treut, wie die schwierigen Verhältnisse es erlaubten. Die Bilder waren sehr
ungünstig untergebracht: im staubigen Johannessaale, in dem von früh bis
abends die Sonne schien und die Bilder vertrockneten und Blasen bekamen,
und im feuchten Pulverturm, wo sie moderten und faltig wurden. Monat-
lich zwei- bis dreimal fuhr Riedel auf die Festung und sah nach dem Rechten.
Er lüftete die übereinander geschichteten Bilder, rollte im Frühjahr und
Herbst die zusammengerollten Bilder auf und baute große Gestelle, um mög-
lichst viele frei stellen zu können. Den heiligen Hieronymus von Rubens
(Nr. 955), der faltig geworden war, fütterte er, die Sixtina, deren Keilrahmen
morsch geworden war, nahm er nach Dresden und gab ihr einen neuen
Rahmen; die vier großen Altargemälde von Correggio, die sämtlich von
Würmern, „die oben von besonderer Art sein“, befallen waren, befreite er
davon durch ein Mittel, das er ebenso geheimhielt wie sein „chymisches
Öl“, so daß sie „nunmehr auf Jahrhunderte dem Zahn der Zeit trotzen
können“. Während der Beschießung Dresdens 1760 blieb er Tag und Nacht
in der Galerie, um sofort bei der Hand zu sein.
Aber im Laufe der Jahre ließ seine Sorgfalt nach, der lange Umgang mit
den Bildern machte ihn gleichgültig gegen ihren Wert, und man hört recht
bedenkliche Dinge: Gemälde, die zur Restauration bestimmt Und von der
Wand genommen worden waren, ließ er oft jahrelang herumstehen. Die
schönsten Holländer, die die Privatgemächer Augusts III. geschmückt hatten
und die der Administrator Prinz Xaver 1766 der Galerie überwiesen hatte,
haben bis zum Tode Riedels, also 50 Jahre, auf dem Fußboden der Galerie
gestanden, „zu mehreren hintereinander an die Lambris gelehnt“. 16 Kisten
mit Gemälden, die 1806 vom Königstein zurückgekommen waren, standen
ebenfalls bei seinem Tode noch unausgepackt herum. Manche große restau-
rationsbedürftige Bilder stellte er an die zerbrochenen Fenster seines Ateliers,
um Wind, Regen und Sonne abzuhalten. Ein beklagenswertes Opfer dieses
Verfahrens war das große Altarbild von Garofalo (Nr. 134), das später von
Palmaroli noch weiter geschädigt wurde. Beim Füttern der Gemälde benutzte
er Kolophonium statt Kleister, zum Verstopfen von Löchern und Rissen wen-
dete er das verpönte Klebewachs an, beim Übermalen verwendete er rasch
nachdunkelnde Ölfarben. Andere Restauratoren duldete er nicht, nur in den
letzten 10 Jahren ließ er sich von seinem Enkel, dem Maler Schweigert, hel-
fen, den er in seine Geheimnisse eingeweiht hatte. Ferdinand Hartmann, der
spätere Dresdner Akademiedirektor, hat sie beide einmal beobachtet, wie sie
an Correggios Heiligem Sebastian arbeiteten, von dem die Farben in großen
Stücken abgefallen waren: Riedel tränkte den Holzgrund mit einer Mastix-
auflösung und preßte die Farbe mit den Stücken geplatzter Bomben fest. Das
Auge des Wolkenreiters, auf dem Blasen entstanden waren, kratzte er mit
einem Messer weg und ließ es durch Schweigert neu malen. —
Natürlich war es nicht unbemerkt geblieben, daß die Gemälde der Dresdner
Galerie nach und nach immer mehr in Dunkelheit verschwanden und ein-
schlugen und unansehnlich wurden. Schon Hagedorn hatte beantragt, Diet-
rich zum Obergalerieinspektor zu ernennen, damit nicht Riedel alles mit
seinem Öl heimsuche, und auch die Nachfolger Hagedorns erkannten die
Gefahr, in der die Galerie schwebte. Marcolini wurde von dem bekannten
Kunstkenner Xavier de Burtin beschworen, Riedel das fernere Restaurieren
zu untersagen. Aber das blieb ebenso erfolglos wie die öffentlichen Angriffe
Burtins in seinem Traite theorique et pratique de la Peinture. Niemand wagte
es, dem sonst so verdienten alten Herrn die Wahrheit zu sagen, und bis zu
seinem Tode hat Riedel seine verhängnisvolle Tätigkeit fortgesetzt.
