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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 6.1906/​1907

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Schur, Ernst: Die Zulassung der Frauen zur Akademie
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https://doi.org/10.11588/diglit.52068#0446

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§38

Die Werkstatt der Kunst.

heft 32.

Ich greise aus die Verhandlungen des Vor-
jahres zurück, die ein ausführlicheres Bild gaben.
Da wurde aus die Petition folgendermaßen geant-
wortet: Büt Rücksicht aus das Kulturmoment, das
in den Reden und Gegenreden zu Tage trat, ist
eine Festnagelung der markanten Stellen von Wert.
In dieser Beziehung war die Rede des Abge-
ordneten Herrn Henning von erheblicher Bedeutung.
Sie hatte Kulturwert. Sie wars Schlaglichter aus
unsere heutige Kultur. Von der Entscheidung der
Abgeordneten hängt Wohl und Wehe der Entwick-
lung wenigstens in äußerer Hinsicht ab. Sie be-
willigen, sie versagen; sie debattieren, sie begraben
unter Schweigen. Und die Unzähligen, die draußen
stehen, müssen sich dieser Lenkung anbequemen. Der
Abgeordnete Herr Wünsterberg hatte die Frage
auss Tapet gebracht, die Petition nach Kräften be-
fürwortet, die einfach fordert, was anderswo schon
längst bewilligt ist, die so klar und selbstverständlich
ist, daß eigentlich gar nichts mehr dazu gesagt zu
werden braucht.
Da aber erhebt sich Herr Henning, der sich
doch als besonders berufen und kompetent erschienen
sein muß, sonst würde er sich wohl nicht so in den
Vordergrund gewagt haben. Aber er ist sicher der
Ueberzeugung, er spricht die Meinung vieler aus.
(Leider hat er damit recht. Denn die große
Masse wird im Grunde auch so phlegmatisch denken
und dieses Phlegma unter schönen Zitaten und
Vergleichen und dergl. verbergen wollen.) Herr
Henning sagte:
„Wir haben wohl aus Frauenhänden kleinere Dich-
tungen, Romane, aber ein Epos, ein großes Drama ist nie
von einer Frau geschrieben worden."
Dies ist erstens einmal unrichtig. Am Anfang
unserer Literaturgeschichte stehen die historisch bedeut-
samen Dramen der Roswitha von Gandersheim.
Wenn man an griechische Lyrik erinnert, denkt man
an Sappho. Aber dies ist von gar keinem Belang.
Selbst wenn dem so wäre, wie der Abgeordnete
behauptet, wäre darauf einmal zu erwidern, daß die
bisherige Kultur der Frau feindlich war, daß es
fraglich ist, ob die Wärmer zu großen Taten ge-
kommen wären bei ähnlicher Beschränkung. Und
selbst dann noch, wenn diese Beschränkung der Be-
gabung bedingt wäre, dann wäre eben nur zu
sagen, daß die Frau eben nach ihrer Eigenart,
meinetwegen nach ihrer Beschränkung, tätig sein
soll. Wan kann nicht mehr verlangen, als jemand
besitzt. Jeder soll sich nach den Fähigkeiten aus-
wirken, die in ihn gelegt sind.
„Liu großes, historisches Gemälde, oder ein großes
Wandgemälde, gleichviel welchen Inhalts, ist, soviel ich
weiß, nie von einer Frau geschaffen worden."
Gott sei Dank kann man sagen, was die histori-
schen Bilder anlangt. Wit den Wandgemälden stimmt
es wieder nicht. Die Wünchener Künstlerin Linda
Kögel hat die Schwabinger Kirche im Inneren
ausgemalt und hat nach dem übereinstimmenden

Urteil von Künstlern etwas ganz Eigenartiges ge-
schaffen. Sie ging aus der Konkurrenz mit Künstlern
als Siegerin hervor und die Berliner Walerin Hedwig
Weiß lieferte Wandgemälde für ein Krankenhaus.
„Der Dichter sagt ja schon: Der Manu muß hinaus
ins feindliche Leben; er muß aber auch hinaus ins freund-
liche Leben und muß allerhand Dinge durchmachen, die er
ohne Schädigung seiner Natur und seiner Kraft durchmacheu
kann, weil er von diesen Dinger: Kenntnis haben muß.
Meine Herren, wenn aber die Frauenwelt das in ähnlicher
Weise durchmachen soll und durchmachen muß, ist sie in
Gefahr, ihr Bestes bei diesem Werdegang zu verlieren."
Das Beste! Wie freundlich! Welch seelsorge-
risches Bemühen, vor allem Verletzenden zu behüten.
Leider versteckt sich unter dieser freundlichen Waske
entweder Unwissenheit oder Egoismus. Sie könnten
Schaden nehmen, die armen Frauen, die zarten
Prinzessinnen. Denn sie sehen ja und hören sonst
gar nichts. Sie gehen behütet durchs Leben, mit
Scheuklappen versehen. Und bloß, wenn sie in die
Akademie kommen würden, dann wird ihnen dort
der Schleier von den sanften, unschuldig blickenden
Augen gerissen.
Denn
„wenn der erste Rausch vorüber ist und die Frauen nach
und nach erkennen, daß sie doch ihren Beruf verfehlt haben,
ergreift sie oft ein namenloses Gefühl des verfehlten Daseins
und des Elends. Und davor möchten wir die Frauenwelt
im Interesse ihrer selbst, ihrer würde, aber auch im
Interesse des eigentlichen Berufs der Frauen gern bewahrt
wissen."
Wie rührend! Auch hier also die gleiche be-
hütende Fürsorge! Ein einzelner tritt vor die ge-
samte Frauenwelt und bewahrt sie erstens „imInteresse
ihrer selbst", dann „im Interesse ihrer würde",
drittens „im Interesse des eigentlichen Berufes" vor
dem „namenlosen Gefühl verfehlten Daseins".
Denn es droht eine große Gefahr.
„Gott bewahre uns davor, wenn dieser große Strom
der modernen Frauenemanzipationsbewegung weiter um
sich greift, daß wir auch im paus keine ordentlichen Frauen
mehr bekämen. Das greift hinein in das peiligtum unseres
Volkes, in das Familienleben."
Und nun kommt der Redner zu immer tieferen
Offenbarungen. Er spricht es keck aus:
„Ich erwähnte schon des Dilettantismus. Auch bei
unseren berufenen Künstlern herrscht jetzt ein ver-
hängnisvoller Zug zum Dilettantismus vor."
Vielleicht müßten also deswegen diese „berufe-
nen Künstler" auch von der Akademie ausgeschlossen
werden? Denn um des Dilettantismus willen,
folgerte Redner erst, sollen die Frauen von der staat-
lichen Lehrstätte ferngehalten werden.
Die so selbstverständliche Aeußerung des Grafen
Keßler, daß, die Eigenart zu erreichen, Sinn der
Kunst sei, nötigt dem Redner Ausrufe des Ent-
setzens ab.
„Die Kunst ist eine göttliche Gabe."
Daraus wäre zu entnehmen, daß Frauen und
Wärmer doch gleichberechtigt daran beteiligt sein
müssen. Oder sollte die göttliche Gnade so unge-
recht sein und nur die eine pälfte der Menschheit
 
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