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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 6.1906/​1907

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Künstler und Kunstindustrie / Aus unserem Beschwerdebuch / Ein Preisauschreiben / Vom Deutschen Museum / Eröffnete Ausstellungen / Laufende Preisauschreiben / Erledigte Preisausschreiben / Denkmäler / Architektur / Staatsaufträge etc. / Aus Akademien und Kunstschulen / Auszeichnungen und Medaillen / Personal Nachrichten / Todesfälle / Aus Künstler- und Kunstvereinen / Auktionen / Vermischtes / Literatur / Werbung
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https://doi.org/10.11588/diglit.52068#0028

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20

s89? die Künstler die Führer auf den neuen Bahnen
wären. Der Führung der Künstler habe sich seit s89?
ein großer Teil der Praxis angeschlossen. In der
Wertschätzung dieser Verbindung zwischen Industrie
und Kunst, in dem Willen und in der Energie, diesen
Bund zu knüpfen, seien wir allen anderen Nationen
überlegen. Ihr verdanken wir unsere Erfolge in
Turin und Et. Louis und es sei das Verdienst und
die Rechtfertigung der Dresdener Ausstellung, das
große Problem der Verbindung zwischen Kunst und
Kunstgewerbe mannhaft angepackt zu haben. Lin
Schema für die Lösung lasse sich nicht aufstellen.
Es gebe eine ganze Reihe gleichberechtigter mög-
licher Lösungen. Künstler und Handwerker gründen
gemeinsam eine Firma, oder das Handwerk sucht
den Künstler auf, oder der Künstler trägt feine Ge-
danken dem Industriellen als Angebot vor u. s. w.
Gott sei Dank, daß wir auch Industrielle haben,
welche zu den geistigen Führern gehören (z. B. im
Buchgewerbe). Eins aber entspreche unserer Zeit:
Unabhängig muß der Künstler sein, er darf nicht
in sklavischer Abhängigkeit von einem anderen Faktor
stehen. Das Aufgeben des Anspruchs, auch die
künstlerischen Ehren widerrechtlich einzu-
heimsen, mag manchem unbehaglich sein,
aber es mnsz sein. Dem Künstler sein Recht!
Die Industrie wird auch unter den veränderten Ver-
hältnissen sicher nicht den Anschluß an die kunstge-
werblichen Fortschritte versäumen, wohl aber ist dies
mit Beziehung auf das kleine Handwerk zu be-
fürchten, wenn es glaube, alles allein erreichen zu
können. Das deutsche Kunstgewerbe erleidet durch-
aus keine Einbuße durch einen direkten Verkehr
eines Bestellers mit einem Künstler. Das moderne
Kunstgewerbe gleiche einem vielstimmigen modernen
Orchester, der Dirigent, der den Ton angibt,
aber muß der Künstler sein.
In derselben Richtung bewegte sich, was der
Geh. Regierungsrat Or. Rkuthesius gelegentlich
eines, ebenfalls in diesen Tagen in Dresden gehal-
tenen, Vortrages über „Die nationale Bedeutung der
kunstgewerblichen Bewegung", welcher im „Dresd.
Anz." Veröffentlichung fand, ausführte. Auch aus
diesen Darlegungen geht hervor, daß die Strömung
der Zeit sich ganz energisch dahin bewegt, daß
dem Künstler werden soll, was des Künstlers
ist. Rkuthesius erklärte:
Als wesentliches Merkmal der kunstgewerblichen
Bewegung muß hervorgehoben werden, daß sie
eine rein intellektuelle Bewegung ist, daß sie
eine solche geworden aus dem ewig wechselnden und
sich entwickelnden Geistesleben der Zeit, daß der Ge-
danke dieses neuen Kunstgewerbes lediglich zu ver-
stehen ist als ein Produkt der geistigen Gärungen
des letzten Jahrhunderts. Es ist somit im gewissen
Sinne die höchste Bewertung, welche man der kunst-
gewerblichen Bewegung geben kann, wenn man sie
als eine intellektuelle Bewegung erklärt. Aber anderer-
seits kann nicht verschwiegen werden, daß gerade

