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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 6.1906/​1907

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Zeitlin, Leon: Der Künstler als Kunsthändler
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Castelliz, Alfred: Das moderne Publikationswesen
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https://doi.org/10.11588/diglit.52068#0194

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s86

Die Werkstatt der Kunst.

heft

werden glauben, daß jedes zurückgewiesene Bild
schlecht und jedes angenommene gut sei, und vor
allem: jeder Künstler . . . will nicht nur, sondern
muß seine Arbeiten verkaufen, es sei denn, daß
er das Metier zum Vergnügen betreibe. Da nun
über diesen Punkt in der Gesamtkünstlerschaft Ein-
stimmigkeit herrscht, weil eben der Verkauf von
Kunstwerken mit den verschiedenen, die einzelnen
Künstler trennenden, künstlerischen Interessen nicht
das geringste zu tun hat, — ein Akademiker denkt
über die Notwendigkeit, seine Arbeiten zu verkaufen,
sicher nicht anders als ein Sezessionist —- so ist die
Grundlage für einen die gesamte Künstlerschaft um-
fassenden verband zur Wahrung ihrer mate-
riellen Interessen eigentlich gegeben. Als ich vor
nicht allzu langer Zeit in einem anderen Zusammen-
hangs .... im Leipziger Künstlerverein einen solchen
Zusammenschluß anregte, wurde mir entgegengehal-
ten, die Verschiedenartigkeit der künstlerischen Inter-
essen sei eine so große, daß an irgend eine, alle
Künstler umschließende Vereinigung überhaupt nicht
zu denken sei. heute bin ich nun in der Lage, einen
derartigen Verband — allerdings auf dem Gebiete
der schreibenden Künste — als Beispiel nennen zu
können. Wie vielleicht nicht ganz allgemein bekannt
ist, besteht ein .Kartell lyrischer Autorenh das keinem
anderen Zwecke als dem der Wahrung materieller
Interessen dient. Diesem Kartell gehören nicht nur
die namhaftesten deutschen Dichter an, sondern auch
Vertreter der verschiedensten Richtungen. Ich meine,
zwischen den Anschauungen eines Anton v. Werner
und denen Max Liebermanns dürfte schwerlich ein
größerer Unterschied bestehen als zwischen denen Paul
bseyses .... und Richard Dehmels. Und wenn diese
beiden sich darüber verständigen können, unter welchen
Bedingungen sie den Ab- und Nachdruck ihrer Ge-
dichte gestatten wollen, so mögen sich auch jene in
einem Verbände zusammensinden, der seinen Zwecken
nach dem Lyriker-Kartell zu entsprechen hätte.
Nur fragt sich, wie muß eine solche Organi-
sation beschaffen sein. Wenn ich die vielgestaltigen
Formen der Kartellierung und Vertrustung betrachte,
die das moderne wirtschaftliche Leben auf den ver-
schiedensten Gebieten der Produktion gezeitigt hat,
und sie auf ihre Anwendbarkeit für die künstlerische
Produktion prüfe, so will mir scheinen, daß sich ein
sogenanntes Verkaufskartell am leichtesten organi-
sieren ließe. Die in jeder Stadt ansässigen Künstler —
allzuviel Orte kommen ja nicht in Betracht, da auch
jene, die einen großen Teil des Jahres ,am Land'
oder auf Reisen sind, in einer größeren Stadt ihren
eigentlichen Wohnsitz zu haben pflegen — diese also
müßten sich ausnahmslos zusammenschließen, für
ein entsprechendes Ausstellungslokal sorgen — an
kleineren Plätzen täte es wohl auch irgend ein Saal —
und sich verpflichten, entweder im eigenen Atelier
oder in den Genossenschaftsräumen auszustellen. Vom
Erlös der dort zustande gekommenen Verkäufe könnte
zur Deckung der Unkosten ein gewisser Prozentsatz

erhoben werden. Die einzelnen Genossenschaften
wieder müßten ebenfalls zu einem verbände zu-
sammentreten, und die Mitglieder einer jeden diesen:
Verbände angeschlossenen Genossenschaft hätten dann
bei allen Ausstellungen zu Verkaufszwecken nur die
Genossenschaftsräume der betreffenden Stadt zu be-
uützen. Eine solche Organisation hätte den Vorteil,
daß sie dem individuellen künstlerischen Schaffen nach
keiner Richtung hin eine Beschränkung auferlegte.
Jeder Künstler könnte so Gutes und so Schlechtes,
so Veraltetes und so Modernes schaffen, wie er nur
wollte: immer fände er eine Stätte, wo er seine
Werke dem Publikum zeigen könnte. Sodann aber
wäre damit auch einer Reform des Ausstellungs-
wesens der Weg geebnet. Das Pasten und Drängen
vieler Künstler nach einem Platz in den großen Kunst-
ausstellungen würde zum Teil gewiß aufhören, wenn
jeder von ihnen sicher wäre, daß er seine Arbeiten
überall und jederzeit dein Publikum zeigeu könnte.
Freilich, ohne weiteres läßt sich so etwas nicht
durchführen: Geld ist natürlich nötig. Und dann
soll auch nicht vergessen werden, daß nicht nur das
Fehlen von Ausstellungsgelegenheiten den Künstler
in geschäftlichen Verkehr mit dem Kunsthändler bringt.
Oft ist es bittere Not, welche ihn zwingt, Vorschuß
zu nehmen oder wohlfeil zu verkaufen. Die Lyriker
sind besser daran; sie brauchen doch wenigstens nur
geringes Betriebskapital zur Ausübung ihres Be-
rufs — Papier, Tinte und Feder sind nicht gar zu
teuer! — allein der bildende Künstler kommt nicht
so wohlfeil weg — Farbe, Leinwand, Marmor kosten
viel Geld. Um den Künstler also wirklich vom Kunst-
handel unabhängig zu machen, müßte neben jenem
Verband noch eine andere Institution geschaffen wer-
den: ein eallgemeineKün st ler-Darlehenskasse
auf genossenschaftlicher Grundlage. Man wird
sagen: dergleichen aus eigenen Kräften zu organi-
sieren, dazu reicht die finanzielle Kraft auch der ge-
samten Künstlerschaft nicht aus, selbst wenn sie den
besten Willen hätte. Ich will mir darüber kein Ur-
teil erlauben. Doch, auch wenn das zutreffend sein
sollte, muß der plan darum fallen gelassen werden?
Pier bietet sich eine Gelegenheit, echtes und mo-
dernes Mäoenatentum zu zeigen. Ein Mäoen ist
ja doch ein Freund der Künste, nicht nur der Künst-
ler. Kann aber diese Freundschaft, wenn sie keine
Phrase sein will, sich schöner offenbaren, als in dem
Bestreben, nicht die Entwicklung einer, sondern die
möglichst vieler Künstler-Individualitäten zu sördern?
Und wie ließe sich dies in einer vornehmeren, dis-
kreteren Form ausführen, als durch die Beteiligung
an einer solchen Darlehenskasse, indem man verzins-
liche Anteilscheine -— denn es soll nichts .geschenkt'
werden! — erwirbt?"
Vas moclerne publikationswesen
in den Zeitschriften betreffend, soweit es die Inter-
essen der Künstlerschaft berührt, wird uns aus Wien
 
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