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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (Mai bis August)

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Nr. 131 - Nr. 140 (8. Juni - 20. Juni)
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Stabt Berlin- Bayern- Sachsen, Baden, Thüringen, Hamburg
Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg, Braun-
schweig, Anhalt, Bremen. Lippe, Lübeck UM Schaumburg-Lippe.
Mit „Rein" stimmten die Vertreter von Ostpreußen, Brandenburg,
Pommern, Westpreutzen, Posen, Niederschlesten, Schleswig-Holstein,
Hannover, Westfalen, Rheinprovinz, Hessen, Nassau und Württem-
berg.
Die Uebergabe Oberschlesiens.
Gleiwitz, 16. Juni. Gestern nachmittag wurde zwischen
hen Vorsitzenden der interalliierten Kommission Lorard Har-
ri rn a und Stuart einerseits, Dr. Paul EÄert für die deut-
sche Regierung und Dr. Seyda für die polnische Regierung ander-
seits das Abkommen bezüglich der Uebergabe der an Deutschland
pder Polen fallenden Gebiete gemäß dem Versailler Vertrag vom
28. Juni unterzeichnet und abgeschlossen. Die Uebergabe der all-
gemeinen Verwaltung und öffentlichen Dienststellen des betr. Ge-
bietes an die deutsche und polnische Regierung beginnt zu dem
Beitpunkte, der nach dem von der Regierungskommission für Ober-
schlesien festgesetzten Programme im Einvernehmen mit den Leide»!
Regierungen. Die Maßnahmen zur Durchführung der Räumung
sind folgendermaßen festgesetzt: Die Uebergabe der öffentlichen
Dienstzweige am Sitze ihrer Leitung, die Uebergabe der Regie-
rungsgewalt zu diesem Punkte und zu folgenden allgemeinen Vor-
schriften:
1. Vorbereitende Maßnahmen,
2. Die Uebergabe der Dienstlichkeit und des Materials,
3. Die Uebergabe der Akten und Archive,
4. Die Versetzung des Verwältungs- und des technischen Per-
sonals.
An längerer Ausführung wird die'Art der Uebergabe der
öffentlichen Dienstzweige und der allgemeinen Verwaltung im
Kreise geregelt.
Ein Ausruf der Regierungen.
Der Reichspräsident, die Reichsregierung und
hie peußische Regierung erlassen soeben folgenden Aufruf:
Ein Trauertag ist angebrochen, den zu vermeiden wir drei
Jahre heiß kämpften! Ein Teil OLerschtestens wird heute
Seinem fremden Staatsverband einverleibt, ein Teil des Landes,
dessen Unzertrennbarkeit so oft von den Staatsmännern und Sach-
verständigen aller Länder, am meisten aber dort den Oberschlestern
selbst betont wurde. Ein kostbares Stück deutscher Erdei das in
jahrhundertelanger Arbeit durch deutschen Fleiß und deutsche Tüch-
tigkeit zur höchsten wirtschaftlichen Blüte gebracht worden ist, wird
dadurch vom Mutterlande losgerisse n.
Nach den ersten Friedensbedingungen sollte ganz Ober-'
schlesisn kurzerhand Polen zugesprochen werden. Eine der
Wenigen Aenderungen, die in Versailles dürchgesetzt werden konn-
ten, war das Zugeständnis der Abstimmung. Die Oberschle-
fier wissen, unter wie vielen Hemmungen und Bedrohungen, ja
selbst unter Gefahren für Leib und Leben die deutsche Bevölkerung
an vielen Orten abstimmen mußte. Trotzdem und trotz der wenig
verlockenden Lage Deutschlands sprach sich eine große Mehrheit für
das alte Vaterland aus. Nunmehr aber hieß es plötzlich,
daß Oberschlesien teilbar fei. Vergeblich waren unsere Be-
mühungen, die Widersacher zu überzeugen, daß nicht nur die Ver-
pflichtungen des Versailler Vertrags, sondern auch das Gebot der
Wirtschaftlichen'Vernstüst die Einheit fordere. Der Genfer
Spruch zerschnitt diesen blühenden lebendigen Organismus
grausam.
Gegen diesen Spruch legten »vir für alle Zettest gültige Ver-
wahrung eist.
Oberschlesier, die Ihr heute von uns sch e i d e n müßt.
