Sammlungen
brechen, nur Ausländisches zuzulassen, das
Verstorbenen englischen „Seifenkönigs“
in die französische Geschmackskunst hin-
einreicht, Autochthones dagegen als ,In-
stituts“ nicht zu stören, galt bisher als
selbstverständliche Verpflichtung eines Lu-
xembourgleiters, dem es darum schon kaum
gelang, die einheimischen authentischen
Kräfte in das Hauptmuseum zu bringen.
Die ausländische Abteilung des Museums
wird nur temporärer Ausstellungen teilhaf-
tig. Bereits ist sie wieder geschlossen, um
einer argentinischen, dann einer holländi-
schen Kunstschau Platz zu machen. Sie
ist eine Wanderausstellung zwischen Annex
und Keller. Leider läßt sich einstweilen da-
gegen nicht protestieren.
* *
*
Das künstlerische Erlebnis dieses Win-
ters war die in der Nationalbibliothek
veranstaltete Ausstellung „Das Mittel-
alter“. Sie begann bei den Überresten des
Fundes aus dem Childerichgrab und schloß
mit den Holzschnittinkunabeln des 15. Jahr-
hunderts. Unerhörte Schätze an Buch-
malereien lagen in den Schaukästen, dar-
unter solche, die noch nie einem größeren
Publikum zugänglich gemacht worden wa-
ren, wie die griechischen Manuskripte aus
dem 6.—15. Jahrhundert. Bücher waren aus-
gestellt, die man, abgesehen von der Be-
wunderung für ihren Kunstwert, nur mit
einer Reliquienehrfurcht betrachten konnte:
das Evangelarium Karls des Großen, auf
seine und seiner Gemahlin Hildegard Ver-
anlassung von Godescalc geschrieben und
ausgemalt und 781 beendet, die Bibel Karls
des Kahlen, die Apokalypse des Beatus,
genannt Saint-Sever, das große Stunden-
buch des Herzogs von Berry, die jüdischen
Altertümer von Josephus. In diesem Buch
war die Seite mit der „Einnahme von Je-
richo“ von Foucquet aufgeschlagen. Wäh-
rend die meisten anderen Werke das
hierarchische Mittelalter widerspiegeln,
man an sie wie an etwas Großartiges, aber
Fremdgewordenes herantritt, wird man von
dieser Schöpfung wie von etwas Gleich-
gestimmtem ergriffen. Die Landschaft auf
diesem Bild heimelt an wie ein Vorklang
zu Claude Lorrain, zu Corot. Der palästi-
nensische Fluß ist die Loire mit ihren
Schlössern und Dörfern. In solch frischem
Grün erscheinen die Ufer im Frühling;
Und Foucquet hat, wenn ihm auch nur
wenig nuancierte, metallische Farben zu
Gebote standen, das Atmosphärische der
fernenBäume begriffen und mit einem ganz
„modernen“ Blaugrau wiedergegeben.
Die Ausstellung enthielt noch die kost-
barsten Buchdeckel, Kameen, Münzen,. Go-
belins und Goldschmiedarbeiten. Der Er-
folg war so groß wie der der Primitiven-
ausstellung seinerzeit im Louvre. Das
Hauptverdienst daran hat der rührige Leiter
der Nationalbibliothek Marcel Roland.
Albert Dreyfus.
DAS ASIATISCHE MUSEUM IN
VENEDIG
Die Notiz im vorletzten Heft des Cice-
rone über ein neues Museum in Venedig
entspricht der Wahrheit. Die Sammlung ge-
hörte einst dem verstorbenen Prinzen Hein-
rich von Bourbon, Grafen von Bardi, und
ist nun in den Besitz des italienischen Staa-
tes gelangt, da die Erben österreichische
Untertanen sind. Die ganze Sammlung fin-
det Unterkunft im dritten Stock des Pa-
lazzo Pesaro, wo sich die internationale
Galerie befindet. Jedoch werden keine Du-
bletten versteigert. Namentlich Japan mit
seinen Lackarbeiten und Waffen ist aufs
reichste vertreten. Bemerkenswert sind die
Medizindosen (Juros) in allen Lackarten,
ein schöner Tragbaldachin und die ja-
panischen Nippsachen. Auch fehlt es nicht
an Porzellanen und Fayencen. Die vorhan-
denen Satsuma-Gegenstände bestehen größ-
tenteils aus Erzeugnissen allerfrühester Zeit.