Heft 2.
dieser Umstand gewisse Widerhaarigkeiten herauf-
gebracht hat, die neuerdings in verstärkter Form
zutage treten. Die Widersprüche, die heute aus den
Kreisen der rein wirtschaftlich Interessierten gegen
das neue Kunstgewerbe erhoben werden, lassen sich
samt und sonders auf den bisherigen rein intellek-
tuellen Lharakter der kunstgewerblichen Bewegung
zurückführen. Das neue Kunstgewerbe ist nicht, wie
zum Teil die alten Stilmoden, aus den Stätten der
wirtschaftlichen Produktion hervorgegangen. Seine
Lxistenzbegründung ist nicht die einer neuen Ein-
nahmequelle. Zwar hat die kunstindustrielle Produk-
tion kurz nach dem Eintritt der neuen Bewegung
den Versuch gemacht, sie wirtschaftlich einzugliedern,
indem sie den Sezessions- und Jugendstil auf ihre
Rlusterkarte setzte, aber dieser Versuch ist heute als
gescheitert zu betrachten. Das konnte von vornherein
keinem vernünftigen Menschen zweifelhaft sein, wie
denn die ernsthafte Bewegung überhaupt nie etwas
mit diesem neuen Stil der Fabrikation zu tun ge-
habt hat. Die Mode des Jugendstils hat inzwischen
abgewirtschaftet, während die geistige Macht des neuen
Kunstgewerbes von Jahr zu Jahr gewachsen und
erstarkt ist. Aber die Kluft dehnt sich und das Zu-
sammenarbeiten mit den wirtschaftlichen Produzenten
scheint für die Künstler schwerer denn je werden zu
sollen. Die Proteste einer aus materiellen Gründen
handelnden Berufsgruppe werden allerdings niemals
dazu führen können, eine Bewegung, die auf starken
intellektuellen Impulsen begründet ist, zu vernichten.
Trotz alledem weisen die geschilderten Vorgänge
mit nicht mißzuverstehender Entschiedenheit auf jene
Fehlstelle in der kunstgewerblichen Bewegung hin,
die darin besteht, daß die wirtschaftlichen Wege
für das neue Kunstgewerbe noch nicht ge-
funden sind. Sie zu finden, ist die brennendste
Frage der Gegenwart, eine Frage zugleich, die Pro-
duzenten wie Künstler in der gleichen Weise inter-
essieren muß. Ls hat jedoch kaum einen Zweck, diese
Frage theoretisch zu erörtern. Die Praxis muß die
Lösungen bringen. Und daß die Frage praktisch zu
lösen ist, das zeigt eine kleine Anzahl intelligenter
Produzenten. Man braucht nur an das zunächst
liegende Beispiel der Dresdener Werkstätten für Hand-
werkskunst zu erinnern. Diese Firma hat den Be-
weis erbracht, daß es sehr wohl möglich ist, mit
besten künstlerischen Grundsätzen und mit voller Wah-
rung der Interessen der Künstler das neue Kunst-
gewerbe erfolgreich geschäftlich zu vertreten. Die
ganze Frage des Zusammenarbeitens von Künstler
und Produzent läuft ja nur darauf hinaus, daß der
Künstler als solcher anerkannt werden will. Die
Methode vieler kunstgewerblichen Firmen, dem Käufer
gegenüber nicht nur als materielle, sondern auch als
intellektuelle Erzeuger aufzutreten, mochte ihre gute
Berechtigung bei den Erzeugnissen aus den Perioden
der Stilnachahmungen haben, wo es allerdings nicht
so sehr darauf ankam, die geistige Vaterschaft be-
sonders zu betonen. Sobald es sich um Erzeug-

Die Werkstatt der Kunst.
 
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