Euch rufen Mr die letzten A b schiedsgrütze zu. Habt Dan k
für Eure T r e u e, Die Gefühle, die Euch heute bewegen, teilt mit
Euch das deutsche Volk. Wir bemühen uns, durch ein Ab-
kommen mit Polen Euch und ganz Oberfchlesien nach Möglichkeit
zu helsen. Auf klarer Rechtsgrundlage soll Euch vor allem das
Mut erhalten werden, woran Ihr hängt wie wir: die deutsche Kul-
tmgemeinschast, die deutsche Sprache, das deutsche Heimatsgefühl!
Oberschlesier, die Ihr bei uns bleibt, die Ihr nach
jahrelangem Dulden und Harren der Fesseln der Fremdherrschaft
ledig werdet, seid gewiß, daß wir Euch nach Kräften helfe,» wer
den, die schweren Wunden zu Heilen, welche Euch die Jahre der
Bedrückung geschlagen haben. Unter dem Schutze des Rechtes
und der Freiheit werdet Ihr wieder Eurer friedlichen Beschäf-
tigung nachgehen und mit uns an dem Wiederaufbau unseres
Vaterlandes arbeiten.
Ihr werdet Euch durch die berechtigte Erbitterung zu keiner
ungesetzlichen Handlung verführen lassen, Ihr werdet das inGenf
geschlossene Abkommen wahren. Ihr wißt, daß eine Kom-
mission unter neutraler Führung unter Lern Schutze der Reiche, der
Polen hier und der Deutschen dort, wachen wird und daß Ihr
Euren Volksgenossen jenseits der neuen Grenze keinen
Dienst leisten würdet, wenn Ihr für das Erduldete Vergel-
tung Wen wolltet.
Oberschl e s i er! In der Sch icksalsstun d e, die Euer
Vaterland zerreißt, die Bruder von Bruder trennt, reicht Euch das
ganze deutsche Volk die Hand.
Der Dollar-Wilhelm.
Der flüchtige Höhenzoller in Holland HM für «ine feiner frühe-
ren Waihilsprüche, die ja Lillig und geistreich sind, eine treffende
Varmiiün gesunden: Ich kenne nur »koch D—MM! Und im er
Urdeutscher Patriot ist, wollte er seine „Erinnerungen" (Ate nattir-
lich nicht er schreibt!) bei d em Blatt verhökern, das die Deutschen
als Hunnen u. dergl. m. bezeichnet mehr bezeichnet, nämlich bei
der englischen Northcliffe-Prefse. Warum sollte Wil-
helm seinem Freunds und geistesverwandt« Ludenvorff nachste-
hend Er hatte allerdings weniger Glück Ms Ludeudorfs. Wegen
der Hohen Forderungen — es waren 1 Million Dollar - blitzte er
ab. Jedoch Wilhelm ließ nicht locker, sondern wandte sich auch nach
Amerika. Darüber schreibt jetzt die „D. A. Z.":
„Die Verhandlungen zwischen dem Köhlerschen Verlag in
Leipzig einerseits und dein Newporter Verlag Harper Brothers
sowie Mac Cluwes Newspaper Syndikate aridererseits führten
zu dem Resultat, vatz die beiden vorgenannten amerikanischen -
Verlage gegen Zahlung von 250 000 Dollar das Alleinrecht zur
Veröffentlichung der Erinnerungen Kaiser Wilhelms in englischer
Sprache erwarben.^.
Das im ersten Kapitel mit der Entlassung Bismarcks begin-
nende Buch erscheint zum 1. November An Verlag von Harper
Brochers in Newhvrk und von Cassel in London, während am
1. September die Veröffentlichung in 60 von Nie. Eluwes Shndi-
eate versorgten amerikanisch« Zeitungen beginnt.
Dem aus dem Buch hohe Gewinne ziehenden Verlag Küh-
ler verbleibt nach unserer Kenntnis nur noch das Veröffentli-
chuugsrecht in Deutschland und Oesterreich." —
Danach sind also nunmehr auch die Hshenzollern vom „alles
beherrschende« Geschäftsgeist des Judentums« — wie die ganzen
Teutonen sagen — vollkommen gefangen. Ja, ja nicht Roß noch
Reisige sichern —-
Freier Waffersportverein 191S. Jeden Montag (Jugendliche) und
Donnerstag (Erwachsene) Uebungsstunde im städt. Hallenbad
von ^7—8 Uhr. Dortselbst werden Neuanmeldnngen entgegen-
genommen. Monatsversammlung jed. 2. Samstag im Monat.

Deutscher Reichstag.
, Die Schlichtungsordnung.
