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Baumeister: das Architektur-Magazin — 6.1908

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Schliepmann, Hans: Vorgartenstrassen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.52603#0150

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52

DER BAUMEISTER » 1908, FEBRUAR.

Eindruck ge-
wonnen wird.
Da ist zunächst
eine Kunst-
schmiedearbei-
tenausstellung,
unterbrochen
von allerlei ge-
mauerten oder
gemeisselten
Pfeilern. Die
Unterschiedein
der Ausbildung
sagen nur, dass
der eine Besit-
zerreicheroder
geschmackvol-
ler, der andere
ärmer oder
aberwitziger
ist; im übrigen
aber haben alle
ihr bisschen
Grünes vor
Spitzbuben,
Rowdies und
unschuldigen
Spaziergängern
sorgfältig abzu-
gittern, als ob
es sich um
Tiere in einer

Arch. Hart & Lesser, Berlin. Landhaus Troplowitz, Grünewald, Delbrückstrasse.


Menagerie handelte.
Das Thema der Einfriedigung müsste an sich endlich ein-
mal der Betrachtung vom ästhetischen Standpunkte aus
unterzogen werden. Ganz allgemein kann auch sie nur von
der „Bildungsästhetik“ für mehr als
ein vielleicht notwendiges Uebel ein-
geschätzt werden. Der Bildungs-
philister nur mit seinem Maulwurfs-
gesichtsfeld ist stets mit dem pars
pro toto zufrieden; das „elegante“
Gitter oder die Sauberkeit befriedigen
seinen dunklen Drang; dass die Seele
des Natureindruckes Freiheit ist und
dass jedes Gitter alle Gedankenasso-
ziationen über menschlichen Zer-
störungstrieb, das ganze Philisterium
des Ordnungmachens wachruft, das
fühlt man längst nicht mehr. So ge-
ring die Linie der niedrigen Gitter um
die Rasenflächen im Tiergarten zu
Berlin scheint: dem Feinfühligen muss

ihr Kontrast zu dem — allerdings ja auch schon arg ver-
schnittenen — Naturpark abscheulich sein. Wer jemals den
Unterschied des Eindruckes etwa der uneingezäunten Haupt-
allee im Dresdener Grossen Garten oder der Potsdamer
Parkwunder und dagegen der Berliner
„Riesenerbbegräbnisse“ auf dem Leip-
ziger Platz auf sich einwirken liess,
kann nicht im Zweifel darüber sein,
dass jedes Gitter um eine Rasen- oder
Naturgartenfläche eine Barbarei ist.
So sind denn die Vorgartengitter der
Grossstadtstrasse recht eigentlich nur
der Spott auf die ästhetische Idee der
Anordnung.
Wie viel wirkungsvoller ein einfacher
grüner Rasenstreifen ist, der unein-
gefriedet zwischen Bürgersteig und
Häuserzeile dahinläuft, können uns
amerikanische — wahrscheinlich auch
englische — Strassen mit verblüffender
Deutlichkeit lehren. Hier wird im
Grunde nichts




beabsichtigt als
ein starker, zu-
sammenhalten-
der Farbenein-
druck und keine
Illusion eines
Wettbewerbes
mit dem Natur-
schaffen erweckt
und zerstört.
Und damit
kommen wir zu
der zweiten Be-
obachtung für
unsere Vorgar-
tenstrassen: was
ist denn nun hin-
ter den Mena-
geri egittern
wahrzunehraen ?
 
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