, —' >. -
Aus der Stadt.
Geschichtskalsrrder.'
15. Juni. 1381: Wat Tyler, engt. Baluerusührer, auf Königs-
befehl ermordet. — 18-13: Der Komponist Edward Gri-eg geboren, in
Bergen. — 1893: ReichstMsWlahklen. — 16. Juni. 1497: Das
Festland Amerika entdeckt. — 1898: Reichstagswahlen. — 1919:
Frisdensultimatum der Entente an Deutschland übergeben.

Die AepasKtionsverpstichLungen und ihre
wirtschaftlichen Folgen.
In einer gutbcsn-chten ParteinlitglisderversanruT-mig am
Mittwoch abend sprach Arbeitsminister Gen. Dr. Engler Wer >,
obiges Thema. Er führte hierzu- u. a. aus:
„Bsi den Konferenzen, die- in Genua -und Paris stattsanden,'
stand das R-e-Paraiionsprobleul im Vordergrund. An der Repara-
tionsverpflichtung zählen auch die Kriegsentschädigureg und di«'
Bssatzungskosten. Die Reparationsverpftichtuug wie sie im Lon-
doner Ultimatum festgelegt ist, bedeutet nach vielen Ansichten- ein
Ueb,ersteigen des Nationalvermögens. Diese Ansicht ist natürlich
nur ein relativer Begriff. Bor dem Kriege hatten wir eine Passivs
Handelsbilanz, d. h. mehr Waren ein- als aus-gesühri. ' Vor «ich!
allzu langer Zeit hatten wir einige Zeit eine aktive-HandölKbilMtz. ,
Kllxzsichti-gs Leute glaubten-, daß dadurch unser Geld steige. Ein
Staat, -der Schulden hat, mutz eine schlechte Handelsbilanz haben.
Ein großer Teil des deutschen Volkes hat die Hoffnung aus
die Genuakonsere-nz . ' ,
zu weit gesteckt,
in der Annahme, das; eine Weltwirtschaft nicht bestehen kann, so-
lange wir solche Gesdschwguknn-g-eu zu verzeichnen haben. In Ge--^
nna ist wohl diese.Frage gründlich «geschnitten worben, ober
über Lehrsätze ist mlrw nicht' hrrMtsgrSommm.' Unsere Hoffnung, .
die wir beim Fri-sdensvertrag auf Wilson gefetzt haben, wurde
nicht erfüllt. Wilson hat versagt. L l o yv Geor g e hat schon
damals durch seine Reden bewiesen, daß durch ein wirtschaftlich
ruiniertes Deutschland der Ausbau unmöglich ist. Obwohl die Re-
den Lloyd Georges von seinem nationalen Standpunkt ans
gehalten sind, glaubten doch viele bei uns, -daß er uns freundlich
gesinnt ist. Wir sollten uns davor bewahren auf eine
Freundschaft zu bauen, die nicht vorhanden ist.
Frankreich steht hinge,gen- immer noch aus seinem Machtstandpunkt.
In Cannes erklärte cs, daß kein Paragraph vom Friedensvertrag
geändert werden darf. Poincare versteht es ausgezeichnet, dar
Volk zu inspierieren, daß ein solcher Krieg einen, G-ewaltsrieden
nach sich ziehen -muß. Frankreich hat heute ein stehendes Heer von
800 000 Maun, dies ist der Umstand, -daß dieses Land wirtschaftlich
»ollei-den muß. . Frankreich verfolgt zwei Ziele, ein yMtLMHes
und ein wirtschaftliches. Mese beiden Ziele bilden einen Wider-
spvnch. Das wirtschaftliche Ziel ist eiste große Kviegse-nMädiMmg, "
dies erfordert,' daß unsere Wirtschaft prosperiert. Das Goldablre-
ftru geht bis zu -einem gewissen Grad. Um wirtschaftlich start sein
zu wumm, muß das Volk genährt werden. Frankreich geht aber
durch bas Fricdenusdiktat darauf aus, daß Deutschland wirtschaft-
lich schwach bleibt. Daß wir unter diesem
Widerspruch schwer zu leiden haben
braucht nicht besonders hervorgch-ovvn zu werden. Amerika und
ErG-äRd suchen hingegen mit -uns ins -Geschäft zu kommen. Die
beiden Länder verfolgen eben eine andere Wirtschaftspolitik. Eng-
land ha! es schon vor dem Krieg v-erstanden, Vas Stürkeverhä-ltens ,
in Europa so zu halten, daß es mvgestört seine Welt macht poliki'
ausniitzeu konnte, die nannte man
das europäische Gleichgewicht.
Henle spielt Frankreich die Macht aus,, weil Frankreich in diesem
Punkt eisten Vorsprung hat. Ans diesem Grunde gibt Lloyd