Berlin, den 16. Juni.
Präsident Löbe eröffnet die Sitzung um 2 Uhr 20 Minuten.
Auf der Tagesordnung steht zunächst eine Reihe kleiner Anfragen.
Auf eine Beschwerde der Frau Nemitz über eine am 6. Mai in
Stettin stattgefundene Feier, die sich zu einer Kundgebung für die
Hohenzollern ausgewachsen habe und an der auch die Reichswehr
teilgenommen habe, wird erklärt, daß es sich um keine monarchi-
stische Kundgebung gehandelt habe.
Ein Antrag zur Geschäftsordnung.
Abg. Dißmann (U.S.P.) beantragt, die Interpellation über
die Vorkommnisse in Königsberg sofort auf die Tagesordnung zu
setzen, weil sich jetzt genau wie vor dem Kapp-Putsch überall mo-
narchistische Treibereien bemerkbar machen. Der Antrag wird
gegen die Stimmen der Unabhängigen und Kommunisten ab-
gelehnt.
Da die Kommunisten Einspruch daegegen erheben, daß Erb-
schaftsffeuervorlage mit Zwangsanleihe u. Einkommeusteuerantrag
behandelt wird, wird aus einen Antrag Schulz-Bromberg (D.N.)
die Zwangsanleihevorlage und der Einkommensteuerantrag von
der Tagesordnung abgefetzt. Die beiden sollen morgen wieder auf
die Tagesordnung kommen und dann zusammen mit dem Erb-
schaftssteuerantrag dem Ausschuß überwiesen werden, der am
Dienstag seine Arbeiten wieder aufnimmt. Das Gesetz zur Er-
höhung der Bezüge aus der Unsallfürsorge für Gefangene wird
angenommen.
Der Entwurf eines Ausfuhrabgabegesetzes wird an
einen Ausschuß überwiesen. Es folgt
die erste Lesung der Schlichtuugsordnung.
Dabei erklärt Abg. Giebel (Soz.), die Unternehmer hätten an
diesem Gesetze nur dann einen Geschmack, wenn die Bewegungs-
freiheit der Gewerkschaften dadurch eingeschränkt werde. Vor
jedem Streik müßten erst alle Verhandlungsmöglichkeiten erschöpft
werden. Der Redner warnt namentlich vor dem schlöffen Zwang,
der Verbesserungen schaffe. Durch die vielen Fristen (Galgenfrist)
würhen die Streiks erheblich verschleppt und zu einen» guten Teile
auch verhindert. So wird die Vorlage ei n An t i - S t r e i
gesetz werden, was man den Arbeitnehmern nicht zumuten kann.
Reichsarbeitsminister Dr. Brauns
erinnert daran, daß das Gesetz schon in Weimar angekündigt wor-
den ist. Heute müsse der Wirtschaftssnede mit allen Mitteln, a»»ch
gesetzlich erreicht werden, sonst begehe man ein Verbrech« am
deutscher» Volke. Die wirtschaftliche Beunruhigung zwischen Ar-
beitgeber und Arbeitnehmer müsse endlich einmal aufhören. Wenn
die großen Verkehrsunternehmungen, wenn die Kohlerwerförgung
auch nur wenige Tage läng stockt, so steigen alle Preise sofort, da-
her richte sich heute ein Arbeitskampf viel Weniger gegen das
Kapital als gegen die Allgemeinheit und die Arbeitskollegen. Aber
auch in allen anderen Berufszweigen müssen die wirtschaftlich«
Kümpfe auf das geringstmögliche Matz beschränkt werden. Das
Streikrecht wird nicht illusorisch gemacht werd«, doch sollen vor
der« Beginn eines Kampfes mich alle VerhaudstmgZmSgltchkeiteu
erschöpft sein. In letzter Zeit ist mancher Streik sogar gegen Vie
Gewerkschafter» begonnen Wörden. Von Strafbestirmnuugcn lieht
die Vorlage ab. . .
Abg. Ehrhardt (Ztr.) erklärt, das Medürfms. nach Ruhe
sei heute in aller Welt vorhanden, nur wenn das deutsche Volk
einig sei, werde es die schwere KMis überMUdLN,. und darum sei
der Arveitssriede «nbedftigt notwendig.^ Streiks aus machtpoliri- ,
sch« Gründ« sei« geradezu ein Verbrech« am Voile. Die
Freiheit der Gewerkschaften solle nicht angetastet Werden, doch
müsse »nan ihrer Radikakisiermkg ein Ziel setzen.