134
ungünstig untergebracht: im staubigen Johannessaale, in dem von früh bis
abends die Sonne schien und die Bilder vertrockneten und Blasen bekamen,
und im feuchten Pulverturm, wo sie moderten und faltig wurden. Monat-
lich zwei- bis dreimal fuhr Riedel auf die Festung und sah nach dem Rechten.
Er lüftete die übereinander geschichteten Bilder, rollte im Frühjahr und
Herbst die zusammengerollten Bilder auf und baute große Gestelle, um mög-
lichst viele frei stellen zu können. Den heiligen Hieronymus von Rubens
(Nr. 955), der faltig geworden war, fütterte er, die Sixtina, deren Keilrahmen
morsch geworden war, nahm er nach Dresden und gab ihr einen neuen
Rahmen; die vier großen Altargemälde von Correggio, die sämtlich von
Würmern, „die oben von besonderer Art sein“, befallen waren, befreite er
davon durch ein Mittel, das er ebenso geheimhielt wie sein „chymisches
Öl“, so daß sie „nunmehr auf Jahrhunderte dem Zahn der Zeit trotzen
können“. Während der Beschießung Dresdens 1760 blieb er Tag und Nacht
in der Galerie, um sofort bei der Hand zu sein.
Aber im Laufe der Jahre ließ seine Sorgfalt nach, der lange Umgang mit
den Bildern machte ihn gleichgültig gegen ihren Wert, und man hört recht
bedenkliche Dinge: Gemälde, die zur Restauration bestimmt Und von der
Wand genommen worden waren, ließ er oft jahrelang herumstehen. Die
schönsten Holländer, die die Privatgemächer Augusts III. geschmückt hatten
und die der Administrator Prinz Xaver 1766 der Galerie überwiesen hatte,
haben bis zum Tode Riedels, also 50 Jahre, auf dem Fußboden der Galerie
gestanden, „zu mehreren hintereinander an die Lambris gelehnt“. 16 Kisten
mit Gemälden, die 1806 vom Königstein zurückgekommen waren, standen
ebenfalls bei seinem Tode noch unausgepackt herum. Manche große restau-
rationsbedürftige Bilder stellte er an die zerbrochenen Fenster seines Ateliers,
um Wind, Regen und Sonne abzuhalten. Ein beklagenswertes Opfer dieses
Verfahrens war das große Altarbild von Garofalo (Nr. 134), das später von
Palmaroli noch weiter geschädigt wurde. Beim Füttern der Gemälde benutzte
er Kolophonium statt Kleister, zum Verstopfen von Löchern und Rissen wen-
dete er das verpönte Klebewachs an, beim Übermalen verwendete er rasch
nachdunkelnde Ölfarben. Andere Restauratoren duldete er nicht, nur in den
letzten 10 Jahren ließ er sich von seinem Enkel, dem Maler Schweigert, hel-
fen, den er in seine Geheimnisse eingeweiht hatte. Ferdinand Hartmann, der
spätere Dresdner Akademiedirektor, hat sie beide einmal beobachtet, wie sie
an Correggios Heiligem Sebastian arbeiteten, von dem die Farben in großen
Stücken abgefallen waren: Riedel tränkte den Holzgrund mit einer Mastix-
auflösung und preßte die Farbe mit den Stücken geplatzter Bomben fest. Das
Auge des Wolkenreiters, auf dem Blasen entstanden waren, kratzte er mit
einem Messer weg und ließ es durch Schweigert neu malen. —
Natürlich war es nicht unbemerkt geblieben, daß die Gemälde der Dresdner
Galerie nach und nach immer mehr in Dunkelheit verschwanden und ein-
schlugen und unansehnlich wurden. Schon Hagedorn hatte beantragt, Diet-
rich zum Obergalerieinspektor zu ernennen, damit nicht Riedel alles mit
seinem Öl heimsuche, und auch die Nachfolger Hagedorns erkannten die
Gefahr, in der die Galerie schwebte. Marcolini wurde von dem bekannten
Kunstkenner Xavier de Burtin beschworen, Riedel das fernere Restaurieren
zu untersagen. Aber das blieb ebenso erfolglos wie die öffentlichen Angriffe
Burtins in seinem Traite theorique et pratique de la Peinture. Niemand wagte
es, dem sonst so verdienten alten Herrn die Wahrheit zu sagen, und bis zu
seinem Tode hat Riedel seine verhängnisvolle Tätigkeit fortgesetzt.
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