Die Bronzekollektion enthält kunstvoll ge-
arbeitete Objekte, reich inkrustiert und mit
Gold und Silber tauschiert. Auch Elfen-
beinschnitzereien, Zellenschmelzarbeiten,
Netsukes sind in großer Zahl vorhanden.
Von Geweben und Stickereien sind Kimo-
nos, Priestermäntel und dergleichen mehr
aus Seide, Atlas und Brokat zu erwähnen.
Die Waffensammlung ist reichhaltig; es be-
finden sich in ihr sehr seltene Exemplare
von Schwertklingen alter Meister, Dolche
usw. Von Kultgegenständen sind zwei
über 1000 Jahre alte Tempelwächter aus ge-
schnitztem PIolz erwähnenswert. Die Para-
vants stammen meist aus dem 17. und 18.
Jahrhundert. An Kakemonos, Farbenholz-
schnitten, Handzeichnungen, Aquarellen
und illustrierten Büchern ist kein Mangel.
Chinaporzellan, darunter Blanc de Chine
und Sang de boeuf, ist ebenfalls vorhan-
den, ebenso sehr seltene Opfergefäße aus
Lapislazuli. Aus Borneo und Java stam-
men eine große Anzahl ethnographischer
Gegenstände, darunter zwei Kanonen aus
dem 13 .Jahrhundert. Siam ist u. a. mit einer
Marmorbüste aus Cambodja, einer Götter-
figur, vertreten. Die Sammlung umfaßt im
ganzen etwa 20000 Stücke und wurde vom
Prinzen von Bourbon auf seinen Japanrei-
sen nicht nur mit feinem Kunstgeschmack,
sondern auch mit Aufwand großer Kosten
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brechen, nur Ausländisches zuzulassen, das
Verstorbenen englischen „Seifenkönigs“
in die französische Geschmackskunst hin-
einreicht, Autochthones dagegen als ,In-
stituts“ nicht zu stören, galt bisher als
selbstverständliche Verpflichtung eines Lu-
xembourgleiters, dem es darum schon kaum
gelang, die einheimischen authentischen
Kräfte in das Hauptmuseum zu bringen.
Die ausländische Abteilung des Museums
wird nur temporärer Ausstellungen teilhaf-
tig. Bereits ist sie wieder geschlossen, um
einer argentinischen, dann einer holländi-
schen Kunstschau Platz zu machen. Sie
ist eine Wanderausstellung zwischen Annex
und Keller. Leider läßt sich einstweilen da-
gegen nicht protestieren.
* *
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Das künstlerische Erlebnis dieses Win-
ters war die in der Nationalbibliothek
veranstaltete Ausstellung „Das Mittel-
alter“. Sie begann bei den Überresten des
Fundes aus dem Childerichgrab und schloß
mit den Holzschnittinkunabeln des 15. Jahr-
hunderts. Unerhörte Schätze an Buch-
malereien lagen in den Schaukästen, dar-
unter solche, die noch nie einem größeren
Publikum zugänglich gemacht worden wa-
ren, wie die griechischen Manuskripte aus
dem 6.—15. Jahrhundert. Bücher waren aus-
gestellt, die man, abgesehen von der Be-
wunderung für ihren Kunstwert, nur mit
einer Reliquienehrfurcht betrachten konnte:
das Evangelarium Karls des Großen, auf
seine und seiner Gemahlin Hildegard Ver-
anlassung von Godescalc geschrieben und
ausgemalt und 781 beendet, die Bibel Karls
des Kahlen, die Apokalypse des Beatus,
genannt Saint-Sever, das große Stunden-
buch des Herzogs von Berry, die jüdischen
Altertümer von Josephus. In diesem Buch
war die Seite mit der „Einnahme von Je-
richo“ von Foucquet aufgeschlagen. Wäh-
rend die meisten anderen Werke das
hierarchische Mittelalter widerspiegeln,
man an sie wie an etwas Großartiges, aber
Fremdgewordenes herantritt, wird man von
dieser Schöpfung wie von etwas Gleich-
gestimmtem ergriffen. Die Landschaft auf
diesem Bild heimelt an wie ein Vorklang
zu Claude Lorrain, zu Corot. Der palästi-
nensische Fluß ist die Loire mit ihren
Schlössern und Dörfern. In solch frischem
Grün erscheinen die Ufer im Frühling;
Und Foucquet hat, wenn ihm auch nur
wenig nuancierte, metallische Farben zu
Gebote standen, das Atmosphärische der
fernenBäume begriffen und mit einem ganz
„modernen“ Blaugrau wiedergegeben.