Abg. Gräf (D.N.) bezeichnet es als ausfällig, daß die stärkste
Regierungspartei so viel an der Vorlage auszusetzen habe. Man
solle zivilrechtlich beim Schadenersatz aus halben» Wege nicht stehen
bleiben, sonst fei die jetzt vorgesehene Haltung der Gewerkschaften
eine schöne Geste: Bedauerlich sei, daß wieder ein großer burean-
kratischer Instanzenweg geschaffen werden solle.. Für das neue
Deutschland sei der Organisationssimmel charakteristisch. Dem
Entwurf könne Wan zustimmen. Gegen die Einbeziehung der
Lehrlinge müsse man große Bedenken haben. Eine Kontrolle der
Streikabflimumng sei notwendig.
- Abg. Aufhäuser (U.S.P.) erklärt, daß das Gesetz keine
Schlichtungsordnung, sondern eine Vorlage gegen den
T 2 i
Abg. Moldenhauer (D.VP.) betont, die. Arbeiterkämpfe
müßten möglichst vermieden werd«. Es wäre wirklich keine
Schande für uns, wenn einmal eine Zeit ohne Streik bleiben würde.
Sm Interesse des sozialen Friedens und der Bolkswohlfahrt hat
der Staat auch das Recht des Eingreifens in die Freiheit des Ein-
zelnen wie der Organisation.
Nach weiterer unerheblicher Debatte vertagt sich das Haus auf
Samstag. (Zwangsanleihe, Erbschaftssteuer- und Einkommen-
steueranträge. Weiterserattmg.) Schluß 6-H Uhr.
KsmMnales." '
Aus dem Gtadtrat.
Da Her Abschluß der StcherkMaster für Ms Gebäude- und
Grundbuchvermögen sowie 'Hie Veranlagung des landwirtschaft- .
lichen und gewerblich« MtÄsLsveomögens noch einige Zeit in
Anspruch nehm« wird, beschließt der Sravtrat, gemäß Z 12 Ms- 2
Les Grund- und Gewerbesteuergcsetzes eine vorläufige Anforde-
rung Her Gemeinde- und Kreisumlagcn zu erlassen. Nach der ge-
nannt« BeMmmum haben Äie SteuerpfiichM«,. ff-olange ein
Steuerbescheid nicht zuses-augen ist, in den erst« 15 Tagen der
MonMe April, Jul», Oktober und Januar je ein Viertel der zu-
letzt festgesetzten Steuerschuld zu entrichten, falls diese mindestens
2500 Mk. beträgt. D« zur vorläufig« Entrichtung des gemeinde-
umkägeverpflichteten Stcuerichnldigon werden besondere Ansorde-
rungAzettel über Me .Schuldigkeit zugestellt.
Die Teerung der Schlierbacher Landstraße, der. LedpoldstMtze .
(ArÄmge), der Neuenheimer Landstraße und der Unteren Neckar-
straßs, zwischen den beiden Brücken, wird beschlossen.
Die Dankschreiben der Hinterbliebenen der verstorbenen Ver-
WMMWsasststcntin Hedwig HarMchmacher und des verstorbenen
Rechtsanwalts Schott für die Anteilnahme der Stadt Heidelberg
werd« zur Kenntnis gebracht.
Städtrat Georg Fr. Ueverle HM als Anstiftung zu der Kom-
mandarit Gsorg-Friedrich-UebeÄe-SiistlMig 1200 Mk. überwies«,
die mtt h«zlichem Dank angMöm^
Die Derrazoarbeit« beim Mrsbau Hes St. Amnahospichals wer-
den an die Firmen Gebr. Willrich und H. Sauerösstg vergeben, die
Herstellung der DaiupsheiznngsarMge äst di e ZieniMHeizungswerke
A.-G. in Mannheim.