Die Menge schob sich Ne Straße entlang, singend nuv fluchend.
Jemmid stimmte die Marseillaise cm, wie wahnsinnig flammten die
Worte ans:
„Zu den Waffen, zu den Waffen, ihr Tapferen !
Vorwärts, vowärts, alle Herzen eMchlosscu,
Sieg oder Tob."
Unterdrückte vieler Natiormr befanden sich hier, sie sangen in
den verschiiedenstetr Sprachen, dennoch war es das gleiche Lied. Sie
fangen einige Takte, daun verschlang Ms allgemeine Gebrüll Vie
einzslnvn Töne. „Vorwärts! Vorwärts! Alle Herzen entschlossen/
Einige Uesen in -die andere Richtung um iM Kunde zu verbreiten-,
bald war die ganze Torsü-svölt'erun-a zur Stelle; Männer schwenk
len ihre Mützen. Frauen erhoben schreiend die Hände — oder ver-
harrten in starrem Schreck, erkennend, daß Kinder nicht' Lurch revo-
lutionäre Gesänge ernährt werden können-.
Einige Männer hoben Tim Rajscrry auf ihre Schulterst, er
mußte seine Geschichte wiederholen. Während er noch sprach, kam
seine alte Mutter herbeigehastet, ihr Schroi iibergellte Len Lärm:
„Tim! Tim! Komm herunter! Was ists mit dir?" Sie rang in
töWcher Augst die Hände, da sie Hal erblickte, lief sie auf chn zu.
„Bringen- Sie ihn fort, Joe! Der Junge ist toll geworden! Wir
werden alle entlassen, werden gar nichts bekommen — was soll
dann aus uns werden? Heilige Mutter Gottes, was fällt dem
Innigen ein?" Wieder rief sie Mm, -doch achtete er ihrer nichi; Tim
War aus dein Marsch nach Versailles.
Jemand schri-e, man solle ins Spital eindristgen, um die Ver-
letzten vor den „verdammten Advokaten" zu schützen. Dies war
wenigstens ein bestimmtes Ziel, die Menge strebte in die ange-
gebene Richtung; Hal folgte mit den Nachzüglern: Frauen und
Kinder und den weniger Mutigen unter den Männern. Er sah
einige Beamte un dAngestellte vorüber hasten, dann erschien auch
Jeff Cotton und Hal hörte, wie er den Männern befahl, aus deut
Bureau Revolver zu holen.
Der große Jack David Mm mit Jerry Minetti. Hal trat mit
ihnen -abseits, nur zu beraten. Jerry loderte vor Begeisterung.
Endlich war sie gekommen — die Revolte, die er seit Jahren sehn-
süchtig erwartete. Worauf warteten sie denn, Warum hielten sie
keine Reden, organisierten nicht die Leute?
Jack David verlieh der Ungewißheit Ausdruck; man musste
Überlegen, ob dieser Ausbruch cmhaiün rönne.
Jerry erwiderte, sie könnten aus der Empörung »rachen, was
sie wollten. Wenn sie die Führung üdernehmen, könnten sie die

Leute lenken rmd zusammenhalten. Hätte nicht auch Olson dies
gewollt?
Nein, »leinte der große Mäliser, Olson halte versucht, die
Leute heimlich zu organisieren, als Vorbereitung zu Sitter Revolte
in allen Gruben. Dies sei etwas ganz anderes als die offene Be-
wegung, die sich Notz -auf eine Grube beschränk». Konnte man bei
einer, derartigen Bewegung aus Erfolg hoffen? Wenn nicht, so
wäre es töricht, etwas zu beginnen, das als alleiniges Resultat
ihrer aller Entlassung zur Folge haben werde.
Jerry wandte sich au Hal, was denn seine Ansicht sei? And
so mußte denn Hal schlli-eUich sprechen. Es sei für ihn schwer, ein
Urteil zu füllen, sagte ei'. Er wisse so wenig von Arbeiterbewe-
gungen; sei ins Nord-Tat -gekommen, -um sich darüber anszuklären.
Es sei schwer, den Leuten zu raten, sich eine derartige Behandlung
weiter gefallen zu lassen-, andererseits würde eine erfolglose Re-
volte alle entmutigen, die OrgaMsierung der Leute sehr er-
schweren.
Dies sprach Hal, -doch wg noch vieles in seinem Sinn, dem er
sein-e Worte verlieh. Er konnte doch nicht diesen Männern sagen:
„Wohl bin ich euer Freund, doch bin ich auch der Freund eurer
Feinde, kann mir in dieser Krisis nicht War werden, welcher Seite
ich Treue schulde. Die Pflicht der Höflichkeit bindet mich an die,
die Herren über euer Leben sind — außerdem will ich nicht das
Mädchen kränken, das ich heiraten möchte." Nein-, derlei Dinge
komfie er nicht aussprechcn. Diese bl-otzen Gedanken gaben ihm die
Empfindung, daß er ein Verräter sei; er wagte kaum, den anderen
in die Augen zu blicken. Jerry wußte, daß in irgend einer Be-
ziehung zu den Harrigans stehe, hatte dies wohl Mich Hals Freun-
den mitgetetlt, es »fit ihnen besprochen. Wie, wenn sie ihn nun
für euren Spion halten.
Hal atmete erleichtert auf, als Jack David energisch auf seiner
Ansicht beharrte. Sie würden nur dem Feind in die Hände spiö'cn,
Wenn sie sich vorzeitig in die Sache hineingsehen ließen. Man
müßte Olsons Rat einholen.
„Wo ist Olson?" — fragte Hal, und David erklärte, daß Olson
an dem Tag; da Hal -aus -der Grube hin-ausgsworfen worden
War, gekündigt und sich nach Sheridan begeben habe, uni der Ge-
werkschaftszentrale Bericht zu erstattest. Er werde wohl nicht M-
rückkommen, hafte ja seine klxine Gruppe bereits gebildet, im Nord-
Tal den Samen der Revolte gesäet.
Sie berieten über die Möglichkeit, seinen Rat einzuholcu. Es
war umnögltch, voni Nord-Tal aus zu telephonieren, ohne daß
jedes Wort belauscht wurde, doch fuhr in wenigen Minuten der
 
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