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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (Mai bis August)

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Nr. 181 - Nr. 190 (7. August - 17. August)
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https://doi.org/10.11588/diglit.48723#0500
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Politische Ueberflcht.
Die NnverbindlichkeiL des FrrederrsuertrageK«
Eine Aenßerung eines neutralen VölkerrechtslehrerA.
Der norwegische VölkerrechtSlehrer, Dr. jur. N. GjelZvtk,
Professor der Rechtswissenschaft au der Universität Kristiania, Hat
mir gegenliocr über die rechtliche UngülÄgkett des Fri-edensvertra-
ges folgendes geäußert, mit Dem Auftrage dies zu veröffentlichen:
„Der frühere Reichsminister D. Simons erklärte f. Zt.: Alle
Best-mMNumgieu des Friedensvertrages sind Mar juristisch ver-
bindlich, weil wir unterschrieben kurven, aber nicht alle sind m o -
ra lisch verbindlich. Moralisch verbindlich sind nur Diejenigen,
die mit dem W-assenstillstandsvertrag übereinstintmen.
Mit dieser Ansicht'diu ich als Völkerrechtslshrer gar nicht ein-
verstanden. Ich meine Das Gegenteil, daß diejenigen Bestimmun-
gen Les Friedensvertvages, Die nicht im Einklang mit dem Mai-
senstillstandsvsrtma stehen, nicht nur moralisch, sondern auch juri-
stisch unverbindlich sind. Man mutz sich hierbei Den Inhalt Der
WaffenMstandsbodingungen Vergegenwärtigen, datz die Deutschen
sich in dem Matze entwaffneten miD Territorium in Dem Umfange
ausgabsn, Laß es unmöglich für sie war, Den Krieg wieder aufzu-
nehmen. Dies hat auch Wilson selbst i-m amerikanischen Kongretz
zugegeben, indem er äußerte: „Nach Diesem W-affenstillstandsver-
trag ist es unmöglich für die Deutschen, Den Krieg wieder anszu-
neymen." .
iPentt die Entente Liese Situation so aus nützt, daß sie Frie-
densveDingungen diktiert, die nicht mit Dem Wafseustillstandsver-
irag iibereinstitnmM, so ist es ein völkerrechtlicher Betrug, der den
Kriedensvertrag juristisch unmöglich machen mutz. Man kann hier
nicht einwenden, Latz Gewalt oder Zwang gegen einen Staat eine
anerkannte Weise ist, gültige Verträge her'beizufiihren. Dieser Sw-
ift freilich im allgemeinen richtig, trifft -aber im vorliegenden Falle
gar nicht zu. Jeder Mensch mit natürlichem Rechtsgefühl ern-Pfin-
dei Dies auch unmittelbar. Wenn man einen Gegner durch Ver<
sprechen Dazu bewegt, die Waffen abzuliefern, so Datz er Den Krieg
nicht weiterführen kann, und 'dann Die Versprechungen nicht ein-
hält, dann wäre es um das ganze Völkerrecht geschehen, und ein
auf solchen Betrug aufgebauter Völkerbund kann kein wahrer Völ-
kerbund werden', sondern nur dazu dienen, Die Welt über Den völ-
kerrechtlichen Betrug einige Zeit lang hinwegzutäufchen. Man kann
freilich während eines Krieges Kriegslisten benützen, aber man
kann es nicht als erlaubte Kriegslist betrachten, Datz man De» Geg-
ner bewegt, Die für die weitere Kriegssührumg nötigen Mittel aus-
snlieserm Durch Versprechungen, Datz er einen bestimmten Frieden
erhalten werde, und dieses Versprechen da»m nicht einhält. Jever
Mensch mit natürlichem Rechtsgesühl empört sich, wie gesagt, da-
gegen, und jeder Jurist mutz sagen, Latz auf Diese Weise ein Recht
unter Den Völkern nicht bestehen kann. Schon Die Römer sagen:
„enam Rosti fides servanda es!" (auch Dem Feinde mutz man die
Treue halten.) Wenn Dieser Satz jemals wahr sein soll, muß er
es in Diesem Falle sein. Wenn mau Wer Die Heiligkeit der inter-
tmtionalen Verträge im allgemeinen spricht, so Darf man Die Hei-
ligkeit des WasfeuftillsiauDsvertrages -nicht vergessen. Er mutz Die
Grundlage eines neuen rind wahren FriedenSvertra'ges bilden."
