Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 6.1906/​1907

DOI Artikel:
Ein Kulturbild
DOI Artikel:
Photoskulptur / Kleine Sorgen (Briefkasten der Schriftleitung) / Anfrage aus dem Leserkreis / Eröffnete Ausstellungen (Fortsetzungen) / Staatsankäufe etc. / Laufende Preisausschreiben / Aus Galerien und Museen / Personalien / Gerichtssaal / Vermischtes / Werbung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.52068#0575

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
heft qp

Die Werkstatt der Kunst.

567

„Danae" von van Dyck ist die Darstellung
einer ausgestreckten nackten Frauengestalt, bei der nur das
eine Bein und der Geschlechtsteil verhüllt sind.
Zwar sind diese Karten Reproduktionen berühmter
Künstler, aber die Art und Weise, wie die Karten ösf ent-
lieh ausgestellt worden sind, ist zweifellos lediglich dar-
aus berechnet, durch die Darstellung nackter weiblicher Körper
die Sinnlichkeit der Beschauer zu erregen. Beweismittel:
Zeugnis des Kriminalkommissars Geßwein, hier;
2. die bei den Akten befindlichen Karten.
Ls wird beantragt, das Pauptverfahren zu eröffnen
und die Verhandlung und Entscheidung der Sache vor der
Strafkammer des hiesigen Königlichen Landgerichts stattfinden
zu lassen.
I- A.
gez. Müller.
Beglaubigt.
Breslau, den ^7. Mai ;yO7.
Ludwig.
Gerichtsschreiber des Köuiglichen Landgerichts.
Außerdem wurde die Dresdener Staatsanwalt-
schaft von der Breslauer ausgefordert, gegeu die Firma
vorzugehen, welche jene und ähnliche Ansichtskarten herstellt.
Die Dresdener Staatsanwaltschaft faßte aber folgenden
Beschluß:
Die Sachen gegen die Firma Stengel L: Lo., hier, und
25 Genossen 8I.R.V. ^57/07, gegen die Karlebach 8t. K.V.
t58/07 und gegen Nhlmann 8t.R.V. ;5<pc>7 werden vereinigt.
Ls wird ab gelehnt, gegen die Beschuldigten wegen
Verbreitung unzüchtiger Abbildungen, tz ;8H Z. ;
St.-G.-Bs. strafrechtlich einzuschreiten, denn die bei
ihnen von der Polizei beschlagnahmten Ansichtspostkarten
können als unzüchtig im Sinne des ungezogenen Strafge-
setzes nicht angesehen werden.
Diese Ansichtskarten enthalten verkleinerte Reproduk-
tionen der Gemälde: Das Urteil des Paris von p. P.
Rubens, L'enfance de Bachus von Rauvier und das
Urteil des Paris von p. van der Wersf. Die Origi-
nale dieser Nachbildungen sind bekannte Kunstwerke, denen
die Ligenschaft unzüchtiger Bilder zweifellos nicht zukommt.
Sie haben anerkanntermaßen nur den künstlerischen Zweck,
die Schönheit des nnverhüllten, weiblichen und männlichen,
menschlichen Körpers zur Darstellung zu bringen. Line
solche Darstellung ist nicht unzüchtig an sich; vergl.
Entscheidungen des R.-G., Bd. 2-t, Seite 565 ff. Deshalb ist
anch die Nachbildung eines solchen Kunstwerkes an sich
nicht unzüchtig, und sie würde es nur werden, wenn be-
sondere Umstände hinzutreten, die geeignet wären, die natür-
liche Darstellung des menschlichen Körpers zu einer unsitt-
lichen oder schamlosen Erscheinung umzuwandeln.
Solche Umstände liegen nicht vor. Die Nachbildungen
sind künstlerisch und tragen den Charakter der Original-
kunstwerke, sie sind sogar wie diese farbig gehalten. Ihr
Zweck ist, Reisenden als Andenken an die Originale, deren
Anblick sie in Museen genossen haben, zu dieuen.
Sie würden auch danu nicht unzüchtig werden,
wenn sie von den Beschuldigten zu dem Zwecke der
Erregung geschlechtlicher Lüsternheit feilgehalten
worden wären. Denn nach der oben anqezogenen
Entscheidung des Reichsgerichts ist es ausge-
schlossen, daß ein an sich nicht unzüchtiges Bild
durch die subjektive willcnsrichtung des Ver-
breitenden zu einen: unzüchtigen werde, wenn das
Urteil der Ersten Strafkammer des Landgerichts
Breslau vom 26. Februar ;qo7 in der Sache gegen Fiedler,
j. ioc>7/r>6, die entgegengesetzte Ansicht vertritt, so setzt es
sich mit den vom Reichsgerichte entwickelten Grundsätzen in
WjNistpnwh. (Vergl. auch das Urteil der lll. Strafkammer
des Landgerichts Dresden vom ^.November ;gO2 in Sachen
gegen Erner.)
Dresden, den 25. April ;g07.
'Königliche Staatsanwaltschaft.
Brendler.

