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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 6.1906/​1907

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Bemerkungen der Allgemeinen Deutschen Kunstgenossenschaft zu dem Entwurf eines Gesetzes, betr. das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie, [1]
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Meyer, A.: Auch ein Porträtauftrag!
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https://doi.org/10.11588/diglit.52068#0140

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s32

Die Werkstatt der Kunst.

Heft 10.

dieser an dem Werke angebracht ist, anzu-
geben."
(Schluß folgt.)
Auck ein porträtauftrag!
von A. Meyer.
Aus den Fragen und Verhältnissen, welche aus
dem Notstand der Zeit im Kunstleben hervorwachsen,
sei mir gestattet, einen Fall zu schildern.
Da ist ein Arzt mit sehr anständiger Praxis,
hübschem privatvermögen und einem dementsprechend,
auf behaglichen Zuschnitt, eingerichteten Haushalt.
Es ist seine Lieblingsidee, einmal gemalt zu werden;
es soll ein großes, pompöses, elegantes Bild sein,
ein Kniestück oder in ganzer Figur, selbstverständlich
sprechend ähnlich und fein durchgearbeitet auch. Er
lebt in einer Stadt, in der an Walern kein Wangel
ist, und er kennt auch verschiedene selbst. Aber von
welchem sich malen lassen? Diejenigen, deren Bilder
ihm gefallen, verlangen zwar mäßige Preise, aber
doch eine ganz anständige Summe, wenn man sich
es so vorstellt, daß sie blank auf den Tisch gelegt
werden soll. Das ist zu viel Geld: der Haushalt,
die große Wohnung, das übrige Leben kostet doch
schon viel. Aber er hat auch von Walern gehört,
welche für (50 Wk. Porträts in Lebensgröße schon
gelegentlich sollen geliefert haben. Dabei riskiert
man dann aber, daß das Bild vielleicht nur so
heruntergestrichen, von zweifelhafter Aehnlichkeit und
mangelhafter Ausführung ist. So etwas könne man
dann nicht in seinen Salon hängen. Aber es gibt
da noch einen Ausweg — ein solches Verhältnis auf
Gegenseitigkeit, von dem er schon gehört hat. Er
gedenkt, sich bei seinem Waler durch unent-
geltliche Behandlung zu revanchieren, d. h.
er will seine Eitelkeit durch das Elend seiner
Mitmenschen befriedigen, welch'eine Brutalität
eigentlich ein solcher plan darstellt, das macht er sich
gar nicht erst klar.
Gewiß, es gibt solche Gegenseitigkeitsverhält-
nisse, welche gar nicht in dieser weise empfunden
werden und auch keinerlei Brutalität in sich schließen.
Ein Waler, oder ein Familienangehöriger eines sol-
chen ist schwer krank, in Lebensgefahr. Sein Arzt,
vielleicht auch obendrein noch Freund, gibt ihm durch
seine Kunst das Leben zurück, gibt der Familie den
Vater oder Ernährer, dem Waler eines seiner Lieben
wieder. Oder es handelt sich um ein langwieriges
chronisches Leiden, dessen Heilung dem Geheilten ein
neues Leben darstellt. Der Waler hätte nun eigent-
lich eine große Rechnung zu erwarten. Anstatt dessen
malt er des Arztes Bild und dieser erklärt sich auch
auf diese weise befriedigt.
Eine ganz andere Sache ist es aber, wenn der
Arzt zu einem Waler geht und ihm, der zur Zeit
gar nicht krank und behandlungsbedürftig ist, an-
trägt, er wolle sich bei ihm, der sonst recht nette
Preise für seine Arbeiten zu bekommen pflegt, auf
Gegenseitigkeit, also auf künftig, etwa nötig werdende

Behandlung, malen zu lassen. Der Waler weiß von
vornherein, daß er nie bares Geld, überhaupt keinen
greifbaren Ersatz für seine Wühe in die Hand be-
kommen wird. Ein solches Gefühl, mag nun einer
im übrigen noch so ideal denken, hat unter heutigen
Verhältnissen von vornherein etwas Lähmendes. Er
setzt trotzdem sein ganzes Rönnen, seinen Ehrgeiz
(das Bild soll ihn doch wenigstens empfehlen), seine
Empfindungsfähigkeit, seine ganze Rraft, von baren
Auslagen ganz abgesehen, ein — um eines Tages,
wenn das Elend über ihn und die Seinigen kommen
sollte, dieses wenigstens umsonst haben zu dürfen.
Doch nicht einmal umsonst — das Gespenst der Sorge,
das sonst neben der Krankheit einhergeht, wird nur
gemildert, denn der übrige Aufwand, welcher mit
der Krankheit verknüpft ist, ist noch immer nicht um-
sonst und die Arbeitsunfähigkeit, der ausbleibende
Verdienst, den das Leiden vermutlich mit sich bringt,
ist ihm lange nicht ersetzt.
wie soll denn aber überhaupt, um auf den
Grund der Sache zu kommen, ein solcher Vertrag
formuliert werden? wie lange kann, darf oder
muß der Waler krank oder behandlungsbedürftig
werden, damit der Doktor sein Bild abzuverdienen
Gelegenheit hat? Wan denke sich den Fall, daß der
Waler sein Bild zu 300 oder gar 500 Wk. oder
mehr bewertet. Eine nette Perspektive in die Zukunft!
Und gesetzt den Fall, der Waler stirbt — werden
dann die Erben weiterbehandelt? wer weiß dann,
wie viel der Arzt dem Waler noch schuldet? Oder
es sterbe der Arzt, was dann? Wuß dann der
Waler im Erkrankungsfalle erst noch einen andern
Arzt bezahlen? Oder einer von beiden wechselt
sein Domizil — soll der Waler darauf verzichten,
in eine andere Stadt zu ziehen, bis der Doktor Ge-
legenheit hatte, sein Bild abzuverdienen? Oder
kommt der Doktor im Erkrankungsfalle in das neue
Domizil des Walers und rechnet diesem die Reise
und was er an Patienten verdient auf, wovon der
Waler zwar gar nichts hat? Oder, der betreffende
Arzt besitzt nicht oder nicht mehr des Walers ganzes
vertrauen und dieser würde gern einen andern Arzt
nehmen? Und wie — wenn nun der Waler und
die Seinen in den nächsten Zähren gesund bleiben
und des Arztes gar nicht bedürfen? . . . Kurz, mir
scheint, der Waler nimmt bei einem solchen Gelegen-
heitsvertrag ein Lotterielos, dessen Lhanoen in allen,
also auch im Gewinnesfalle, immer nur Nieten sein
können! Der Doktor aber hat, was er sich gewünscht
hat, sein Bild an der wand hängen und wenn
die Aehnlichkeit ihm vielleicht auch nicht ganz spre-
chend erscheint, so ist's mindestens kein Unglück, oder
nur eines für die Eitelkeit — das kann auch bei
den teuer bezahlten Bildern noch passieren.
wie so mancher Künstler vielleicht ist schon
einen solchen Vertrag eingegangen, ohne daß ihm
die sämtlichen Folgen und späteren Rechtsfragen
gleich völlig klar und übersehbar vor Augen standen,
ohne daß er daran dachte, daß auch dies ein Schritt
 
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