Heidelberg, Den 14. Ang. 1922.
Dr. jur. F. K. Neuvecker,
Professor Der Rechte an der Universität Heidelberg.
Die Bergarbeiter zur Kohleukrise.
Bereitschaft zu Ueberschichten?
Am Sonntag fand in Bochum eine R e v i erkonserenzdes
Verbandes der Bergarbeiter Deutschlands statt.
Sie befaßte siel) zunächst Mit den kürzlich zum Abschluss gebrachten
-Verhandlungen über die R i ch t l ini e u zum B e tr t ob s r ä t e-.
gesetz füt das Gebiet Les rheinisch-westfälischen Steinkohlen-
bergbaues, Vie nach längerer Erörterung die Zustimmung der
Konferenz fanden. Weiter beschäftigte sich die Konferenz eingehend
mit der gegenwärtige n Bre n n st o sfversorgung
Deutschlands rind mit ihrer Auswirkung auf die Arbeiterschaft.
Nach einem erläuternden Vortrag von Dr. Berger wurde mit großer
Mehrheit die nachstehende Entschließung angenommen:
„Die am IS. August in Bochum in der Vttrgergesellschast tagende
Bertrauensmännerkonferenz des Verbandes der Bergarbeiter
Deutschlands für das rheinisch-westfälische Steinkohlenrevier nimmt
Kenntnis von dem gegenwärtigen Stand der rheinischen Stein-
kohlengewinmmg und -Versorgung. Der Lurch die Gebietsabtretung
bedingte Verlust von nahezu einem Drittel der deutschen Stein-
tohlenförLerung gefährdet die gesamte Deutsche Industrie aus das
äußerste, lähmt den Verkehr und hindert besonders die Arbeiter-
schaft daran, sich mit Hausbrandkohlen versorgen zu können. Troy
Lieser ungeheuren Belastung der deutschen Wirtschaft legt das Spa-
Mkommen dem deutschen Volke Die Verpflichtung aüf, Weiler 21
Millionen Tonnen Steinkohlen jährlich an die Enteilte zch liefern.
Die Aufrechterhaltung dies« Verpflichtung muß, wenn nicht sofort"
putzerordentliche Mittel zur Anwendung ergriffen werden, in aller
Kürze zum vollständigen Zusammenbruch der deutschen und damit
der europäischen Wirtschaft führen. In Anbetracht dieses Umstan-

, des/rlND ff». WürdsHllN.g,'dM. TatsMe, Latz der abgeschlossene Manchs
kettarisv'ertrach Den 'Borna-Miterst- einige wichtige Rechte garantiert,
und daß das verabschiedete Arbeitszeitgesetz die Arbeitszeit im
Bergbau endgültig regelt, beauftragt die Konferenz den Verbands-
vorstand, sofort mit den zuständigen Stellen Verhandlungen ein-
zuleiten, um den aus Der Kohlennot drohenden Gefahren zu be-
gegnen.*
Diese Resolution ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert.
Erstlich betont in ihr die deutsche Bergarbeiterschaft den unge-
heuerlichen Charakter, der dem Spa-Abkommen, zumal nach der
Abtrennung Oberschlesiens von Deutschland, innewohnt; ferner
aber lätzt die Resolution durchblicken, daß die Arbeiterschaft bereit
ist, an der Lösung der Schwierigkeiten von sich aus mitzuwirken.
Datz sie, auch bei allen Anstrengungen ihrerseits, die Erfüllung
des Spa Abkommens für möglich hält, sagt sie Damit nicht. Ja, cs
darf iM Zusammenhang mit der obigen Bochumer Resolution Wohl
daran erinnert werden, Latz der in diesen Tagen in Frankfurt a. M.
ab gehaltene Internationale Bergarbeiterkongretz gegen das Ab-
kommen von Spa einmütig Stellung genommen und seine Abände-
rung verlangt hat, „um dadurch die wirtschaftliche Lage im Bergbau
der ganzen Welt zu erleichtern*.