Die Ausstellung enthielt noch die kost-
barsten Buchdeckel, Kameen, Münzen,. Go-
belins und Goldschmiedarbeiten. Der Er-
folg war so groß wie der der Primitiven-
ausstellung seinerzeit im Louvre. Das
Hauptverdienst daran hat der rührige Leiter
der Nationalbibliothek Marcel Roland.
Albert Dreyfus.
DAS ASIATISCHE MUSEUM IN
VENEDIG
Die Notiz im vorletzten Heft des Cice-
rone über ein neues Museum in Venedig
entspricht der Wahrheit. Die Sammlung ge-
hörte einst dem verstorbenen Prinzen Hein-
rich von Bourbon, Grafen von Bardi, und
ist nun in den Besitz des italienischen Staa-
tes gelangt, da die Erben österreichische
Untertanen sind. Die ganze Sammlung fin-
det Unterkunft im dritten Stock des Pa-
lazzo Pesaro, wo sich die internationale
Galerie befindet. Jedoch werden keine Du-
bletten versteigert. Namentlich Japan mit
seinen Lackarbeiten und Waffen ist aufs
reichste vertreten. Bemerkenswert sind die
Medizindosen (Juros) in allen Lackarten,
ein schöner Tragbaldachin und die ja-
panischen Nippsachen. Auch fehlt es nicht
an Porzellanen und Fayencen. Die vorhan-
denen Satsuma-Gegenstände bestehen größ-
tenteils aus Erzeugnissen allerfrühester Zeit.
Die Bronzekollektion enthält kunstvoll ge-
arbeitete Objekte, reich inkrustiert und mit
Gold und Silber tauschiert. Auch Elfen-
beinschnitzereien, Zellenschmelzarbeiten,
Netsukes sind in großer Zahl vorhanden.
Von Geweben und Stickereien sind Kimo-
nos, Priestermäntel und dergleichen mehr
aus Seide, Atlas und Brokat zu erwähnen.
Die Waffensammlung ist reichhaltig; es be-
finden sich in ihr sehr seltene Exemplare
von Schwertklingen alter Meister, Dolche
usw. Von Kultgegenständen sind zwei
über 1000 Jahre alte Tempelwächter aus ge-
schnitztem PIolz erwähnenswert. Die Para-
vants stammen meist aus dem 17. und 18.
Jahrhundert. An Kakemonos, Farbenholz-
schnitten, Handzeichnungen, Aquarellen
und illustrierten Büchern ist kein Mangel.
Chinaporzellan, darunter Blanc de Chine
und Sang de boeuf, ist ebenfalls vorhan-
den, ebenso sehr seltene Opfergefäße aus
Lapislazuli. Aus Borneo und Java stam-
men eine große Anzahl ethnographischer
Gegenstände, darunter zwei Kanonen aus
dem 13 .Jahrhundert. Siam ist u. a. mit einer
Marmorbüste aus Cambodja, einer Götter-
figur, vertreten. Die Sammlung umfaßt im
ganzen etwa 20000 Stücke und wurde vom
Prinzen von Bourbon auf seinen Japanrei-
sen nicht nur mit feinem Kunstgeschmack,
sondern auch mit Aufwand großer Kosten
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