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Baumeister: das Architektur-Magazin — 6.1908

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Muthesius, Hermann: Die Lage des Landhauses zur Sonne und zum Garten, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.52603#0118

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DER BAUMEISTER = 1907, NOVEMBER


legt sich vor die Wohnfront des
Hauses und fügt so zu den inneren
Räumen des Hauses gleichsam einen
äusseren Wohnraum, wenigstens für die
Sommermonate. Bedingung ist, dass sie
auf gleicher Ebene mit den Wohnräumen
liege, so dass man das Gefühl hat,
dass sie zum Hause gehört. Von der
Terrasse selbst führen dann Stufen in
den tieferliegenden Garten.
Ueber die Frage, wie der Garten des
Landhauses zu gestalten sei, ist in den
letzten Jahren ein heftiger Kampf ent-
brannt. Hier galt es, das Arbeitsgebiet
einer ganzen Berufsklasse, der Land-
schaftsgärtner, zu reformieren, und das
geht nie ohne Widerstand ab. Heute
ist im wesentlichen der Sieg schon
errungen. Bei der jüngeren Architekten-
generation — und bei dieser liegt die
Zukunft des deutschen Landhausbaues
— steht es fest, dass die Imitation von
Naturszenerien, wie sie der Landschafts-
gärtner auf kleinstem Gebiete vornahm,
eine Verirrung ist. Freilich bleibt noch
das Publikum zu überzeugen, und das
ist gerade hier nicht leicht. Die Spiele-
reien mit kleinen Felsengebirgen, Gebirgs-
seen, Naturbrücken gefallen dem Durch-
schnitts-„Naturfreunde“ zu sehr, als dass
er leichten Herzens darauf verzichtete.
Und wie sehr das grosse Publikum dem
Landschaftsgärtner, der diese Natur-
imitation liefert, kongenial ist, das zeigen
die heute noch in den allermeisten
Gärten zu findenden tönernen Gnomen,
Hirsche, Hunde und Hasen, mit denen

Architekten Jürgensen & Bachmann, Charlottenburg.
Inneres des Hauptraumes.
Aussicht ist die Anlage einer Terrasse von Wichtigkeit. Sie
steigert die natürlichen Bedingungen des Bauplatzes, indem
sie dem Bewohner den Genuss der Aussicht doppelt angenehm
macht. Die Aussichtsterrasse wird freilich meistens einen be-
trächtlichen Aufwand an Futtermauern erfordern, es sei denn,
dass man sich entschliesst, sich mit grasbewachsenen Bö-
schungen zufrieden zu geben. Die Terrasse selbst lässt sich
auf die verschiedenste Weise ausbilden. Ihre Umgrenzung

eine schwungvolle Industrie den deut-
schen Gartenbesitzer versorgt.
Wie ist der Hausgarten zu gestalten?
Um diese Frage zu beantworten, ist es zunächst nötig, einen
Unterschied zu machen zwischen dem kleinen, das Haus
direkt umgrenzenden Bauplatz von der Grösse der üblichen
Vorort-Bauplätze (100 bis 200 Quadratruten) und dem grossen
Landsitzgebiet von vielen Morgen. Das grosse Landsitzgebiet
ist ein Stück Natur, die das Haus umgibt und niemand wird
hier das Prinzip der architektonischen Gestaltung als einzig
mögliches hinstellen wollen. Ebensogut wie das architek-

Synagoge in Frankfurt a. M.
Blick von der West- gegen die Südempore.

kann durch eine Steinbrüstung,
durch ein Holzgeländer oder durch
eine beschnittene Hecke erfolgen,
je nach den Mitteln, die der Bau-
herr zur Verfügung stellt. Der
Terrassenboden kann mit Platten
belegt oder er kann ein Kies-
plateau sein, oder er kann auch,
wenn seine Grösse es erlaubt,
mit Blumenbeeten besetzt sein.
Gerade eine solche Blumenterrasse
mit plattenbelegten Wegen und
einer Stein- oder Holzbrüstung
ist eine wundervolle Ergänzung
des Landhauses, ganz besonders
bei hoher Lage.
Aber auch auf ebenem Gelände
ist die Terrasse eine sehr er-
wünschte Zugabe zum Hause. Sie
bildet nicht nur, rein künstlerisch
betrachtet, einen Rahmen für das
sonst unvermittelt auf dem Boden
stehende Gebäude, sondern sie
ist auch zugleich ein Mittel, einen
Uebergang aus dem Hause in
den Garten zu schaffen. Sie

Blick auf die Südempore von der Frauengarderobe aus.


tonische ist hier das landschaft-
liche Gestaltungsprinzip am Platze.
In den allermeisten Fällen wird
man sich bei der Gartengestaltung
an die bereits vorliegenden natür-
lichen Bewachsungsverhältnisse
halten können und die ganze Auf-
gabe der Gartengestaltung wird
dann wohl darin liegen, die natür-
lichen Verhältnisse in ihrem eigenen
Wesen zu steigern und ausserdem
der bequemen Benutzung durch
Anlage von Wegen, Gartenhäusern,
schattigen Plätzen usw. zugänglich
zu machen.
Vielmehr als auf den grossen
Landsitzgarten beziehen sich die
Reformbestrebungen der Gegen-
wart auf den kleinen Hausgarten.
Hier liegt das eigentliche Problem.
Wer nicht mehr als 100 Quadrat-
ruten sein eigen nennt, kann füg-
lich davon absehen, Wiesengründe,
Anhöhen, Bäche und Schluchten
um sein Haus haben zu wollen.
Es muss ihm viel näher liegen,
 
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