Was geht i« MÜuchsa vor?
In München wird heute von dem bayerischen Ordnungsblock
und den deutschnalionalen Verbänden Münchens — das sind etwa
60 zwanglose Bezirksvereinigungen der rechtsradikalen Mitglieder
der ehemaligen Einwohnerwehr, geführt von dem Sturmtrupp der
National-Sozialisten — eine Kundgebung zur augenblicklichen Lage
veranstaltet. Es ist natürlich kein Zufall, Daß man sich für diese
Kundgebung gerade den Tag ausgesucht hat, an dem die bayerischen
Fraktionen und Parteiausschttsse zu den Berliner Vereinbarungen
Stellung nehmen wollen. Man will auf die Parteien einen Druck
austtben. Aus dieser angeblich nationalen, in Wahrheit aber
terroristischen Veranstaltung können sich bei der Spannung in Mün-
chen Folgen ergeben, unter denen die einer teilweisen Kabinettskrise
noch nicht die ernsteste wäre. Es darf aber mit Bestimmtheit ange-
nommen werden, datz Gras Lerch ensetd sich im Falle einer
Ablehnung der aus Berlin mitgebrachten Vorschläge zu weiteren
Verhandlungen nicht mehr hergeben würde.
Der durch seine Herausgeverschast des „Miesbacher Anzeigers"
zu einer gewissen „Berühmtheit" gelangte, aus der Umgebung des
Tegernsees gebürtige frühere Waldarbeiter Klaus Eck ist aus seinen
Beziehungen zum „Miesbacher Anzeiger" ausgeschieden und in ein
kleineres Industrie-Unternehmen übergetreten. In Geschästsanzei-
gen bezeichnet sich dieses Blatt, das früher Vielfach der Bayerischen
Volkspartei zngercchnet wurde, als deutschnational. Nach einer
Vermutung des „Bayerischen Kurier" wird das Blatt heute von
deutschnationaler Seite finanziert. Damit ist wenigstens endlich
klargestellt, Latz die fortgesetzten publizistischen Roheitsdelikte auch
dieses Organs von den Deutschnalionalen politisch und moralisch
zu verantworten sind.
Eine Kundgebung gegen die Sszial-
revolutionäre in — Hamburg.
H amburg, 15. Aug. Die Kommun i st ische Partei, Orts-
gruppe Hamburg, ruft zu einer großen Massenkundgebung
am Donnerstag, den 17. Augugst auf, die gerichtet sein soll gegen
die russischen Sozialrevolutionäre, welche als be-
zahlte Agenten der« internationalen Konterrevolution gegen
Sowjetrutzland bezeichnet werden. Als Redner werden genannt:
Frau Klara Zetkin, ferner aus Frankreich der Kommunist
L r a i n t und aus der Tschechoslowakei der Kommunist M u n g.
Neue Einzelheiten zum Ralhenau-Mord.
Mit Welcher Sicherheit die Täter nach der Ermordung Les
Reichsministers Rathenän austraten UND sich sogar ihrer Tgt rühm-
ten, zeigt ihr Verhalten gegenüber dem mitbeschuldigten Garagen-
besitzer Schütt. Sofort nach dem Morde fuhren alle drei Täter mit
dem Auto in die Garage zrtrüü. Hier sagten sie dem Schütt, der
von der Verwendung des Autos bis dahin keine Ahnung gehabt
haben will, als sie ihm aus dem Hof begegneten, ganz offen: „So-
eben haben wir Den Rathenau erschossen." Schütt
soll ganz fassungslos und bestürzt gewesen sein, umsomehr, als die
Täter hinzusügten, wenn er ein Wort Darüber verlauten lasse, geh«
es ihm ans Leben; Verräter würden um die Ecke ge-
bracht. Arn Abend erschien der Bruder Techows bei Schütt und
sagte ihm, es seien die in den Zeitungen schon beschriebenen gel-
ben Automützen im Auto vergessen worden; er müsse
sie verbrennen. Gleichzeitig wurde Schütt wieder mit Erschießen
bedroht, wenn er den Befehl nicht aussühren sollte und nicht Still-
schweigen beobachte. Schütt beriet sich mit seinem Geschäftsteilhaber
Diestel, ob sie die Sache anzeigen oder den Befehl aussühren sollten,
Lediglich aus Furcht vor der angedrohten Rache wollen sie zu dem
Entschluß gekommen sein, stillzüschweigest und die Mützen
zu beseitigen. Zufälligerweise hatte eine Fran, die im Hause

FelLr Notvest.
