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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 6.1906/​1907

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Von der deutschen Kunstausstellung zu Köln
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Künstler und Kunstindustrie / Juristisches / Ein Preisauschreiben der Akademie des Bauwesens in Berlin / Die Kunstmalerei St. Lukas / Dressler Jahrbuch der Kunst pro 1907 / Eröffnete Ausstellungen (Fortsetzung) / Laufende Preisausschreiben / Erledigte Preisausschreiben / Denkmäler / Architektur / Staatsaufträge etc. / Staatsankäufe etc. / Aus Galerien und Museen / Aus Akademien und Kunstschulen / Personal-Nachrichten / Auszeichnungen und Medaillen / Todesfälle / Aus Künstler- und Kunst-Vereienen / Auktionen / Vom Kunsthandel / Vermischtes / Literatur / Werbung
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https://doi.org/10.11588/diglit.52068#0054

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§6

ausgespielt wird oder umgekehrt, solange sich nicht die Gläubigen
mehren, daß ein gutes Bild von Lerbl, Trübner oder Thoma
durchaus einem alten Meister gleich zu achten sei, solange wird
die alte Kunst auf der jungen wie ein Alp liegen, statt ihr
(trotz aller „modernen Errungenschaften") die beste Anregung,
Hilfe und Schule zu sein. Freilich auch ein Prüfstein: denn
dies war auffällig, wie andere moderne Bilder von großen
und kleinen Leuten für sich allein vortrefflich wirkten und
zwischen den alten kreidig, unansehnlich oder schwächlich wurden;
und durchaus nicht, weil ihre Malerei in den Mitteln den
Alten widerstrebte (wie hätten sonst Hodler, weiß, Hofer sich
so gut eingefügt?), sondern weil sie nicht zu ihrer Klarheit
und Vollendung gebracht waren.
Außerdem ist die Verschiedenheit von damals zu heute
gar nicht so außerordentlich, wie uns das Bewußtsein unserer
„Fortschritte" täglich belehren will, (wem ist es nicht aus-
gefallen, wie unsere modernen Ausstellungen allmählich an
„Helligkeit", d. h. an Kremserweiß, verloren?) Ich habe in
dem Hintergrund des Saales, als Mittelpunkt der dunkel-
tonigen Bilder, die rechts in einem prachtvollen Bildnis von
Haider und links in einem Runge ihre stärksten Punkte hatten,
eine Gruppe aus vier Bildern gebildet, die wirklich der ver-
schiedensten Herkunft sind. In der Mitte eine „Legende des
Lazarus" von Burgkmair; darunter die „Grablegung" von
Grünewald, rechts das Veit-Porträt von dem Nazarener
Binder und links ein Bildnis von dein jungen Karlsruher
Haueisen. Ich habe noch keinen, der den Tonwert eines
Bildes zu sehen befähigt war, vor diese vier Bilder geführt,
der nicht zugeben mußte, daß sie zwar nicht von einer Hand,
aber doch aus einem Empfinden gemalt scheinen. Es ist eben
doch nicht eine so unendliche Zeitspanne, diese paar Jahr-
hunderte, wie wir aus unserer modernen Nähe meinen.
Dies führt nun zu der entscheidenden Frage: Gilt dies
nicht wenigstens von der europäischen Malerei überhaupt, so-
daß sich auch aus italienischen, holländischen und deutschen
Bildern solche einheitliche Gruppen schaffen ließen? Das könnte
nur durch Versuche beantwortet werden; ich bezweifle aber
sehr den Erfolg. Die Gemeinsamkeit liegt in der Rasse, in
unserem Fall also in der deutschen Art: was je nachdem wie
eine Banalität oder wie eine nationale Voreingenommenheit
klingt, ist die eigentliche und wie mir scheint wichtige Er-
fahrung meines Versuches. Ganz abgesehen von den erwähn-
ten unbestreitbaren Eigenheiten des Kolorits, wodurch die
alten deutschen Meister auffallen — in den Zeiten, als unsere
Malkunst wieder mühsam sich entwickelte, hat zunächst die
Italienfahrerei, darnach der belgische und französische Ein-
stuß lange verhindert, daß hierin wieder die eigene Art so
zum Ausdruck kam, wie etwa nun in den modernen „grünen"
Landschaften von Trübner — also davon ganz abgesehen: die
deutsche Malerei zeigt eine Festigkeit der Zeichnung, die, leicht
ins Herbe gehend bei alten wie bei neuen, die Farbe in klaren
Flächen zusammenhält. Hierin sind z. B. die Landschaften
von Lugo und Thoma so auffällig in der modernen euro-
päischen Kunst wie die Bilder von Schongauer und Dürer
in der alten. Und hierin gibt es zur Zeit nichts, was der
modernen Schweizer Kunst, als der deutschesten, ähnlich wäre.
Für Bilder, wie die von welti, Buri, Gattiker (auch Hodler
trotz allem Einfluß der italienischen primitiven), ist die Ver-
wandtschaft mit der alten deutschen Kunst wirklich eine Bluts-
gemeinschaft.
Die Hauptansicht meines Saales geht auf den Ehninger
Altar, rechts Sohn-Rethel, links der Meister von Meßkirch
und weiterhin Hodler: wer das gewohnte Entsetzen vor Hodler
bedenkt, muß staunen, wenn er ihn hier friedlich in Nachbar-
schaft fast mit seinesgleichen findet: er ist weder Heller (wie
man glauben möchte), noch in der Zeichnung herber als die
Alten, scheint gar nicht modern und ganz ihres Schlages,
während Sohn-Rethel nut seinem altmeisterlichen Bild (Mäd-
chen mit Schafen) an dieser Stelle weich und „modern" wirkt,
was Hodler neulich scherzhaft sagte, daß die moderne deutsche
Malerei dieselbe in Frankreich angemachte Saure weiter rühre
und vor lauter Impressionismus und Kultur des Auges das
größere Auge dahinten im Kopf vergäße; niemals ist mir

