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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 6.1906/​1907

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Kober, Leo: Künstlerische Ideen
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https://doi.org/10.11588/diglit.52068#0669

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Die Werkstatt der Kunst

steäaklem: tzeUwag.

VI. Jabrg. tzekt 48. 26. Sept. 1907.

In clieseni r«U« unserer LeitsckriN erteilen «ir jscteni Künstler clss freie Mort. Mir sorgen ckafür, «lass keinerlei
Ungrisfe auf Personen oäer Ssnossensckasten sbgeclruckt tverclen, okns ässs vorder äer Angegriffene clis MSglickkeit gskLbt
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Küns11erisck)e Ideen.
von Leon Kober, Paris.

Seitdem schon viele verständige Leute unter
den Verlegern und Kunsthändlern es auch bessern
Künstlern, Leuten, die „auf sich 'was halten", möglich
gemacht haben, ihre Tätigkeit in den Dienst des
Tagesgebrauches zu stellen — sei es in Form von
Zeichnen für Witzblätter, von Buchumschlägen, Pla-
katen, Zeitungsreklamen, Ansichtskarten, in der Tätig-
keit auf allen Gebieten des Kunstgewerbes, die in
den letzten (0 Zähren für manchen Künstler ein
wichtiger, sür manchen der einzige Lrwerbszweig
geworden sind — seitdem sind für eine ganze Blasse
gediegener Künstler Fragen ins Leben getreten, die für
frühere Generationen überhaupt nicht existiert haben:
Geschäftsfragen und Standpunkte, mit denen sich die
Künstler von einst wenig oder gar nicht zu beschäf-
tigen hatten und wußten. Seit dem ganz bedeutenden
Aufschwung, den die Graphik im allgemeinen, das
Zeichnen im besondern unter den Walern, genommen
hat, seit der ganz enormen Entwicklung des Kunst-
gewerbes aller Art, ist der Künstler, der sich damit
beschäftigt, quasi gezwungen, den Geschäftsmann oft
und so gut, als es ihm gegeben, hervorzukehren,
eine Notwendigkeit, die aus der raschen Produktion,
dem größern „Umsatz", den er, im Gegensatz zum
Atelierarbeiter, zu machen imstande ist, hervor-
gegangen. Verschwindend ist im Verhältnis zur
Vergangenheit die Zahl jener Glücklichen, die Bilder
malen oder meißeln, und darauf warten können, bis
diese an Kunsthändler oder auf Ausstellungen an
den Mann gebracht werden, noch kleiner die Zahl
jener, die niemals ohne fixen Auftrag vor der
Staffelei stehen. Was früher jungen Leuten ein
Nebenerwerb war — eine Affiche zu entwerfen,
eine Einladungs- oder Wenukarte zu zeichnen — es
ist heute das Haupteinkommen von vielen geworden,
das einzige, worauf sich ihre Existenz gründet, sei
es aus Beruf, sei es aus dem Drang, sich ruhige
Stunden zu sichern, in denen man studiert, oder das
malt, was man „auf dem Herzen hat". Diese
unsere „graphische" und kunstgewerbliche Zeit hat
Talente zutage gefördert, die es auf den oben er-
wähnten Gebieten zu hoher Meisterschaft gebracht
haben, deren Produkte gleichwertig sind mit Pro-
dukten aller andern wahren Künste. Wan ist —
endlich und mit vollem Recht — so weit gekommen,
Leute, die eine schöne Tapete zu entwerfen imstande
sind, die gute Karikaturen zeichnen oder einen

Stockgriff entwerfen können, der praktisch, einfach,
organisch mit dem Material, aus dem er ist, noch
künstlerische angenehme Formen zeigt, in gleichem
Rang mit Künstlern, Schöpfern großer und berühmter
Gemälde zu nennen und sie für ihre Leistungen auch
zu bezahlen. Wer die Witzblätter der HO er Zahre
— mit ganz wenigen Ausnahmen — mit den
heutigen vergleicht (oder doch mit der Mehrzahl),
wer das eklige Barock des bürgerlichen Heims mit
heutigen Möbeln vergleicht, wer sich der Straßen-
mauern erinnert, da phantasiereiche Lithographen
mit in 1(7 Farben gedruckten Plakaten dieselben ver-
unzierten und sie mit den Bestrebungen der Mehr-
zahl heutiger Kunstanstalten vergleicht, wer sich seines
Spielzeugs erinnert und sieht, was heute auf diesen
Gebieten geboten werden kann (ich sage kann, denn
leider sieht man ja noch immer viel unsinnigen
(puark) — der wird den Schöpfern all dieser „Ar-
tikel" den Namen „Künstler" nicht versagen.
Za, es sind „Artikel" geworden, diese Kunst-
schöpfungen. Mancher in Ehren ergraute „Kunst-
maler" hätte zusammengeschaudert, hätte man vor
Zähren seine Werke „Artikel" genannt. Aber all
das Aufgezählte und noch vieles andere, dem heute
tüchtige Leute, Künstler, ihr Leben widmen, all das
wird (leider im Gegensatz zu Bildern!) wirklich ge-
braucht, Zndustrien sind aus diesem Gebrauch hervor-
gegangen, man sucht es — und wird es noch lange
und immer brauchen und suchen —, es ist ein Ge-
schäftsartikel geworden.
Daß Erzeuger gangbarer Artikel gute Geschäfts-
leute sein müssen, oder doch wenigstens sein sollten,
ist ein altes Wort, das hier nicht weiter breitgetreten
werden soll. Wie sehr jedoch das Wort „Geschäft"
dem Begriff Kunst und Künstler fremd gegenüber-
steht, wie wenig es gerade jener zu handhaben
versteht, der das Künstlerischste liefert, und wie schließ-
lich das Gesetz gerade den bildenden Künstler vor
Kniffen und Griffen, Verkürzungen usw. am aller-
wenigsten schützt, davon ist in diesen Blättern zur
Genüge gesagt und gesungen worden. Langsam,
ganz langsam erkämpfen sich auch die Künstler ihren
Rang und Raum unter den Geschäftsleuten, aber
noch in vielen Dingen stehen sie schütz- und machtlos
der Willkür derer gegenüber, die ihnen Brot und
Leben geben. Allenthalben noch gilt die irrige An-
sicht, der Begriff „Künstler" schließe das „Geschäft"
 
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