Roman von Jakob Christoph Heer.
(13. Fortfetzuug.)
5.
Es kisgt Wie -Streit und Leid ist -der Lüft.
Den Anlaß zu Liefen Worten nimmt Lony afts ihrem eigenen
täglichen Kreis. Der Geist 'leidenschaftlichen Hochmuts geht, seit
Der Vater Grotzm-t geworden M, im Hause der Eltern um, ein höh-
nender Hatz gegen Diejenigen Bewohner Les Dorfes, Die in Der
EmscheiDmW über die Abtei nicht Die Partei Des Vaters gen-om-
jmcn Haven. -Die Mutter -ist die Seele Liefer UndnlDsamk-eit, Das
schärfste Wort, aber findet sie Durch Judith, die noch kaum zur
JutWfvaN Herstn-gDblühte Schwester, Die sich, stolz aus ihr hübsches
.Gesichtchen, vorlaut -in Die ArigeleMcheiten Der Erwachsenen -mengt.
.Den mächtigsten Hatz Haben Die Mutter Md Judith Mf Den jungen
Werksührer Wehrli geworfen. Der UnsP-iMungew, die kränken, -Der
Sticheleien, Die verwunDen, ist kein Ende/ uME-seit Violen- 'Wochen
Höhen hinter -dem Rücken Des Vaters -grausame V-erhöhnnnge-n-
Lonys.
Vor ihm selbst aber klar und Deutlich vom Lorchs Liebe zu Dem
Wcrksschrer zu sprechen, wagen Die Mutter lind Judith Doch nicht,
er ist zu gewalttätig im Zorn.
Die Rübe Des Son-ntagvor-M-enDs' liegt über ReisenwerD, von
fenHer rauscht der'Fluß, die Johanniskäfer slicgcu wie wuchtende
Mulchen, und Der volle Mond, der im- Osten steigt, erhellt Dorf
und Landschaft. Auf der grünen Bank vor Dem schönen, fp-alicr-
«mmnrteu Haufe sitzen der Kommandant mit ruhsam unterstWa--
«en-en Armen und Die KommanDantiN, Die Das Gemüse für Den
Sonntagstisch rüstet.
Sie sprechen von der hofftmstgsrsichen. Ernte, Der mast entg-e-
Ken-g-eht.
Da tritt Sony, Die in Der aufgehesteten Schürze einen Bund
Weizenhalme trägt, aus Der Türe, steckt sich im Garten noch ein
paar Nelken, ins Mieder und sagt, sich gegen die-Eltern- wendend:
„Ich Hetze jetzt zrtm Nachtwert in die Neven Kellers!" °
„Ta, Du brauchst dich wegen Des Lumpen Wohl um Den Schlaf
zu bringens? versetzt Me..K.EMMkdan-tffs. mit Wer-Hellem Stimme.,
und einem..tadelnden Lache'».- . „Dor Schleifer ist -auch einer von,
denen-, Die gcg-en uns geredet und gewMtt haben."

„Die Reben Kellers," erwidert Lony ruhig, „bedürs-öu es drin-
gend, daß man sie aufvindet und sie nicht so frei flattern und ran-
ken lätzt. So ginge ihm ja der halbe Herbstertrag zu Grunde!"
