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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 6.1906/​1907

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Zeitlin, Leon: Ein Kartell der bildenden Künstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.52068#0308

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300

Die Merkstatt der Kursiv

Heft 22.

Man hat ferner zu fragen: Soll dieser Verband nur
die wirtschaftlicher: Iuteresser: der Künstlerschaft
wahrnehmen, oder soll er auch allgemeineren Zwecken
diener:, eine Standesvertretung werden oder der-
gleichen? Und die Antwort darf wiederum als selbst-
verständlich gelter:: Nur eine Organisation, welche
sich ausschließlich die Förderung der wirt-
schaftlicher: Interessen der Künstler zur Aufgabe
stellt, ist lebensfähig, denn in allen anderen Fragen
gehen die Anschauungen der Künstler so weit aus-
einander, daß es unmöglich sein würde, sie in ihrer
Mehrzahl dauernd an einer: Verband zu fesseln. Und
endlich ist noch auf folgendes Antwort zu geben:
Soll eine solche Organisation zur Wahrung der
materiellen Interessen der Künstlerschaft die praktisch
bedeutsamste Gelegenheit zu solchen: Handel:: — der:
Verkauf der Kunstwerke — selbst ir: die Hand nehmen,
oder soll der Kunsthandel wie bisher, dem — Kunst-
handel überlassen bleibe::. Auch auf diese Frage
gibt es (für mich wenigstens) nur die Antwort: Der
Verband muß den Verkauf der vor: seinen
Mitgliedern geschaffenen Kunstwerke in die
Hand nehmen und zwar nicht nur so, daß er
gegen der: Kunsthandel konkurriert, sondern daß er
ihr: auf diesem Gebiete vollständig ausschaltet. Natür-
lich liegt mir jede Animosität gegen den Kunst-
handel im besonderen oder den Zwischenhandel im
allgemeiner: vollständig fern. Nur bin ich der
Ueberzeugung, daß er hier, wie übrigens auch auf
anderen Gebieten des wirtschaftlicher: Lebens, über-
flüssig geworden ist, daß er nichts leistet, was nicht
auch eir: Verkaufskartell der Künstler leisten könnte,
und daß er für diese Leistungen eine meist unver-
hältnismäßig hohe Entschädigung beansprucht. Und
darauf kommt es ja an, denn ein solches Verkaufs-
kartell, wie ich es mir denke, verdient nicht etwa
aus ethischen oder ästhetischen Gründer: den Vorzug
vor dem Kunsthandel in seiner heutigen Gestalt,
sondern ganz allein aus ökonomisch-technischer:
Gründen.
Die wirtschaftliche Ueberlegenheit dieses Ver-
kaufskartells nachzuweisen, macht keine besonderen
Schwierigkeiten. Aus dem Kunsthändler ist entweder
ein Kommissionär oder eir: Spekulant geworden.
Als Kommissionär jedoch vermag er nichts Besseres
zu leisten als der Angestellte eines Syndikats, der
außer festem Gehalt auch noch Tantieme erhält.
Denn das, was den Zwischenhändler zu einem im volks-
wirtschaftlichen Sinne produktiven Faktor macht: seine
Fähigkeit, den Absatzmarkt der von ihm gehandelten
Maren auszudehnen, fehlt dem Kunsthändler — und
muß ihm der Natur der Sache nach auch fehlen.
Kulturelle Bedürfnisse werden durch wirtschaftliche
Funktionäre nicht geweckt und gekräftigt. Man wird
gern glauben, daß eir: rühriger Geschäftsmann durch
seine persönliche Tüchtigkeit irgend einen Bedarfs-
artikel — eine besonders hell brennende Lampe oder
dergl. — in den Konsum einzuführen vermag. Allein
auch der unternehmendste Kunsthändler wird durch

seine Propaganda kein Bedürfnis nach Kunst wecken,
wenn eir: solches auf Grundlage einer gewisser:
Höhe der materiellen Kultur nicht schon in engerer:
oder weiterer: Kreiser: eines Volkes lebt. Die
Funktionen des Kunsthändlers sind im wesent-
licher: passiv: Er sorgt für ein Lokal, ir: dem Kunst-
werke besichtigt werden können, und er oder seine
Angestellten sind immer da, um den Interessenten
Auskunft zu geben über Künstler und Kunstwerke,
namentlich aber über die Preise der letzteren. Daß
durch seine Bemühungei: jedoch jemand, der über-
haupt nicht daran denkt, eir: Bild oder eine Skulptur
zu kaufen, hierzu veranlaßt werden könnte, erscheint
mir recht unwahrscheinlich. Der: Geschmack des
Publikums und damit die Richtung, die der Konsum
nimmt, vermag er allerdings zu bestimmen, doch ob
er sich dabei vor: rein künstlerischer: Interessen wird
leiten lasser: — auch wein: er selbst eir: feiner Kenner
ist — möchte ich ebenfalls bezweifeln. Moraus setzt
sich denn das kunstkaufende Publikum zusammen?
Aus Leuten, die etwas von Kunst verstehen oder
doch zu verstehen glauben — diese lassen sich vom
Kunsthändler gewiß nicht beeinflussen — und aus
solchen, die für ihr Geld „etwas recht Hübsches"
Haber: wollen — denen verkauft der Kunsthändler
(und er wäre eir: schwerer Narr, täte er anders),
gewiß nur das, woran er am meisten verdient.
Woran er am meister: verdient! Das aber sind die
Merke der Künstler, ir: denen er „spekuliert". Auch hier
liegt es mir durchaus fern, Bannflüche gegen die Speku-
lation im allgemeinen zu schleudern. Bei der Speku-
lation in Kunstwerken jedoch feh lt das, was ich das ver-
söhnende Moment in der Spekulation nennen möchte:
das Risiko. Dank des monopolistischen Charakters
der künstlerischer: Produktion — ich habe darüber
ir: meinem Artikel ausführlicher gesprochen -— ent-
behrt eine Spekulation auf diesem Gebiete fast jedes
Risikos. Man kann dabei eigentlich immer nur ver-
dienen. Denn mit ziemlicher Bestimmtheit läßt sich
sagen, ir: Zeitei: zunehmenden Wohlstandes steigt
über kurz oder lang der Preis eines jeder: Kunst-
werkes, besonders wenn sein Schöpfer unter dem
Druck wirtschaftlicher Not gezwungen war, es billig
loszuschlagen. Billig zu kaufen, um teuer zu ver-
kaufen, liegt nun zwar im berechtigten privatinteressc
eines jeden Händlers, aber die Volkswirtschaft kann
sich damit nur dann einverstanden erklären, wenn
sich auch ein volkswirtschaftlicher Nutzen einstellt.
Dies ist jedoch, wie ich gezeigt zu haben glaube,
beim Kunsthandel nicht der Fall. Er gleicht
im gewissen Sinne der Bodenspekulation, und
wie die dadurch Geschädigter: — das ist in diesem
Falle die Gesamtheit — ohne die persönliche Re-
spektabilität der einzelnen jenes Geschäft betreibenden
Individuen anzuzweifeln, es als volkswirtschaftlich
schädlich einzuschränken oder ganz auszuschalten suchen,
so müssen auch dort die Leidtragenden — also die
Künstler — den Kunsthandel zu beseitigen sich be-
mühen.
 
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