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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 6.1931

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Riezler, Walter: Gartengestaltung der "neuen Zeit"
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https://doi.org/10.11588/diglit.13708#0133

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GARTENGESTALTUNG DER „NEUEN ZEIT

W. R I E Z L E R

Schon einmal, im Jahre 1928, hat die „Form"
ein ganzes Heft den Fragen der Gartengestal-
tung gewidmet. Wer jenes Heft mit dem heutigen
vergleicht, könnte meinen, die ,,Form" sei ihrem
Programm untreu geworden: von dem, was uns
damals hauptsächlich beschäftigte und was ganz
allein im Sinne der „Form" zu sein scheint, d. h.
von den eigentlichen formalen Problemen der
Gartenbaukunst, vor allem also von dem Streit
zwischen der frei-landschaftlichen und der ar-
chitektonisch-gebundenen Gartenform ist heute
kaum mehr mit einem Worte die Rede. Liegt aber
das, wovon dieses Heft in Text und Bildern han-
delt, also der ganze Fragenkomplex der sozialen
und verkehrspolitischen Bedeutung des Gartens
und der Bepflanzung im weiteren Sinne, über-
haupt noch innerhalb des Bereiches, um den sich
die „Form" zu kümmern hat?

Wer diese Frage verneint, faßt die Aufgabe
der Werkbundzeitschrift zu eng. Je wichtiger
und grundsätzlicher man die Probleme der
„Form" oder der „Gestaltung" nimmt, desto
mehr hat man die Pflicht, immer wieder die
Grundlagen zu revidieren, aus denen die Form-
probleme erwachsen, d. h. zu untersuchen, was
denn eigentlich das ist, was gestaltet werden
muß. Und diese Frage führt heute, an der
Schwelle der „Neuen Zeit", wie überall so auch
auf dem Gebiete der Gartengestaltung zu neuen
und überraschenden Ergebnissen.

Nicht alles erneut sich radikal. Auch von den
alten Aufgaben des Gartens wächst manches in
die Gegenwart und Zukunft hinüber: die Freude
an der Schönheit der Pflanze und an dem Wun-
der des Wachsens ist heute noch ebenso wie
vor Jahrtausenden einer der Gründe, warum der
Mensch sich mit lebendigen Pflanzen umgibt,
und wenn man auch diese „ewige" Bedeutung
nicht in gleichem Sinne dem hygienischen Ge-
sichtspunkt zubilligen kann, so ist immerhin nicht
zu verkennen, daß dieser heute so wichtig ge-
nommene Gesichtspunkt schon seit vielen Jahr-
zehnten bekannt ist: Die Parks als „Lungen der
Großstadt" und als Stätten seelischer Erquik-
kung kennt und fordert man so lange, wie es

überhaupt die aus der gesundheitlichen Not der
Großstädte und aus dem Fortschritt der Wissen-
schaft geborene Hygiene gibt. Aber gerade hier
tut doch erst die Gegenwart den entscheidenden
Schritt, weist erst recht die Wege der echten
und lebendigen Gestaltung: im 19. Jahrhundert
begnügte man sich damit, Parks anzulegen oder
zu erhalten, um den Menschen Gelegenheit zu
geben spazierenzugehen, und „Vorgärten" anzu-
legen, um in der öden Steinwüste durch das Grün
eine Erfrischung zu schaffen. Wie diese Parks
und Gärten gestaltet wurden, das war ein äußer-
lich formales Problem, — Gelegenheit genug zu
Spielereien und Geschmacklosigkeiten. Erst da-
durch, daß der Sinn für die Bedürfnisse des
Körpers sich im Sport substanziierte, waren für
die Gestaltung der öffentlichen Gärten und
Grünflächen reale Grundlagen geschaffen, auf
denen sich eine ernst gesinnte Phantasie in er-
staunlich vielseitiger und großzügiger Weise be-
tätigen konnte. Die großen Volksparks, die be-
reits da und dort angelegt wurden — der Ham-
burger wohl der erste ganz großen Stils in
Deutschland —, stellen die ersten Lösungen die-
ser neuen Aufgabe dar. Inzwischen sind durch
die Ausbreitung und Differenzierung des Sport-
betriebs die realen Bedingungen noch komplizier-
ter geworden und man wird wohl in absehbarer
Zeit nur mit Einzellösungen rechnen dürfen, bis
einmal in günstigeren Jahren die Aufgabe in ihrer
ganzen Breite als einheitliche Gestaltung in An-
griff genommen werden kann. Jedenfalls ist das,
was wir in diesem Hefte an sportlich oder sonst-
wie sozial begründeten Gartenanlagen zeigen
können, erst ein Anfang, — aus dem aber schon
Wesentlichstes zu sehen ist.

Die oben schon angedeutete alte Streitfrage
— ob freie landschaftliche oder strenge architek-
tonische Gestaltung — wird im einzelnen durch
die neuen Aufgaben schon von vornherein ent-
schieden, da durch die Stadien, Rennbahnen und
die in bestimmten Abmessungen vorgeschriebe-
nen Wasserbecken ganz von selbst ein architek-
tonisches Element in die Gestaltung hineingetra-
gen wird. Aber es darf nicht vergessen werden,

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