„Geh nur, Lony!" ermunterte der Kommandant seine Aelteste,
«das Rebstttck schaut so Verwahrlost ans die Straße herunter, und
wenst es in Ordnung kommt, so steht es dem Dorfe.Wohl an."
„Güte Nacht, Vater. Gute Nacht, Mutter!" Mit kräftigen
Gliedern schreitet Lony wohlgemut hinaus in Die Mondhelle, und
der Kommandant, der ihr stillvergnügt nachblickt, sagt: „Sie ist
Doch ein Mädchen wie Gold!"
„Es könnte aber nichts schadest, Haus Ulrich," bemerkt die
Ko-mmanDaittitt-, welche Die fleißigen Hände einen Augenblick ruhen
läßt und die dunklen Augen ans ihren Mann heftet, „wenn du ein-
mal in der Nacht zu Der Jungmannschaft gingest." Ein Ton müt-
terlicher Sorge klingt durch ihre Rede.
Ueber das gefurchte Gesicht Des Kommündauleu fliegt ein
Schatten. . .
„Ich merke schon lange, daß ihr. Du nud Judith, etwas gegen
die Lony habt," knurrt cr unruhig. „Aber ich lasse nichts auf sie
kommen. Wer ist am srüdesten des Morgens: am spätesten des
Abends ans dem Feld?" Und wie die Kommandantin nur un-
gläubig und verdächtigend Dreinblickt, grollt er mit einem Aufblit-
zen -er grauen Augen verstimmt: „Donnerwetter, Frau, so sprich
— was ist an Lony nicht recht?"
In Diesem Augenblick tritt Judith, die mit Vorräten für, den
Sonntag aus der Krämerei kommt, rasch atmend in Den mondve-
fchienenen Borgatten, und die letzten Worte -erlauschend, sagt M
hastig: „Ich habe eben mit der alten Schulmeisterst! einen Streu
-gehabt; Mutter, erzähle es Dem Vater nur, Daß Die Lony heinMch
mit dem jungen Wehrli geht, die Geschichte kommt jetzt Doch unter
die Leute. Die Schnlmeisterin hat mir in Der Krämerei' Die Hand
'geben wollen-, Da habe ich vor allen Leuten, die Mstauden, gesagt,
ich gebe meine Hand einer Kupplerin nicht!"
Die Kommandantin horcht gespannt, ein kaum, spürbares Lä-
cheln der Billigung fliegt Über ihre harten Züge. „Was hat Die
Sch'nllHrerin daraus erwidert?" fragt sie neugierig. -
,,Nichts;" versetzte Judith tMtmWierenD, „sie ist, ohne etwas
zu kaufen, weggegaugeu!"
Der Kommandant Wt nur Das-erste Wort-gchört. In großem
Zorn steht er ans. „Sony hält's mit Wehrli!" schnaubt er, „sie
weiß doch, datz ich mit dem AnschiSs-manu des Leutnants ein-eu
Span habe. Wo hat sie Die Augen? Wo hat sie die Achtung vor

kwW,-.Mch ihm» .MWer^tuH das Gespräch des Lechow mit Schütt
angehörtk Sie ging Schütt nach und überraschte ahn, als er die
Mützen in einem Ofen der Garage zu verbrennen suchte. Ruf die
Frage, was er da tüe, sagte Schütt: Das sind die Mützen der
Mörder Rathenaus. Ich muß sie verbrennen. Keiner darf ein
Wort verraten, sonst ist es um unser aller Leben geschehen. Die
Geheimorganisaiion hat überall ihre Aufpasser." Die Frau ließ sich
aber nicht einschttchtern, sondern machte der Polizei sofort Anzeige.
So kam es, daß die Kriminalpolizei schon am Samstag wußte, wo
das Auto sich befinde. Sie schritt aber noch nicht ein, weil der
jüngere Techow auch gesagt hatte, daß das Auto am Dienstag ab-
geholt werden würde. Es bestand daher die Möglichkeit, daß man
bet dieser Gelegenheit die Täter oder-Helfer Derselben absässen
würde. Als die Täter aber wohlweislich am Dienstag das Auto
nicht abholtcn, wurde schon an demselben Tage mit der Verhaftung
von Mitbeteiligten begonnen. Schütt und Diestel wurden wegen
Beihilfe in Haft genommen, doch wird Wohl gegen sie. die Anklage
vor dem Staaisgerichtshof nur auf Begünstigung der Las lautert.
