Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 6.1906/​1907

DOI Artikel:
Rothe, Friedrich: Das neue Kunstschutzgesetz, [3]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.52068#0502

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Werkstatt der Runst.

Heft 36.

Ml

Verletzt aber jemand schuldhaft (d. h. vorsätz-
lich oder fahrlässig) die ausschließliche Befugnis des
Urhebers, sein Werk zu vervielfältigen, gewerbsmäßig
zu verbreiten oder mittels mechanisch-optischer Ein-
richtungen vorzusühren, so macht er sich außerdem
schadensersatzpflichtig. Diese Schadensersatzpflicht
macht sich nun leider auf dem Papier viel besser als
in der Praxis. Es gibt kaum ein Rechtsgebiet, in
welchem sich die Entstehung des Schadens und ins-
besondere seine Höhe so schwer nachweisen ließe,
wie auf dem des Urheberrechts. Und diese Schwierig-
keit wird noch dadurch erhöht, daß, wie auch im
Reichstage mit Recht betont wurde, der deutsche
Richter in der Anerkennung und Festsetzung eines
Schadens im Gegensatz zu ausländischen Gerichten
recht schwerfällig ist und von den Mitteln, mit denen
ihm das Gesetz die Prüfung des Schadensersatzan-
spruches erleichtern will, nur allzu sparsamen Ge-
brauch macht.
Viel wichtiger als der beim Schadensersatzprozeß
drohende Vermögensnachteil, der ost genug auch
hinter dem pekuniären Ertrag des Diebstahls am
geistigen Eigentum weit Zurückbleiben wird, isk da-
her die kriminelle Ahndung der Rechtsverletzungen.
Leider ist diese in einer Weise geregelt, die zu schweren
Bedenken Anlaß gibt und als ein erheblicher Rück-
schritt gegenüber dem bisherigen Rechtszustande be-
zeichnet werden muß. Während nämlich bisher neben
der vorsätzlichen auch die fahrlässige Rechtsver-
letzung strafbar war, läßt das neue Gesetz den fahr-
lässigen Eingriff in die Befugnisse des Urhebers
ungeahndet. Das Vorbild hierfür ist wie bei
vielen anderen Bestimmungen das Gesetz betreffend
das Urheberrecht an Werken der Literatur und der
Tonkunst gewesen.
Hier wie dort wurde die Beschränkung der
Strafbarkeit auf die vorsätzliche Rechtsverletzung
insbesondere mit der Begründung gefordert, daß das
Gericht eine Fahrlässigkeit schon dann als vorliegend
ansehen würde, wenn der Verleger sich beim Er-
werb eines Urheberrechts nicht über das Recht seines
Verkäufers vergewissert habe, daß also gewissermaßen
eine allgemeine Erkundigungspflicht für den
Verleger statuiert würde, die in der Praxis un-
möglich durchzuführen sei und den Handel unerträg-
lich belästigen würde. Wäre es richtig, daß die
Bestrafung der fahrlässigen Rechtsverletzung gleich-
bedeutend mit einer allgemeinen Erkundigungspflicht
sei, so ließe sich gegen den Einwand nichts vor-
bringen. In der Tat kann aber von einer solchen
Erkundigungspflicht gar keine Rede sein, wenn
man den Begriff der Fahrlässigkeit zutreffend aus-
legt, und es ist auch nicht bekannt geworden, daß
die Verleger bei dem jetzigen Rechtszustande unter einer
zu weit gehenden Auslegung des Begriffs Fahrlässig-
keit besonders gelitten hätten. Fahrlässig handelt,
wer die im Verkehr übliche Sorgfalt außer acht läßt,
und eine Fahrlässigkeit liegt also nur dann vor, wenn
der Verleger die Erkundigung unterläßt, obschon

er begründete Zweifel an seinem Vervielfältigungs-
rechte haben muß. In solchem Fall aber wäre eine
Erkundigungspflicht gewiß voll berechtigt.
Die Folgen der Nichtstrafbarkeit einer fahr-
lässigen Rechtsverletzung werden etwas dadurch ge-
mildert, daß zur Bestrafung wegen Vorsatzes auch
das Vorhandensein des sogenannten clolu8 even-
tual is genügt. Dieser in neuerer Zeit so viel ge-
nannte und von manchen Seiten heftig befehdete
Rechtsbegriff kann kurz dahin charakterisiert werden,
daß vorsätzlich auch derjenige handelt, der sich die
bloße Möglichkeit der Rechtsverletzung vorstellt, gleich-
wohl aber auf die Gefahr hin, daß der rechtsver-
letzende Erfolg eintritt, die Handlung und damit den
rechtsverletzenden Erfolg will.
Die einzelnen Strafen hier aufzuzählen, erübrigt
sich. Angedroht sind lediglich Geldstrafen, deren
Höchstmaße sich zwischen (50 und 3000 Mk. be-
wegen. Rann die Geldstrafe nicht beigetrieben werden,
so tritt an ihre Stelle Gefängnis.
Die Strafverfolgung tritt nur auf Antrag
des Verletzten ein, mit Ausnahme der unbefugten
Anbringung des Namens auf dem Werke, die die
Staatsanwaltschaft als das öffentliche Interesse ver-
letzend von Amts wegen zu verfolgen hat. Der
Antrag ist binnen drei Monaten nach Renntnis der
Rechtsverletzung zu stellen und kann bis zu der Ver-
kündung eines auf Strafe lautenden Urteils in jeder
Instanz zurückgenommen werden.
Neben der Strafe kann auf Antrag des Ver-
letzten auf eine Buße bis zur Höhe von 6000 Mk.
erkannt werden, die an Stelle des Schadensersatzes
tritt. Die Zuerkennung der Buße ist aber nur zu-
lässig bei einem auf Strafe lautenden Urteil, setzt
also im Gegensatz zum Schadensersatzanspruch vor-
sätzliche Begehung der Tat voraus.
Unabhängig von einer Bestrafung und über-
haupt von einer schuldhaften Rechtsverletzung ist da-
gegen der Anspruch des Verletzten auf Vernichtung
der widerrechtlich hergestellten, verbreiteten oder vor-
geführten Exemplare, der widerrechtlich verbreiteten
oder öffentlich zur Schau gestellten Bildnisse und der
Vorrichtungen, die zur Herbeiführung des rechtsver-
letzenden Erfolges ausschließlich bestimmt sind (Formen,
Platten, Steine usw.). Die Vernichtung erfolgt, nach-
dem den: Eigentümer gegenüber rechtskräftig auf
die Vernichtung erkannt ist. Dies kann im Straf-
prozeß und auch auf Grund einer von dem Ver-
letzten erhobenen Rlage im Zivilprozeß geschehen.
Von der Vernichtung betroffen werden aber nur
diejenigen Exemplare und Vorrichtungen, die sich im
Eigentum der an der widerrechtlichen Handlung be-
teiligten Personen und ihrer Erben befinden, nicht
also die an gutgläubige Dritte verkauften.
Die Vernichtung zerstört im Interesse eines
einzelnen und zum Schaden der Allgemeinheit Ver-
mögenswerte, ohne an ihre Stelle etwas anderes zu
setzen. Mit Recht ist aus diesem Grunde das Gesetz
bestrebt, die Vernichtung nach Möglichkeit durch
 
Annotationen