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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 6.1906/​1907

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Von der deutschen Kunstausstellung zu Köln
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https://doi.org/10.11588/diglit.52068#0053

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Die Werkstatt der Kunst
Redakteur: !)err>ricb ZtsinbLcb. VI. IL^rg. Hekt 4. K 22. Okt. S906.

ctieseni r^eUe uriserei-Lerrsckr-lst erteilen wir jecieni Rünstler ctas freie Mort. Mir sorgen cisfür, cias tuniickst keinerlei
Angriffe s«f Personen oäer Eenossenscksftsn sbgeclruckt wercien, okne cisss vorder cter Angegriffene ciis MSglildkeit geksbt
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— eine Nebereinstirnrnung niit äen auf cliese Meise vorgetrsgsnsn Meinungen zu erkennen. . —

Von äer äeutscken LlunStLUSStellung M Köln»

Wie den Lesern der „Werkstatt der Kunst" nicht
unbekannt geblieben sein wird, hatte Wilh. Schäfer,
der Schriftführer des „Verbandes der Kunstfreunde
in den Ländern am Rhein" die Aufgabe übernom-
men, auf der Ausstellung einen sogenannten „deut-
schen Saal" einzurichten, um in einer Auswahl
deutscher Bilder aus allen Zeiten und Schulen
darzutun, daß die Wesenszüge deutscher Malerei aus-
gesprochener seien, als wir meist annehmen, daß
zwischen alter und moderner deutscher Kunst ursprüng-
lichere Beziehungen beständen, als etwa trotz aller
unleugbaren Abhängigkeit zwischen der modernen
deutschen und der französischen Malerei. Nicht um
eine ästhetische Spielerei zu treiben, sondern um in
einer Zeit wahlloser Kunstschwärmerei auf die ge-
heimnisvollen Beziehungeil zwischen einem Volk
und seiner Kunst hinzuweisen. Denn nur so sei ja,
wie Schäfer bemerkt, die hohe Schätzung der Kunst
zu begründen, nicht als Luxus, den sich ein Volk
nach seinem Wohlstand leisten kann, sondern als
höchstes Sinnbild seines Wesens.
Dieser Saal sollte zugleich den Kern einer Aus-
stellung bilden, die, vom „Verband der Kunstfreunde
iil den Ländern am Rhein" veranstaltet, die rhein-
ländische Kunst als wesentlich deutsch namentlich in
Sonderausstellungen rheinländischer Meister zeigen
wollte: v. Bochmann, Boehle, Burger, Dill, v. Haug,
Gerh. Janßen, Leibl, Lugo, Sattler, Schönleber,
Schreuer, Steinhaufen, Thoma und Trübner. Außer-
dem stand der deutsche Saal in Beziehung zu einem
Raum, worin die starken Begabungen im Nach-
wuchs, namentlich Tissarz, Deusser, Hofer, Haueisen,
E. R. Weiß vereinigt waren. Dieser Versuch einer
solchen Zusammenstellung alter und neuer Bilder
hat nun Wilh. Schäfer einige überraschende Er-
fahrungen gebracht, welche er im neuesten (2.) Heft
des „Kunstworts" in der folgenden interessanten
Weise darlegt:
Zum ersten, daß jene Unart, von den alten Meistern
immer als den Unerreichbaren zu sprechen, neben denen auch
das beste moderne nicht bestehen könne, nicht allzuviel Be-
rechtigung hat. Obwohl unter meinen alten Bildern Holbein
fehlte und auch Dürer nur mit dein bekannten Iugendwerk
im Besitz des Großherzogs von Hessen vertreten war, so hatte
ich doch Amberger in zwei prachtvollen Werken (einer Fuggerin
und dein jungen Mann mit der aufgeworfenen Nase aus
dem Sigmaringer Museum), das Grünewaldfragment einer
Grablegung aus der Aschaffenburger Stiftskirche, einen vor-
trefflichen Hans Asper aus dem Künstler-Gütli in Zürich,