Deutsch-ungarische Ehrhardtbank.
Sitz Budapest.
Die „Freiheit" veröffentlicht das Schreiben eines deutschen
Konsortiums, gezeichnet Eberhard von PuttkamMßr, §sgl. preutz.
Hauptmann a. D-, München, das naH Der Ermordung Rathenaus
versandt worden ist und worin der Adressat unter Bezugnahme ans
den HMptschriftleiter des „Miesbacher Anzeigers" eingeladeu wird,
sich an Der Errichtung einer deutsch-ungarischen Großbank zu betei-
ligen. Die Führung des Unternehmens liege in der Hand des
„kaiserlichen Korvettenkapitäns Ehrhardt in Wien". In erster
Reihe hätten sich angesehene Gro tzgrunDV esitzer daran be-
teiligt. Es gelte, Dem Deutschtum eine Brücke nach jenen Ländern
zu bauen, die ihm noch sympathisch gegenttberstchen, und das fei
heute nur noch Vas Königreich Ungarn, „wo wieder
Ordnung und Recht herrschen". Juden und Anhänger
des Internationalismus seien ausgeschlossen. Millionenbeiträge
seien bereits eingezahlt. Dann heitzt es weiter, dis Möglichkeit,
datz der Kommunismus unser Land überflute, mache es wertvoll,
eine Summe im Ausland liegen zu Haven, Die vor Not und Elend
schütze, -und nirgends sei das Geld vor Dem Kommunismus sicherer
als in Ungarn. Der Gedanke, daß man etwa Der Steuer entgehen
wolle, wird angewiesen. Doch wird heivorgiehoibm, Daß mancher
Zeichner von Aktien in 6 Monaten 200 ovo Mr am Kurse verdient
habe. Ferner wird behauptet, das Unter nehmen verfolge keinerlei
politische Pläne, andererseits wird es als ein „streng nationales
Werk" bezeichnet und der Adressat gebeten, Von jeder Beteiligung
abzusehen', wenn er eine andere politische Weltanschauung vertrete»
als die allererstrangtge Gesellschaft, Der die besten Männer Un-
garns augchören". Mau wird deshalb bezweifeln dNrseu, ob sich
hier wirklich uni ein Unternehmen mit wirtschaftlichen Zielest
handelt.

Ausland.
Eine Straßenkundgebung gegen das Bluturteil.
Prag, 15. Aug. Nach Beendigung des Meetings gegen das
Moskauer Todesurteil im Saale Iossin zog gestern abend eine
vieltausendköpfige Menge mit wehenden Fahnen und unter Gesang
Der tschechischen Nationalhymne und der Internationale zum Denk-
mal von Johann Hüß, wo ste etwa um 10 Uhr anlangte. Trotz des
strömenden Regens war Die Manifestation außerordentlich wir-
kungsvoll. Der Sttatzenvahnverkehr wurde eingestellt, ungeheure
Mengen Publikums schlössen sich den Demonstranten an. Als die
Demonstranten am Bestimmungsort anlangten, konnte der unge-
heure Platz die Menge nicht fassen. Die Stimmung war erregt und
den Kommunisten feindlich. Die Erregung richieie sich insbeson-
dere gegen die KoMMunistensührer Shmcral und Munar. IN den
Pausen während des Gesangs der Jnternaiionale ertönten don-
nerde Rufe: „Nieder mit den Kommunisten", „Nieder mft den
Galgenräten", „Moralischer Tod dem Shmeral und dem Munar!"
Die Wut der Menge gegen die Kommunisten war so groß, datz sich
ein Teil von ihr zur Sowjetmisston begab und es den Lettern der
Demonstration große Mühe kostete, die Menge von Exzessen zurück-
zuhalten.