Nach dem Bericht der städt. UMersuchUNgKanstalt wurde»» im
Monat April ds. Js. insgesamt 509 Prob« untersucht, van denen
77 beanstandet werden »nutzt«. Den größten Anteil haben die
Proben von Milch- und Molkereierzeugn-issen. Von 450 Proben
wurden 67 beanstandet. Erhoben waren 147 in der Stadt Heidel-
berg (29 beanstandet), 4 im Bezirk Wiesloch, 7 im Bezirk Sinsheim
(1 beanstandet), 221 im Bezirk Mosbach (19, Lchnständet), 3 im
Bezirk Adelsheim, 6 im Bezirk Däuverbischofsheim (3 beanstandet)
und 62 M Bezirk Wertheim (15 beanstandet). In» einzelnen waren
es weiter: 27 Proben von Back- und Bäckereiwareu, sowie SUPPen-
waren, davon 21 in der Stadt Heidelberg erhaben (4 beanstandet);
15 Proben von Fleisch- und Wurstwaren, davon 11 in der Stadt
Heidelberg erhöbe»» (2 beanstandet) und 4 vom Bezirk Heidelberg-

Land; 2 Proben vö»i"Wpeise^et^und °-l, fti°der StDt HeidelberS
erhoben, dqdon 1 beaWanhet» K, Plötzen Wi» EhaWalMerr Ge-
tränk«, in der Stadt Heidelberg erhoben davon 2'beanstandcl.
3 WasseruMersuchung« (2 aus der Stadt HeUwlberig und 1 aus MM
Bezirk Taub erb ischossheim), zwei Gäsumerfuchungen aus
Stadt Heidelberg und 7 sonstige Untersuchungen, darunter «n.k
auf Gift in einer Speise, führten zu keinerlei Beanstandungen-
Aus der Stadt. ?
Geschichtskalender.
17. Juni. 1810: Der Dichter Ferdinand Freiligrath geboren
in Detmold. — 1897: Der Wasserheilkundige Kneipp gestorben in
Wörvishofen. -7- 1921: Stürmische Bayerndchatte im Reichstag- —
18. Juni. 1839: Der Dichter Martin Greis geb. in Speyer. — 1905:
Der Dichter Hermann Ling« gestorben in München. — 1912;
Gründung der „Volksfürsorge". '' -

Volkslied.
Ein heißer Sommertag verraucht.
Die Sonne sengte Glut und Gold.
Das Land ist rings in Dunst getaucht
Und jedes Blatt von Staub umivolkt.
Rings schlief des Tages Arbeit ein,
Schon ist der graue Abend yah,
Rur Hinternr arünuinvu schien Rain
Singt eine Ziehharmonika.
Ein Bursche spielt. Zwei Mädels ruhn I
Vor ihm im Grase längolnng.
Und flotter tönt's und forscher nun ... .
BML summt Ws Spiel auch ein Gesang ....
Dreistimmig tönt's: ein Volkslied. Still;;
Wie jeder Ton verzitterud hallt!
Und wie der Tag verglühen will.
Streicht auch die Nacht schon ttber'm Wald ...
Gesindel, Trinkgeld, Würde!
Im Wandel der Zeiten bleibt nichts bestehen. Alles fließt-
Auch die nationale Würde. Die erst recht. Sje wird am bestell
auf der Reise zur Schau getragen und Von den«, welche im Rei-
severkehr tätig siüd Da >abet zeitigt, sie 'gerade zur jePzeit bei uns
in Deutschland sonderbare Mitte«. Ja, es gibt so etwas wie eine
nationale Würde! Jedes Voll besitzt einen Teil davon. Das ärm-
ste Volk MfriMcheuderweife W.Ä, stark «UKMMM Art am mei-
sten. Wenn »nan nur diese Würde wie etuen nassen Scheucrlappell'
packe« und Manchen Dmischen nm die Ohren hauen könnte!
Wie's getrieben wird, davon, ein paar Pröbchen; -
Gesindel!
Am 27. Mai abends im Schnellzug Franlsur 1 — Ber-
k i n. Jir den ÄLteilen 1. Kläffe Werall voll besetzt. Auf den Gän-
gen stehet» die Reisenden nebeu ihrem Gepäck. Der Zug rast ill
die Nacht HMin. -Ist einem'Abteil sitzen fünf Pwlonen. Eill
sechster Platz sollte eigentlich noch frei sein. Aus ihm räckelt sich
aber, langgsstreckk die Inhaberin des sünfteir Platzes, eine —
„Dame", welche scheinbar mit dem Gesicht in die Puderkiste gesal-
leu ist. Eine jener saiten Gistslieigen, wie sie sich Männer mit Geld
und ohne GÄvisseic in Form verwöhNler Ehsgättiunen als Ver-
gnügungsöbjekt in perverfer Laune züchlen Drautz« ans den»
Gange Mer- -steht - eim -ftmge hochschwangere Frau, neben ihr die
über 60 Jahre Me Mutter. Beide find aus der letzten Station
zu gestiegen. Die junge Mutter, welche im Gesicht di-e Ernlüdunü
und den unendlich geheimnisvollen/ Ehrfurcht H-Sifchettden AUS
ihres Zustandes trägt, sieht verlangend nach dm» Platze; auf wel-
chem sich jetzt die Gistsliege wälzt und flüstert dann mit der alten
Frau.- Diese schiebt die Türe beiseite und Littet unter Hinweis
aus der» Zustand ihrer Tochter in bescheiden würdiger Weise, W»'
eben nur eine Blutter für ihr Kind eintreten kann, Um Freimachung
des Platzes.
