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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 6.1906/​1907

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Nieβen, J. J.: Der Künstler als Kunsthändler?
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https://doi.org/10.11588/diglit.52068#0250

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2H2

Die Werkstatt der Kunst.

Heft s8.

bhilfe einer von der Genossenschaft erwirkter: Reichs-
beihilse von jährlich 20 000 Mk.) schöne Erfolge
auf wirtschaftlichem Gebiete. Dann erfolgte in den
achtziger Jahren die Spaltung in der Künstlerschaft,
welche zur Bildung der Sezessionen führte, aus denen
dann der Deutsche Künstlerbund hervorging. Durch
diese Spaltung wurden natürlich die Kräfte der Ge-
nossenschaft gelähmt. Daß es sich übrigens damals,
und auch heute noch, weniger um eine reformatorische
Bewegung in der Kunst als um Machtfragen
und den Kampf auf wirtschaftlichen: Gebiete han-
delte, weiß das Publikum kaum. Aber nach der
Zerstörung der Einigkeit in der Künstlerschaft wurde
der Kunstmarkt des deutschen Werkes nicht besser,
in: Gegenteil: durch eine verkehrte Kunstpolitik der
neuen verbände wurde er von Jahr zu Jahr
schlechter und konnte von dem mehrmaligen, all-
gemeinen wirtschaftlichen Aufschwung nicht ent-
sprechende Vorteile gewinnen. Man sollte meinen,
nach diesen Erfahrungen müßte es möglich sein, die
gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen wieder in
einer großen Vereinigung zusammenzufassen. . Aber
dazu müßten, wie in jedem größeren verbände,
Mpfer an eigener Meinung gebracht und manche
bittere Empfindung unterdrückt werden; und das
wollen einstweilen die Führer nicht. Was schließ-
lich bei anderen Menschen gelingt, ist bei Künstlern
vielfach nicht zu erreichen. So ist also das fteil-
mittel des „wirtschaftlichen Verbandes" schon einmal
in: größten Maßstabe angewandt worden, ohne daß
es dauernd gewirkt hätte, ft
Die Gründung einer „allgemeinen Künstler-
Darlehenskasse aus genossenschaftlicher Grundlage"
würde wahrscheinlich nur eine Folge haben: wenn
es gelänge, das erforderliche Geld durch einige
Millionen des Staates oder eines Mäoens zusammen-
zubringen, so würden in einem Jahre kein Geld mehr,
sondern nur Pfandobjekte dasein, ohne daß den:
Kunstmarkt irgendwie geholfen wäre. Der Künstler
würde Kredit nehmen und irgendwelche Sicherheiten
geben, und meistens nachher nicht in der Lage sein,
das Geld zurückzuerstatten. Dadurch würde seine
wirtschaftliche Lage auf die Dauer sicher nicht ver-
bessert werden; denn es ist keineswegs sicher, daß
sein Werk, dessen Vollendung der Vorschuß ihn: nach
Zeitlins Absicht ja ermöglichen soll, auch einen
Käufer findet. Uebrigens scheint Zeitlin die z. B.
in Düsseldorf (seit (8^), München und Berlin be-
stehenden Künstlerunterstützungsv ereine nicht zu
kennen. Diese gewähren Beihilfen in Krankheits-
fällen und Darlehen in nicht allzu hohen Beträgen
ohne schänd. Alle drei leisten sehr viel, ohne daß
ft wir sind der Meinung, daß der „wirtschaftliche
Verband deutscher Künstler", und zwar in noch ganz um-
fassenderer weise seine Tätigkeit entwickelnd als dies Zeitlin
anregt, kommen muß und kommen wird, Pier Führer zu
sein, ist, wie wir schon in der Einleitung zu den Zeitlin-
schen Darlegungen bemerkten, die Allgemeine Deutsche
Kunstgenofsenschaft an erster Stelle berufen.
Die Schriftleitung.

ihre Leistungen den Eharakter des Almosens haben;
vielmehr besteht ein Recht aus die Vereinsleistungen,
erworben durch den Beitritt zum Verein und Zahlung
des Mitgliederbeitrages. Die erheblichen Mittel
werden ausgebracht durch die regelmäßigen Beiträge
und außerordentliche Zuwendungen.
Daß das heutige Ausstellungswesen den Kunst-
markt nicht in den: Maße beeinflußt, wie es das
müßte, ist nicht zu bestreiten. Woran liegt das?
Einerseits an der Uneinigkeit der Künstlerschaft und
ihren Kämpfen, in denen die subjektive Ausübung
der Ausfiellungsjur-s das häßlichste und ver-
werflichste Kampfesmittel ist, mit dem man die Gegner
vom Markte drängt und tot macht, weil man sie
gar nicht bis vor das Publikum kommen läßt,
andererseits an der überwiegenden Stellung und
räumlichen Ausdehnung, welche den: Aus lande auf
unseren großen internationalen Ausstellungen ein-
geräumt ist. Die Hauptschuld an letzterem fällt auf
den Teil der Künstlerschaft, der im Jahre s88H- es
als eine Lebensfrage bezeichnete, internationale Aus-
stellungen nach Belieben zu veranstalten und von
dieser Zeit an eigentlich nur noch für die Aus-
länder gewirkt hat. Viele ftundcrttausende, welche
bis dahin für die deutsche Kunst zur Verfügung
standen, wandern jetzt alljährlich ins Ausland, ohne
daß die deutsche Kunst draußen entsprechende Gegen-
liebe gefunden hätte. Diese Bevorzugung aus-
ländischer Kunst, und damit die Entziehung der
Lsauptsummen vom einheimischen Kunstmarkt, ist aber
nicht allein durch die falsche Kunstpolitik verursacht
worden, sondern auch durch die maßlose An-
preisung ausländischer und die ungerecht-
fertigte ^Herabsetzung deutscher Kun st in einer-
gewissen presse und Literatur. Gewiß: Die
Kunst ist international und kennt keine Landesgrenzen,
und es wäre unrichtig und verriete einen Mangel
an Bildung, Grenzwälle gegen sie aufrichten zu
wollen. Aber inan soll dem Publikum nicht immer-
klar machen: nur das Ausländische ist gut, nur das
darfst du kaufen, sonst bist du ein Böotier. Damit
verwirrt man das Publikum nur, macht es zurück-
haltend oder führt es auf falsche Wege zu Anrecht
gegen die deutschen Künstler und zum Schaden der
deutschen Volkswirtschaft. Bei den Ausstellungen,
auf denen ein großer Teil des Kunstmarktes ab-
gehalten wird, haben also die „Künstler als Kunst-
händler" sehr schlecht abgeschnitten und sich gar nicht
bewährt.
Zusammengefaßt ist die Bilanz des „Künstlers
als Kunsthändlers" nicht besonders ermutigend:
Weder in Vereinen noch in Verbänden, weder auf
Ausstellungen noch als einzelner Verkäufer, haben
die Künstler ihre Geschäfte selber zu machen ver-
standen. Ls ist hiernach notwendig für sie, sie durch
andere besorgen zu lassen. Die eigene Regie ist zu
teuer, bleibt nur übrig — der Kunsthändler von Beruf.
Der berufsmäßige, reelle Kunsthandel ist gegen-
über dem „Künstler als Kunsthändler" wirklich das
 
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