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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 6.1906/​1907

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Nieβen, J. J.: Der Künstler als Kunsthändler?
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https://doi.org/10.11588/diglit.52068#0249

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sseäakteun Hemrick Stemback. VI. Jakrg. n Hekt 18. 28.


In clieseni rüeile unsevsv LeitsUiriff erteilen wir Zeclsin llünstler clas freie Mort. Mir sorgen ckalür, class tuniicl,st keinerlei
Angriffe auf Personen ocler Eensssensckaffen abgeciruckt werden, okns class vorder clsr Angegriffene clis Möglic!,ksit gekabt
batte, in cieniselben tzeffe zu erwidern. vis ksclaktion kalt sicit vollständig unparteiisck uncl gibt clurcl, clen 7;bÄruck keineswegs
--—.. —- sine Nebereinstininiung niit <ten auf cliess Meise vorgetragenen Meinungen zu erkennen. — -

Oer Künstler als Kunstkäncller? )
Don Z. Z. Nießen.

Lin junger Volkswirt, Vr. Zeitlin, hat jüngst
in einem Aufsatze „Der Künstler als Kunsthändler"
Dorschläge gemacht, wie sich der Künstler vom Kunst-
handel unabhängig machen könne, nm dadurch seine
wirtschaftliche Lage zn verbessern. Er hat damit
eine Frage berührt, welche bisher in der großen
Geffentlichkeit kaum ernsthaft behandelt worden ist,
welche aber eine besondere Beachtung umsomehr
verdient, als sie die wahre Lebensfrage der deutschen
Künstler ist. Die Anregung Zeitlins prüfen, wollen
die folgenden Zeilen.
Auf dein heutigen Kunstmarkte besteht ein
schreiendes Wißverhältnis zwischen Angebot und
Nachfrage. Zn unserer Zeit sind zwar die künst-
lerischen Bedürfnisse der Zndividuen bei steigendem
Wohlstand und zunehmender Kultur zahlreiche und
intensive, so daß eine reelle Nachfrage nach Kunst-
werken besteht; aber trotzdem steht das Angebot zur
Nachfrage auf etwa 90 zu sO, soweit deutsche
Kunstwerke in Betracht kommen. Daß diese Verhält-
nisse mit ihren traurigen wirtschaftlichen Folgen für
die Künstler und ihre Familien unhaltbar sind, ist
sicher. Aber: kann man hier helfen? wird ins-
besondere die von Zeitlin vorgeschlagene Selbsthilfe
der Künstler durchführbar sein, und ist es ratsam,
den „Künstler als Kunsthändler" allgemein auftreten
zn lassen? Zeitlin gibt die Parole: „Los vom
Kunsthändler!" und will also den ganzen Kunst-
handel als Vermittler zwischen Publikum und Künstler
ausschalten. Zhm genügen nicht die bereits jetzt
von manchen Künstlervereinen veranstalteten Sonder-
ausstellungen; er will, daß die Künstler einen „Ver-
band zur Wahrung ihrer materiellen Znteressen"
gründen, der in der Hauptsache ein Verkaufskartell
sein soll mit Vcrkaufsgelegenheiten in eigenen Aus-
stellungslokalen an den verschiedensten Plätzen. Und
eine, mit Pilse moderner Weizene neben diesem Ver-
bände, zn schaffende „Allgemeine Künstler-Darlehens-
kasse auf genossenschaftlicher Grundlage" soll das
nötige Geld herbeibringen, einerseits für die Organi-
sation jenes Znteressenverbandes und andererseits zur

') Mir geben zu dem Kegniel „Der Künstler als
Kunsthändler" auch dieser Stimme das Mert, bitten aber,
den ebenstehenden Ausführungen gegenüber, im Auge zu
behalten, was über diesen Gegenstand unter Derbeiziehung
des „Elsässischen Kuusthauscs" in Pest dar-
gelegt wurde. Die Schriftlcitung.

vorschußweisen Unterstützung des Künstlers, damit
dieser niemals mehr aus Not sich und seine Kunst
dem Kunsthandel bedingungslos auszuliefern brauche.
Nebenbei halt er eine Neforin des Ausstellungs-
wesens als notwendig, ohne Anregungen hierfür
zu geben.
Die positiven Vorschläge Zeitlins sind, was ihm
nicht bekannt zu sein scheint, alle, ohne besonderen
Erfolg, längst ausprobiert worden. Früher wirkten
die Kunstvereine, deren Vorstände noch unentgelt-
lich im Ehrenamte tätig waren. Pente wirkt der
bezahlte Geschäftsführer, und die Kosten sind so
hoch, daß z. B. der Kunstverein für Rheinland und
Westfalen im Zahre ss)O^ ^2000 und im Zahre ss)05
52 000 Wk. Betriebskosten hatte bei einer Verwen-
dung von ungefähr 50 000 Wk. für Ankäufe. Und
seitens der Künstlervereine wird eine Wenge Geld
ausgegcben für alle die vielen Geschäftsführer, welche
von der Kunst leben, ohne ihr viel einzubringen.
Denn bei all' den Sonderausstellungen einzelner
Gruppen und Grüppchen springt nicht viel heraus,
und nur ab und zu hat einmal eine solche Aus-
stellung gute Verkaufsergebnisse, vor allein dann,
wenn eine Anzahl von Künstlern: aus verschiedenen
Kunststätten in ihrer peimatstadt ausstellt, so z. B.
die Zahresausstellung Kölner Künstler in Köln. Aber
im allgemeinen sind diese Ausstellungsgelegenhciten
keine Förderung der allgemeinen großen Znteressen,
weil sie leicht von einzelnen zu ihrom persönlichen
Vorteil ausgenutzt werden. Ausstcllnngslokale
gibt es jetzt in allen Städten, und man braucht des-
halb keinen besonderen Verband zu gründen, der
diese Lokale erst schaffen müßte. Und einen „Verband
zur Wahrung der materiellen Znteressen der Künstler"
gibt es seit mehr als fünfzig Zähren in der All-
gemeinen Deutschen Kunstgcnossenschaft. Den Gegnern
dieser Genossenschaft ist nicht abzustreiten, daß sie in
ihren Einrichtungen stehen geblieben ist und eine
Zeitlang nicht recht wirksam war, und daß sie auch
heute noch manche Reform vertragen könnte, aber das
muß ihr der nicht voreingenommene Beurteiler lassen,
daß sie stets gerecht und unparteiisch war. Solange
die Künstler in ihr verhältnismäßig einig zusammen-
gefaßt waren, konnte sie der Wittelpunkt der wirt-
schaftlichen Znteressenvertretung der Künstler sein;
bis dahin hatte sie (z. B. durch die Veranstaltung
von Ausstellungen in: Znlande und Auslande mit
 
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