Ein Protest Der belgischen Arbeiterpartei
Brüssel, 15. Aug. Der Generalrat der belgischen Arbeiter-
partei hat an die Sowjeiregicrung in Moskau folgendes Telegramm
gesaudi: „Die Arbeiterklasse Belgiens hat mit Schrecken und Em-
pörung von dem Todesurteil gegen zwölf Sozialrevolutionärs
Kenntnis genommen. Die Arbeiierklasse protestiert mit aller Ener-
gie gegen dieses unmenschliche Urteil und gegen den Beschluß, die
Verurteilten als Geisel einer politischen Partei itt Haft z» halten.
Die Arbeiterklasse verlangt die sofortige Freilassung der BerteiDigrr
des revolutionären Sozialismus.

Dem Vater? Hagclstrahl!" Voll Zorn, mit wuchtigem Schritt
-geht er aus und ab.
„ID, aber du hast Doch selber gesehen, wie verfchilageu und in
sich gekehrt sie ihres Weges geht, seit du dem jungen Wehrli im
„Hirschen" gesagt hast, daß er nichts als ein trauriger Handlanger
und Spion! ist," versetzte die Komma-nDattti-n; „die ulte Schulinei-
ftcrin hat Die Geschichte natürlich im Winter eingefädstt, Doch hat
ihr jetzt Judith den rechten Namen gegeben!" -
In die Stube tretend, knirscht -und wütet der Kotwumrdant;'
der HMopf, und -die'schöne'Tudith-flüstert-der - Mütter -mit' sieg-
reichen Ailgen zu: „Jetzt gwt'A Ordnung!"
Jin Weinberg aber arbeitet Die Jum'ma-mffchaft von Reifen-
werD. Der Ma-nD wandelt-gsmä-chlich Wer fernen, Wauew Höhen,
durch Die Reben geht Flüstern und Lachen, langsam rückt die Schar
der freiwilligen Winzer und Winzerinnen die, Halde, empor, Lony
still nnD emsig -unter ihnen. Zsvischen slcitzi-gen,Händen fallen die
überflüssig-ön Schosse Der Re-beN, und di-e bauschigen Stöcke Wiest
sich dem Baud Der Weizenhälme. Schon rc-g-t sich der Morgeuw-inD,
in der Tiefe -es Dorfes krähen die ersten Hähne, Die LekchS schmet-
tert iw Der Luft, im Osten hellt sich Der Himmel und der Morgen-
stern steigt Der Sonne vora-u.
Aus Der Höhe, wo Reben und WaLD aneinanDer grenzen, steht
schon sonntäglich gerüstet feit einer Weile der Kommandant unter
einer Tanne und hält Mrry, der zu Sony 'lausen will,, am Hals-
band zurück. Die wackeren braunen Mädchen und Burschen, «her,
die ihr Werk vollendet Haven, sammeln sich, ohne ihn zu bemerken,
auMmenD am Waldrand und erwarten den Aufgang der Sonne.
„Lony, stimme an!" bitten sie, und -das Li-eD „Unsere Berge
lugen ins Land". Mit einer Art Andacht lauscht der Ko-mmcmDant,
er ist es schon zufrieden, daß der WerkWhrer" Wehrli nicht in der
Schar ist... - . . .. . . - - ...
-Da röten sich über -den vlau,grünen WaWhöhen, Die noch.im
Schatten liegen, Die fernen Sch-nseberge, ein viereckiges Firnsetd,
Las sich -am höchsten in Den blassen Himmel .erhebt, glüht in einer
Pracht wie junge Rosen.
' '„Der Garten der Verena!" — „Seht, ihr uMg-esWpter Kessel
faucht schon aus Dem Schnee, Das'"bedsnt-et ein gutes Weinjayr.
Du kennst die Sage, Lony, erzähle!" Die StiMinen VDrmengcn sich:
„Setzt euch; Die Lony erzählt!"
Als einzige stehen blevenD, berichtet'Lony die Sage, wie Das
. ferne -Schneesel-d, Das jetzt strahlend ins Land her-niederscheint, einst
eine grüne Trist gewesen ist, ans welcher die junge, Mermülige
 
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