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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 18.1926

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Heft 4
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Stübel, Moritz: Gemälderestaurationen im 18. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0138

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Gemälderestaurationen im


18

Von MORITZ STÜBEL

I.

ES ist kein Geheimnis, daß Gemälde altern und krank werden und ihre
Schicksale haben wie Menschen und Bücher. Aber man will es nicht
wahr haben und sucht ihnen den Schein ewiger Jugend zu verleihen. Man
beschränkt sich nicht darauf, ihre Schäden auszubessern und sie vor neuen zu
sichern, man putzt und verschönt und übermalt sie und verdeckt alle Spuren,
die das Alter auf ihnen zurückgelassen hat. Nur Wenige haben den Sinn
für die Schönheit auch des Alters und können sich in die Andacht versetzen,
mit der Heinse in der Düsseldorfer Galerie Tizians nachgedunkelte Ma-
donna als den heiligen Rest von der Urgüte und Schönheit der Edelen be-
trachtete, die vor uns waren und in Dunkelheit zurückgewichen sind in das
Reich der Schatten.
Die Kunstwissenschaft muß sich abfinden mit dieser Verfälschung ihres
Tatbestandes. Aber sie darf nicht Philosophie des Als-Ob treiben und den
jetzigen Zustand der Gemälde gleichsetzen mit ihrem ursprünglichen. Sie
muß, durch alle täuschenden Zutaten hindurchschauend, den früheren Zustand
im Geiste wiederherstellen. Nur von ihm darf sie ausgehen, wenn ihre Fest-
Stellungen und Zuschreibungen wissenschaftlichen Wert haben sollen. Die
Kunstgeschichte hat das, seitdem sie Wissenschaft geworden ist, nicht ver-
kannt, aber nicht immer hat sie es beachtet. Vor allem aber hat sie es
unterlassen, die Kunde vom Restaurationswesen planmäßig auszubauen und
seine Geschichte zu schreiben. Damit hat sie sich ihre Arbeit sehr erschwert,
denn es fehlen ihr infolgedessen die technischen und geschichtlichen Ober-
sätze, auf die sie ihre Schlüsse gründen muß. und die Kenntnisse, die sie in den
Stand setzen, am Kunstwerk die Veränderungen abzulesen, die mit ihm im
Laufe der Zeiten vorgegangen sind. In jedem einzelnen Falle ist sie ge-
zwungen, besondere schwierige Untersuchungen darüber anzustellen.
Eine solche Geschichte der Gemälderestaurationen ist schwer zu schreib
ben; sie ist eine echte Geschichtswissenschaft, die nur bruchstückweise von
Bruchstücken berichtet. Denn im Verborgenen haben die Männer gearbeitet,
die die Bilder geputzt und verputzt haben. Geheimnis bedeckt ihre Tätigkeit
und keine Urkunden sind darüber aufgenommen worden. Nur vereinzelt
haben sich schriftliche oder gedruckte Nachrichten darüber erhalten. In
allen Fächern der Literatur muß man nach gelegentlichen Erwähnungen
suchen, und planmäßiges Forschen ist fast unmöglich. Aber es muß trotz-
dem an die Arbeit gegangen werden, je eher, desto besser. Denn die Quellen
werden immer älter und schwerer zu finden, und die Feststellungen an den
Kunstwerken selbst immer unsicherer und schwieriger. Es darf nicht sein,
daß die Kunstgeschichte noch länger eins ihrer wichtigsten Hilfsmittel ent-
behrt, durch das sie erst zur wirklichen Fachwissenschaft wird.
Im folgenden Abschnitt gebe ich einige Nachrichten über Gemälderestau-
rationen des 18. oder früherer Jahrhunderte. Diese aufgerafften Beispiele
sollen nur einen allgemeinen Begriff geben von dem Umfange und der Be-
deutung, die die Gemälderestauration schon in früheren Zeiten gehabt hat.
Ausführlicher berichte ich in den beiden letzten Abschnitten über die Re-
staurationsgeschichte der Dresdener Galerie; auch hier verbot aber der Raum,

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