Man sollte es nicht für möglich halten (so schreibt die
„Frankfurter Zeitung", der wir diesen Artikel entnehmen),
daß es in den sogenannten gebildeten Kreisen der deutschen
Kulturnation Leute gibt, die Reproduktionen von Rubens,
Palma und van Dyck für unzüchtig halten. Aber es ist
Tatsache, wenn ein einsacher Schutzmann Fleiß prästiert
und solche Abbildungen konfisziert, so kann man das noch
begreifen, obgleich natürlich nicht billigen. Aber wenn ein
Staatsanwalt, also ein akademisch gebildeter Mann, die
Sittlichkeit durch das Urteil des Paris von Rubens und
ähnliches bedroht sieht, dann kann inan den Ernst nur noch
in der Form eines amtlichen Bescheides wahren, wie es
der Dresdener Kollege der Breslauer Staatsanwaltschaft in
so vortrefflicher weise getan hat.
Pkotoskulptur.
Ueber die Fortschritte seiner Erfindung auf dem Ge-
biete der Photoskulptur sprach, wie dem „Berl. Lokal-Anz."
aus Florenz berichtet wird, der Ingenieur Earlo Baese
iu der berühmten wissenschaftlichen Gesellschaft Leonardo
da Vinei. Das von ihm angewandte Verfahren zur Er-
zielung plastischer Photographien aus rein phototech-
nisch ein Wege ist auf der Eigenschaft der durch Am-
moniumbicromat empfindlich gemachten Gelatine aufgebaut,
im Verhältnis zu der auf sie einwirkendcn Lichtmenge mehr
oder minder aufzuquellen. Ingenieur Baese hat nun ein
besonderes Belichtungssystem erdacht, durch welches es ihm
gelingt, das zu photographiereude Objekt im Verhältnis zu
seiner Erhabenheit zu beleuchten und zwar derart, daß ein-
mal die dein photographischen Objektiv weiter entfernten
Teile stärkeren:, die dein Objektiv nahen, schwächeren: Lichte
ausgesetzt werden und daß, um den Gegensatz zwischen den:
Erhabenen und dein Tiefliegenden noch zu verschärfen, diese
Prozedur, im entgegengesetzten Sinne, noch einmal wieder-
holt wird. Die beiden auf diese weise erhaltenen negativen
Proben werden — nachdem die eine in ein Diapositiv ver-
wandelt ist — durch Aufeinanderlegen vereint und es liegt
auf der pand, daß dieselben, anstatt die Farben des Ob-
jektes in schwarz und weiß wiederzugeben, diesmal die
größere oder mindere Plastizität desselben durch entsprechende
pelle oder Dunkelheit angeben. Dieses eigenartige Doppel-
negativ wird nun auf eine, durch Ammoniumbicromat
empfindlich gemachte Gelatinmasse gelegt und einer längeren
Beleuchtung ausgesetzt; hiernach in besonderen Bädern ent-
wickelt, zeigt die Gelatinmasse alsbald aufquellend alle jene
Erhöhungen und Vertiefungen, die das Objekt aufgewiesen
hatte. Die Gelatinmasse wird sodann zum Erstarren ge-
bracht und es ist nun eine Form vorhanden, in der man
jegliches Material, wie Gips, wachs usw. gießen kann.
Ingenieur Baese stellt bereits plastische Aufnahmen hervor-
ragender Bildwerke seiner an Kunstschätzen so reichen Pri-
mat her und so wird die Photosknlptur nicht allein im
Kunstgewerbe ihre Anwendung finden, sondern auch als ein
wertvolles pilfsmittel für Studienzwecke iu der Bildhauerei
dienen, (wir bitten unsere Leser, sich hierzu zu äußern. Red.)
Aleme Sorgen.
(Briefkasten -er Schriftleitnng.)
I^. in Wien. Sie sandten uns freundlichst den Ar-
tikel des „Deutschen Volksblattes" über die XXXIV. Jahres-
ausstellung im wiener Künstlerhause. So gern wir allen
Parteien gerecht werden wollen, so müssen Sie es uns nicht
verübeln, wenn wir — Ihre reine Ueberzeugung ist uns
selbstverständlich — die genannte Zeitung nicht gern als
Euelle für so schwerwiegende Vorwürfe gegen die wiener
Jury benützeu möchten. Lin Rezensent, der beinahe bei
jeden: Bilde in seine Meinungsäußerung antisemitische Be-
merkungen einfließen läßt, kann nicht ein Richter über
ehrenamtlich wirkende Künstler sein. — Für Ihre freund-
liche Bemühung verbindlichsten Dank.
 
Annotationen