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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 6.1906/​1907

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Kainzbauer, Ludwig: Versteigerung nach der Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.52068#0335

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Heft 2^. Die Werkstatt der Kunst.32 c

Die Ausstellung ist geschlossen, die Kunstwerke sollen
abgeholt werden bis auf jene wenigen, welche verkauft
worden sind. Meist sind es 80—90^, auf kleineren Aus-
stellungen auch noch mehr, welche an die Stätte ihres Ent-
stehens zurückwandern sollen. Dieses zu verhindern, müssen
alle Nittel angewendet werden. Ls darf, wenn möglich,
kein Stück mehr ins Atelier zurück, und wenn über die
Selbstkosten auch nur wenige Mark verdient werden. Dieses
Zurückwandern der Bilder zu verhindern, gibt es zwei
Wege: erstens die Versteigerung, dann den Kunsthändler.
Das Betreten des ersten, die Versteigerung angenommen,
so lautet hier immer sogleich die Gegenrede, „daß die Leute
dann auf der Ausstellung nichts kaufen, sondern auf die
Versteigerung warten würden". Nun, bis jetzt haben wir
keine Versteigerungen nach Ausstellungen, die Leute kaufen
aber auch nichts oder nicht viel. Meine Ansicht in betreff
der Versteigerungen ist dagegen die, daß durchaus derjenige
Liebhaber eines Kunstwerkes, welches er gerade zu besitzen
wünschte, eben infolge der kommenden Versteigerung zusehen
muß, daß er sein Bild bekomme, weil er der Gefahr ent-
gegen geht, daß es ihm bei der Versteigerung weggeschnappt
wird; sodann weiß er ferner überhaupt nicht, ob dieses Bild
auf die Versteigerung gelangen werde. Auch ist er sehr oft
ein Fremder, der nicht immer zur Zeit der Versteigerung in
der Ausstellungsstadt sich wird aufhalten können. Also diese
Gefahr ist gering. Eine zweite Gegenrede wäre die, daß,
wie auf anderen Versteigerungen, die Trödler, hier die
Kunsthändler, herrschen würden. Auch diese Gefahr hat
nichts Belastendes, denn erstens ist es die Hauptsache, daß
überhaupt jemand der Versteigerung Aufmerksamkeit ent-
gegenbringt und zweitens wandern ja ohnehin die meisten
Bilder um geringes Geld nach der Ausstellung zum Kunst-
händler, ohne daß eine Versteigerung stattsindet. Die Ver-
steigerung hat aber vor allem den Vorteil, daß der Verkauf
in den Händen der Künstler, bezw. der Ausstellungskom-
missionen verbleibt.
Aber wer wird die vielen Bilder und anderen Kunst-
werke alle ersteigern wollen? Nun, wenn keine Versteige-
rung stattsindet, wer wird die vielen übrig gebliebenen
Werke kaufen? Also das ist, wie bei jedem anderen Handel,
immer dasselbe: Viel Nachfrage, günstige Verkaufsergebnisse,
und umgekehrt.
Wie soll nun die Versteigerung organisiert werden?
Mann sollen die Versteigerungen stattstnden?
Es scheint mir am besten, wenn die Versteigerung
sogleich nach Schluß der Ausstellung stattsindet. Natürlich
mühen auch die Grtsverhältnisse und andere Umstände zur
Bestimmung des Versteigernngstages in Betracht gezogen
werden. Wie dagegen die Versteigerung organisiert
werden könnte, denke ich mir so: Schon auf dem, bei jeder
Ausstellung üblichen, Anmeldungsformulare wäre eine
Rubrik, betreffend die Versteigerung, einzufügen, ausgefüllt
etwa wie folgt:
Versteigerung: Wird im Falle des Nichtverkaufes zur Ver-
steigerung angemeldet.
Ausrufpreis: 250 Mk., oder: nach Ermessen des Ver-
steigerers.
wird nicht abgegeben unter: 500 Mk., oder: wird nicht
abgegeben unter: dem Ausrufpreis.
Im Ausstellungskataloge wird natürlich über diese
Angelegenheit nichts gesagt. Nun prüfen wir einmal, wie
viele Kunstgegenstände wahrscheinlich zur Versteigerung ge-
langen werden: Aus dem Privatbesitze nichts, die von
Kunsthändlern ausgestellten Werke jedenfalls teilweise, die
von hervorragenden Künstlern meistens nicht.
Ich nehme mir nun ferner den Katalog der dreiund-
dreißigsten Iahresausstellung in Wien des "Jahres Z906
zur Richtschnur. Auf derselben waren q.52 Kunstwerke aus-
gestellt, davon verkäuflich 356. von diesen 356 Stück
wurden in der Ausstellung wahrscheinlich verkauft 25 Hy
(durch Staat, Kaiser, mit Geldpreisen bedachte Werke),
bleiben 267; die von besonders hervorragenden Künstlern,
welche jedenfalls auf die Versteigerung verzichten, sind mit

