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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 6.1906/​1907

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Kober, Leo: Künstlerische Ideen
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Kainzbauer, Ludwig: Zur Verfolgung unsittlicher Bilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.52068#0670

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662

Die Werkstatt der Kunst.

Heft §8.

aus, und Künstler selbst sind es, die dazu beitragen,
diese Ansicht zu kräftigen, zu unterstützen. Ein jeder
Schuster darf sich seine Arbeit beangaben lassen —
beim Künstler sieht das „nicht gut aus" —, ein
jeder Schneider präsentiert „bei Lieferung" seine
„Faktura" —, der Künstler, der der gelieferten
Arbeit die „saldierte Rechnung" beilegen würde,
wäre baldigst unmöglich und abgetan —, ja es gibt
Leute, die es unangenehm empfinden (und auch eine
Menge Künstler!), die geschäftliche Seite künstlerischer
Angelegenheiten mit Worten glatt und schroff abzu-
machen, und sich in allen möglichen Formen um
diesen Punkt Herumdrücken.
Bei dem heutigen Stand der Dinge handelt es
sich bei den aufgezählten Zweigen künstlerischer Be-
tätigung doch hauptsächlich um die Idee. Nicht in
jenen Artikeln allein, die durch Druck hergestellt
werden — auch im Kunstgewerbe, dort, wo mo-
derner Künstlergeist Boden gefaßt hat — überall ist
es die Idee, die den Käufer zunächst beschäftigt,
und die auch eine große, zum mindesten ebenso große
Rolle spielt, wie das Werk selbst. Handle es sich
um ein Plakat, eine Ansichtskarte, eine Umschlag-
zeichnung, einen Fries, eine gezeichnete Zeitungs-
reklame, ein Spielzeug, einer: Schmuck, ein Teppich-
muster, ein neues Tintenfaß — es ist immer die
Idee, der wir die erste Stunde unserer Arbeit
widmen, nach der der Käufer und Besteller zunächst
frägt. Bei dem enormen Gebrauch dieser Artikel,
bei dem Bestreben, durch das Neue das Alte zu
verdrängen, ist es stets und stets die Idee, der in
erster Linie die Aufmerksamkeit geschenkt wird. Und
es kann ruhig gesagt werden: Alle, die auf diesen
verschiedenen Gebieten groß geworden sind, sich einen
Namen gemacht haben, sie alle haben mit künst-
lerischen Fähigkeiten und Fertigkeiten die Gabe der
Originalität, der neuen Ideen verbunden. Diese
Gabe, die ja höchst künstlerisch und bemerkenswert,
hat aber nicht immer unbedingt das künstlerische
Können zum Nachbar. Sie findet sich oft in
Leuten, die mit der Kunst nicht das mindeste zu
schaffen haben, denen es wohl gegeben ist, zeichnerisch
zu denken, aber nicht, ihre Gedanken auch zeich-
nerisch zulänglich auszudrücken. Deren Können-
niveau mit dem ihrer Ideen nicht Schritt hält, oder
die nicht in der Lage sind, ihrem Können den von
dem Käufer oder Interessenten der Idee gewünschten
Weg zu geben. Und von diesen Leuten, Künstlern
soll hier die Rede sein.
Diese Leute sind bei all den erwähnten Zweigen
hochwichtig. Sie kommen zuerst zu Wort. Es wird
ein Plakat für irgend einen ganz ausgefallenen
Artikel gebraucht. Halt! Der 3ö hat gute Ideen!
Also her mit dem 3ö.! Der 3c kommt und hat tat-
sächlich eine glänzende Idee. Macht sie, aber die
Ausführung gefällt nicht. „Wir danken — die
Idee ist ja famos, aber usw. usw." Ein paar
Wochen später sieht der 3k seine Plakatidee in einer
andern Ausführung; er kann dann darüber eine

Woche lang gekränkt oder geärgert sein, wenn er
will auch zwei. Das ist aber auch alles, was er
tun kann. Die Idee ist von ihm — das Geld hat
ein anderer gekriegt. — Ulan bittet den H um
Entwürfe für Briefbeschwerer (oder hundert andere
Sachen). Der H legt sein Skizzenbuch vor oder
sendet ein paar Skizzen. Dann kommt der bekannte
Brief: Mit bestem Dank usw. usw. . . . haben
jedoch nichts für uns passendes gefunden . . .
senden mit verbindlichem Danke mit gleicher Post
zurück. . . . Dann, wieder ein paar Monate später,
sieht er seinen Briefbeschwerer (seine Tapete, seinen
Buchschmuck, seine Farbenidee, seinen Kasten, sein
Stoffmuster, seine Ansichtskarte) von einem andern
ausgeführt. And wieder kann er sich „die Nase ab-
wischen" und hiermit ist für ihn die Sache erledigt.
Ich höre den entrüsteten Einwand: Welches anstän-
dige Geschäftshaus . . . solches Gebaren! . . .
usw. usw. Ich weiß, daß einem dies nicht passieren
muß. Aber daß es einem passieren kann, und daß,
wenn es einem passiert, man dazu hübsch still-
schweigen muß — das ist beunruhigend. Jeder neu-
artige Hosenknopf wird patentiert, und wehe, wer
sich an solchem Patent vergreift! Hat man einen
Kragen-Kravattensixatem erfunden, so geht man ins
Patentamt, und man ist sicher, nicht um die Früchte
seiner Erfindung gebracht werden zu können. Und
hat einer eine Idee für einen Badezimmerfries mit
neuen Linien und neuen Farben und neuem Inhalt
— das kann ihm der erste skrupellose Geschäfts-
mann oder Kollege (oh, auch solche gibt es leider!)
ungestraft nachmachen und man darf nicht mucken.
„poltern gilt nicht — Wandel schaffen" wird
es nun heißen. Denn viele werden die Richtigkeit
des Dargetanen nachfühlen, wenn sie's nicht schon am
eigenen Leibe erdulden mußten. Etwas wie ein
„Patentbureau für künstlerische Einfälle" auf den
Gebieten der Malerei, Graphik, Bildhauerei, Kunst-
gewerbe und Gewerbe — klingt vielleicht lächerlich und
ist auch nicht gut durchführbar. Aber ich glaube,
die Sache ist interessant und wichtig genug, daß man
darüber nachdenke. Denn es ist ein Punkt mehr,
an dem wir Künstler kranken, in dem uns der erste
beste verkürzen und schädigen kann. Es wird freilich
schwer sein, einen Modus zu finden, der da, wenn
auch nicht Abhilfe schafft, so doch den Weg zur Ab-
hilfe weiß. Wir sollten ihn suchen. Und dazu will
ich den Anstoß gegeben haben.
Tur Verfolgung unsittlicher KUcler.
Unter den gemeinte:: „unsittlichen" Bildern faffe
ich alle Arten Bildwerke zusammen, ob sie der
Malerei, der Plastik, Photographie oder irgend einer
Technik entstammen, welche die volle Nacktheit der
Menschen oder jene Teile des Menschen darstellen,
welche geeignet sind, in der Wirklichkeit die
Sinneslust zu erregen.
Ls ist schwer zu sagen, ob eine vollendet ge-
malte nackte Gestalt (merkwürdigerweise hat man
 
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