Die — .„Dame" hebt' nachlässig das, Lorgnon, -betrachtet die
alte Frau impertinent von oben bis unten und spricht dann ge-
lanaweiligt: „Liebes Männchen, ich fühle mich nicht wohl. Wir
»vollen den Platz noch für uns bezahlen!" So geschieht dies auch-
Das „Männchen" bezahlt 720 Mk. nach und;kann dies, denn erstens
besitzt es viel Geld, das nicht von ehrlicher Arbeit stammt und
zweitens gestattet die Eiienbahnordwung, daß kranke Reisende ge-
gen Kans einen wetteren Platz für jede Person werben und be<
rachen können. Dann wälzt sich dieses faule, fette Geschöpf aus de»
zwei Plätzen herum und zeigt kokett und geschmacklos seine brauw
' seidene« Florstrümpse. Draußen im Gang aber sicht mittlerweile
wie eine Märtyrerin die werdende Mutter mit zuckendem Gesichk-
nUd nun erheben sich nach kurzer Verständigung rasch entschlos-
sen zwei ältere Herren im Abteil und Mbeu ihre Plätze für die alte
Frau Md ihre Tochter frei. Das „Männchen" und vi? Giftsliege
schauen zuerst verwundert, daun Protzig ob solch ihren fauligen
Hirnen verständnislosen Tuns.
Denn einen Augenblick, so im ersten Anhieb, haben sic den slott
geschwungenen »»assen Schenerlappeu eben doch verspürt. Das Hw
aber nicht lange angshalreu, weil solches Gestichel nicht durch OM
feigen, sondern höchstens durch Totschlägen kuriert werden kann-
Ein halbe Stunde später, als der „Dante" Las Kranksein z»
langweilig wird, greift sie zu ihrer Zigarettiettdose und aualnst
einen Giftstengel hinter dem andern.
Gesindel!
Der Trinkgeldtrottek.
An» 1. Juni in Heidelberg. Der Reiseverkehr zieht crheb-
lich au. Die eingöleMen Wägen bringen Len Schnellzügen kein-'
WeseiMiche Entlastung.
Der abends z/>il Uhr von Frankfurt her einlaufonde und natv
München weiterfahrende Zug D 95 ist überfüllt. 2. und 3. KlasseN-
UbMle zeigen kaum noch eine Lücke. In einem Abteil 1. KUW
eine Dame und ein Herr, die, als sie den Ansturm auf den Zull
wahrnehmen, sich lang auf die Sitze yinstrcckcu. Das Ceuoü hl
verschlossen'. Die Platzkoutrolliafel weist 4 belegte Sitze auf- ,,
„Bitte, Schaffner, kann mau das Coups 1. Klaffe nicht öffnens
„Haben Sie Billet 1. Klasse?"
„Ja, bitte."
- „Finden Sie sonst keinen Platz im AM?" , "
„Nein, es war mir nicht möglich."
Ein zweiter Schaffner: „Es wurde»» eben vorn zwei Wagen
eingeschaltet, dort find noch ein paar 2. Klasse-Sitze frei."
„Das geht aber recht sonderbar zu; sind die 4 Plätze in diesen»
Coupe verkauft?"
Nein."
„Dann bitte, öffnen Sie das CouM"
Noch weigert sich der Schaffner, solches zu tust, schließlich «M
geht er und öffnet. ,
„Zugesch-lüsseit habe ich nicht, die Herrschaft wird das WM
selbst getan haben." _
Weswegen nachher aber die Weigerung, die Türe zu öfsnen?-
Mau kennt das schon! --
Soweit ist also der Skandal auf der Reichseisenbahn scheu »e-
diehen, daß der Ausländer mit feiner starken Valuta, oder wer
sonst über Mittel verfügt, fein Coupe gegen andere MrtreiMS«
gesichert erhält. Jeden TM ficht man Bahuschaffner als Gepaa-
träger mit großer LieveuswiitMskeit sich um ausländische RMMP
 
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