H7 Kunstwerken abzuziehen, bleiben 220; ebenso müssen die
ausländischen Aussteller von den Versteigerungen aus-
geschlossen werden, welche mit etwa 76 Kunstwerken ver-
treten sind. Ls bleiben mithin Kunstwerke übrig,
wenn man noch als „verschiedenes" einige abrechnet, so
bleiben etwa ^00 Kunstwerke zur Versteigerung übrig, für
eine Stadt wie Wien eine Kleinigkeit. Allerdings liegen
die Verhältnisse im Künstlerhaus in Wien infolge der
massenhaften Auszeichnungen, der Ankäufe von feiten des
Hofes, des Staates ufw. sehr günstig.
Eehen wir uns auf dieselbe weise eine andere Aus-
stellung an, z. B. die Hagenbundausstellung des vorigen
Jahres, so finden wir nach obiger Rechnung, daß dort von
;83 ausgestellten Werken t57 Kunstwerke zur Versteigerung
kommen "könnten, wir haben also in Prozenten ausgedrückt
eine für verkauf und Prämiierung ziemlich günstige Aus-
stellung (im Künstlerhans), wo von q^2 Werken nur etwa
tOO zur Versteigerung gelangen, also etwas weniger wie
25 Hy, während bei der ungünstig gestellten Ausstellung des
Hagenbundes, wo von io? Werke zur Versteigerung
kämen, also etwa 75 Hg. wenn wir das Mittel nehmen,
so kämen auf jeder Ausstellung 50 "/g der ausgestellten
Kunstwerke zur Versteigerung. Da es aber wenig so gut
ausgestattete Ausstellungen gibt, wie jene im Künstlerhause
zu Wien, so müssen wir 60 Hg zur Versteigerung annehmen.
Sehen wir uns noch einige andere große und kleine Aus-
stellungen an, wie sie mir gerade zur Hand sind, so kommen:
Salon Paris tyoö mit 2H^5 Nrn. 60 o/g — ;q^67 Werke,
München Sezession mit 2yt Nrn. 60 °/g— „
Berlin Z89t mit H702 Nrn. . . 60 2881. „
Graz (als Provinzialhauptstadt mit
geringem Kunstleben) Verein der
bildenden Künstler Steiermarks
mit 238 Nrn. 6i)0/g— z-t5 „
zur Versteigerung. Man sieht also, daß es besonders bei
den kleinen Ausstellungen gar keine Schwierigkeit für Ver-
steigerungen gibt, daß aber auch für die ganz großen Aus-
stellungen, welche nur in Weltstädten stattfänden, Aussicht
auf Erfolg vorhanden ist.
Die zu versteigernden Kunstwerke könnten in den größ-
ten Saal der Ausstellung zusammen gebracht werden. Dort
findet die Versteigerung statt. Ein gewandter Versteigerer,
ein erfahrener Mann, muß hinzugezogen werden, wenn
ein solcher nicht zu finden ist, dürfte es gut jein, die Ver-
steigerung einer in gutem Rufe stehenden Kunsthandlung
zu übergeben, welche mit einigen Prozenten honoriert wird,
da die Firma sehr wenig Spesen hätte und der Ertrag der
Prozente ein verhältnismäßig großer wäre. An der Ver-
steigerung sollen möglichst viele Künstler teilnehmen, erstens
zur Aufsicht, zweitens um sein eigenes Werk zu fördern:
im Hereinfall, um es zurück zu kaufen, dagegen bei Er-
folg, um zu treiben usw. Eine Versteigerung hat etwas
Lebendiges und Interessantes,Spannendes, oft auch Malerisches
an sich.
Und der Erfolg der Versteigerung? Dieser ist als be-
deutend anzunehmen, wenn alle Werke höher abgehen als
der Künstler den mindesten Preis angesetzt hatte; ist gut zu
nennen, wenn dieser mindeste Preis erreicht wird; ist un-
günstig zu bezeichnen, wenn nur der Ausrufpreis und eine
Kleinigkeit darüber erreicht wird. Für jeden Künstler gibt
es, wenn sie Zusammenhalten, eine Versicherung, daß mög-
liche Mißerfolge etwas gemildert werden, wie bekannt, ist
das Publikum unberechenbar. Ein minder gemaltes, lieb-
liches Mädchen wird oft überzahlt, ein vorzüglich gemachtes
Stilleben kann im Ausrufpreis bleiben, wenn es nicht gar
zurückgestellt werden muß. Alle an der Versteigerung be-
teiligten Künstler tragen zu deren Erfolg bei; es sollen da-
her auch alle gleichmäßig Nutzen haben. Nehmen wir an,
die Versteigerung habe einen Ueberschuß, die von den
Künstlern angegebenen mindesten Preise seien alle überzahlt
worden und es ergebe sich nach Summierung der mindesten
Preise und des Ertrages ein Ueberschuß z. B. von 20 o/o
(bei mindesten Preisen von zusammen 19 500 Mk. ein Erlös
 
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