Heft ch
das so richtig erschienen, wie da ich nun eines seiner Bilder
zwischen den alten Meistern sah. Trotz allen Neo-Impres-
sionisten gibt es zur Zeit keine moderne Malerei als die der
jungen Schweizer (man sehe sich einmal eine solche Ausstel-
lung in Bern u. s. w. an!); und diese Malerei ist deutsch bis
in den Grund und ist den Alten verwandter in der Kraft
der ungehinderten Naturanschauung als je eine. „Jetzt end-
lich fühle ich nichts mehr zwischen mir und der Natur", das
ist ein bezeichnendes Bekenntnis von Hodler.
Und eine Erfahrung fast unliebsamer Art will ich nicht
verschweigen: Zwei von den sechzig Bildern in meinem deut-
schen Saal fielen mir als undeutsch, als fremd, immer stärker
auf, das eine war belgisch und stammte von dem Düsseldorfer
Burnier, der ein geborener Belgier war; das andere schien
italienisch und war die bekannte „Heimkehr" von Böcklin.
Seitdem ich es auf der Basler Jubiläumsausstellung zuerst
sah, hatte ich es als eines der innigsten Bildwerke deutscher
Empfindung in der Seele, und mußte nun mit einen: wahren
Schrecken sehen, daß dies nur für die poetische Empfin-
dung, nicht für die Malerei gilt. Es ist ein prachtvoller
Klang aus rot, braun und blau, die tiefe Glut eines Abends,
aber sieht man den Lugo daneben, so stehen zwei Welten
gegeneinander; und keine Frage, welche die unserige ist.
Künstler rmä Kunstmäustrie.
von einem Künstler wird uns ges chrieben:
Dem Aufsatz in Heft 2 der „Werkstatt der Kunst"
„Künstler und Kunstindustrie" möchte ich gerne einige
Bemerkungen infolge verschiedener Erfahrungen,
welche mir im Laufe der Zeit zuteil wurden, fol-
gen lassen, was mich betrifft, so glaube ich nach
diesen Erfahrungen, daß die Wünsche der Herren
auf dem Dresdener Kunstgewerbetag leider zum
großen Teil illusorisch bleiben dürften, wenn die
diesjährige Dresdener Kunstgewerbeausstellung als
ein Beweis der Behauptung angesehen wird, die
Industrie und das Gewerbe hätten die Bedeutung
des schöpferischen Künstlers für sie erkannt, so ist
eine solche Auffassung, nach meiner Ansicht wenigstens,
eine sehr irrtümliche. Die Bedeutung der Ausstellung
ist in einer ganz anderen Richtung zu suchen. Die-
jenigen Industriellen und Gewerbetreibenden, welche
auf der Dresdener Ausstellung in der friedlichen
Weise mit dem Künstler zusammen gearbeitet haben,
das sind, wenigstens zum allergrößten Prozentsatz,
die Schlauen, welche — seien wir nur ganz offen —
die Situation dieses speziellen Falles erfaßt hatten.
Das sind diejenigen, welche den Idealismus und
die Opferfreudigkeit der Künstler kennen, welche
wissen, daß die Künstlerschaft die gesamte vornehme
presse hinter sich hat, welche erkannt hatten, daß
die Ausstellung eine unschätzbare Gelegenheit zur
Propaganda ihrer Geschäfte sei. Die Leute haben
für diese Ausstellung mit dem Künstler zusammen
gearbeitet. Nichts mehr und nichts weniger! wer
aus dieser einfachen Sachlage heraus aber den
Glauben ableitet, daß nun ein Band zwischen den
Künstlern einerseits und den Industriellen und Ge-
werbetreibenden andererseits hergestellt worden sei,
der befindet sich eben in: Irrtum. Die Erfahrungen
vieler Hunderte von Künstlern werden diese Erkennt-
nis bestätigen, vielleicht wäre es nicht uninteressant,

Die Werkstatt der Kunst.
 
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