einen respektablen Burgkmair, ein schönes Porträt von Hans
Schwaz, einen neuentdeckten Cranach (Madonna) u. s. w., vor
allem aber zwei Werke ersten Ranges aus der Stuttgarter
Galerie: den Einsiedler des Meisters von Meßkirch, ein
wunderklares Bild, dessen Zeichnung und Kolorit schon den
ganzen Schwind enthält, sowie den „Ehninger Altar", der
vor einigen Jahren durch Stuttgarter Künstler in dem würt-
tembergischen Dorfe Ehningen entdeckt wurde und bis heute
noch auf seine Auferstehung in der Kunstgeschichte wartet,
ein völlig erhaltenes, durch keinerlei Uebermalung oder Re-
stauration gefährdetes Altarwerk vor: einer solchen Vollendung
im Zeichnerischen wie in der aparten Farbe, daß es nur aus
Holland oder Italien zu stammen brauchte, um die deutsche
Kunstwissenschaft in Aufregung zu bringen.
Es war ein gewagtes Stück, diese Werke unter moderne
zu mischen, und ich muß wohl sagen, als ich sie so an den
Wänden herumstehen hatte und dazwischen die Hodler, Trübner,
welti, Hofer, Stadler, Haueisen u. s. w., daß mich einige
Zweifel überkamen, ob hier nicht doch Gegensätze der Zeiten
stärker wären, als alle Gemeinsamkeiten der Rasse, so daß
es unmöglich sei, sie durcheinander zu hängen. Doch gleich,
als ich eine vorläufige Ordnung versuchte, machte ich einige
überraschende Erfahrungen: einmal, daß es mit der gerühmten
Helligkeit moderner Bilder gegenüber den „dunkeltonigen"
alten Meistern doch eine sehr fragliche Sache sei — ich hatte
einen kleinen Baisch im Hause Schöuleber gefunden, der dort
ordentlich wie ein weißer Fleck von der wand leuchtete, hier
war er gegen den Dürer oder den Meister von Meßkirch
dunkel und grau — zum andern aber, daß eine Vorliebe
für kühle grünblaue Töne in den Hintergründen alter deut-
scher Meister gegenüber dem braunen Goldton der Italiener,
auch in modernen deutschen Bildern auffällig ist. So kam
ich von selbst dazu, die beiden Nittelkabinette des Saales zu
füllen, die in dieser grünen Tönung (entweder kühl wie bei
Thoma, Amberger, Stadler, Scholderer, Achenbach, Sohn-
Rethel, Aldegrever, oder wärmer wie bei Steinbausen, Schwaz,
Böhle, dem Meister von Meßkirch, Seidels, Schreuer, Iern-
berg) sich als zusammengehörig zeigten. Den Mittelpunkt des
einen Kabinetts gab eine Säckinger Landschaft von Thoma,
den des andern das bekannte Doppelporträt von Steinhaufen.
Und nun ergab sich mit einem Male, daß diese Bilder sich
vollkommen neben den alten Meistern hielten, ja daß sie als
besonders gute alte Meister sie teilweise überstrahlten. Das-
selbe galt von der bekannten Fraueninsel Trübuers (die
grüne wiese mit dein runden weißen Turin), die sich neben
dem Dürer durchaus als Malerei behauptete; uud besonders
auffällig war ein Porträt von Boehle neben dem von Hans
Schwaz, wo man wirklich im Zweifel sein konnte, welcher
von beiden der alte Meister sei. Obwohl gerade dieses Porträt
von Boehle nicht altertümelt wie manchmal seine Landschaften.
Für mich gibt es nach diesen Erfahrungen keinen Zweifel,
daß die in unseren Museen übliche historische Einteilung durch-
aus nicht die einzig mögliche ist, ja daß sie eigentlich einen
Mangel und eine Gefahr bedeutet, indem jene oft unerklär-
liche Abneigung geschmackvoller Sammler und Freunde alter
Kunst gegen bedeutende moderne Werke hierdurch eiue pflege
und Stützung erhält, und jenes Kraftgefühl und Zutrauen
unterbunden wird, ohne das die Kunst keiner Zeit sich ganz
zur Höhe entwickeln kann. Solange alte Kunst gegen moderne
 
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