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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 6.1906/​1907

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Sebaldt, Otto Friedrich Wilhelm: Reform des Kunstlebens
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Die Lehrer für die Zensur der Ansichtskarten
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https://doi.org/10.11588/diglit.52068#0643

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Heft H6.

Die Werkstatt der Kunst.

635

der ihr gleichermaßen nicht zukommt. Zn die
gleiche Rubrik gehört die mißbräuchliche Anwendung
des Wortes Kunstmaler.
Fernerhin ist der Kampf zu führen gegen eine
leider fast allgemein übliche Bevorzugung auswärtiger
Kräfte gegenüber einheimischen Künstlern. Zn
Leipzig sowohl wie in Dresden und anderen Städten
werden zu öffentlichen Arbeiten oft fremde Künstler
herangezogen zum Schaden Ansässiger, die ihre
Künstlerschaft durch das Zeugnis einer ständigen
Zury am Platze nachweisen könnten, weiterhin
muß Stellung genommen werden zu der oft gerade-
zu sinnlosen Verwendung städtischer Wittel beim
Ankauf von Werken erster Künstler, wir führen
hier nur einen Fall an, wo seinerzeit der Rat der Stadt
Leipzig Klingers „blaue Stunde" für 3000 Mark
nicht angekauft hat, um sie nun aus der Hand
eines Hamburger Kunst,,freundes" durch Vermittlung
von Tassirer-Berlin für die Kleinigkeit von
60 000 Mark (!), eine Summe, die den tatsächlichen
wert dieses Werkes ganz bedeutend übersteigt, zu
erwerben. Damit kommen wir auf das Thema
„Kunsthändler". Zst es schon eine an sich be-
schämende Tatsache, daß mit Kunst „gehandelt"
wird, so ist es geradezu empörend, in welch scham-
loser weise man hier oft vorgeht. Der Umstand
aber, daß die Bewertung eines Kunstwerkes fast
ausschließlich nur noch in den Händen meist künst-
lerisch durchaus ungebildeter Händler liegt, ist so
niederdrückend, daß es nachgerade die höchste Zeit
wird, diesem Unfug zu steuern. Wohlverstanden,
wir haben eine ganze Reihe tüchtiger, künstlerisch
gebildeter Kunsthändler, die sich durch ihre Be-
mühungen um schwer erhältliche Kunstwerke verdient
gemacht, aber ersparen kann ich auch ihnen den
Vorwurf nicht, daß sie ihre, oft über die Maßen
glänzenden Geschäfte machen mit Werken eines
Künstlers der zu seinen Lebzeiten nicht das Nötigste
besaß, einigermaßen sorgenfrei zu leben. Die Mehr-
zahl aber treibt die Preise irgend eines noch Un-
bekannten systematisch in die Höhe, was dann oft
so weit geht, daß die Prozente den Verdienst des
Künstlers noch übersteigen.
Dies Schachern und wuchern mit einer edlen
Sache auf Kosten des Urhebers ist ekelerregend und
die Bestrebungen des neuen Verbandes müßten sich
auch ificht zum wenigsten gegen Auswüchse dieser
Art wenden.
Mehr und mehr ziehen sich die Künstler vom
öffentlichen Preisausschreiben zurück, denn die
hierbei meist übliche Methode bedeutet eher eine
Schädigung als eine Unterstützung der Beteiligten.
Reell wäre das Vorgehen der ausschreibenden
Firma, wenn sie sich direkt an eine Anzahl junger,
noch wenig bekannter, aber von maßgebender Seite
qualifizierter Künstler wendete, sämtliche verlangten
Skizzen entsprechend honorierte und den gewählten
Entwurf zur Ausführung brächte. Dann kommt es
nicht vor, daß, wie jüngst, nur um einen Fall zu

nennen, bei dem Leipziger Meßplakatausschreiben
H00 (!) Arbeiten (zum Teil recht tüchtige) einfach
umsonst gemacht wurden.
Das immerwährende frucht- und erfolglose
Arbeiten deprimiert derart, daß bereits viele tüchtige
und leistungsfähige Künstler zugrunde gegangen
sind, während die „Kitsch"malerei in behaglichster
Weise und von oben her unterstützt, sich breit macht
und allerwärts den Geschmack korrumpiert, den zu
heben doch unsere heiligste Aufgabe ist.
Nicht zuletzt aber gilt der Kampf bis aufs
Messer immer wieder dem Heer unberufener „Kri-
tiker". Von ihnen in allererster Linie muß der Be-
fähigungsnachweis geliefert werdens, soll der
guten Kunst nicht unberechenbarer, immer tiefer sich
einfressender Schaden zugefügt werden. Schutz
der Kunst, Front gegen jede Züchtung, gleichviel
von welcher Seite, einer minderwertigen Konkurrenz
und damit Hebung des allgemeinen Geschmacks,
das sei die Losung des zu gründenden Verbandes
deutscher Künstler.
was die oben erwähnte Zury angeht, so sei
der Vorschlag gemacht, daß die Künstler innerhalb
des Verbandes in jeder Stadt eine Kommission von
etwa sO anerkannten Kunstrichtern, Künstlern und
Kritikern wählen, der die ehrenamtliche Aufgabe
zufällt, von Zeit zu Zeit ihr Urteil öffentlich ab-
zugeben über alles, was zurzeit am Orte an so-
genannten Kunstwerken ausgestellt ist. Zch glaube
nicht, daß dann ein wohlhabender, aber kunstun-
verständiger Mann noch Werke in sein Heim auf-
nimmt, die öffentlich als künstlerisch minderwertig
oder gar wertlos gebrandmarkt sind.
Otto Lebalckt-Dresdcn.
Vie Lekrer kur ckie Zensur cter An-
sichtskarten.
Verschiedene Vorkommnisse der letzten Zeit lassen es
ratsam erscheinen, die Aeußerungen zu dem heiklen Thema
„Kunst und Unsittlichkeit" (eigentlich ein nonsens!) auf-
merksam zu verfolgen. Auch Wien hatte kürzlich seinen
„Bildersturm". Klan konfiszierte Rubens, Tizian usw.,
daß es seine Art hatte. Natürlich war's ein Schlag ins
Wasser, wie immer. Die Polizeiorgane wurden in tragischem
Geschick zu Barbaren und die erotischen Spekulanten lachten
sich ins Fäustchen.
Der Deutsch-österreichische Lehrerbund, eine
entschieden liberale Lehrervereinigung, nimmt in seinem
Grgan zu der Frage wie folgt Stellung:
„Alte Meister, Tizian, Rubens, Rembrandt usw.,
gelten als sakrosankt. An ihre Schöpfungen darf niemand
rühren, wenn er nicht in den üblen Ruf eines Barbaren
kommen will. Man sagt, was jene alten Meister geschaffen
haben, das ist Kunst, vollendete Kunst; Kunst wirkt aber
ueredelnd, erziehend im besten Sinn und soll auch dem Auge
der erziehungsbedürstigen Jugend nicht entzogen werden.
Diese Begründung ist sehr einfach, doch hält sie einer
Prüfung nicht stand. Denn die Kunst liegt in der Dar-
stellung, die Darstellung aber führt den Betrachtenden auch
ihr Objekt vor Augen und der Anblick des Objektes kann
eine Welt von Gedanken, Gefühlen und Trieben entfesseln,
vor deren Möglichkeit dieKunstempfindungzurück-
i) Aber wie? Die Red. d. w. d. K.
 
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