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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 18.1926

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Heft 11
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Biermann, Georg: Ein Museum antiker Architektur in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0363

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diese grundsätzliche Einstellung auch auf andere Kulturen und kunstgeschicht-
liche Epochen ausdehnen. Denn etwa mit dem gleichen Recht, wie heute im wer-
denden Deutschen Museum ein Raum allein für das völlig uninteressante Markttor
von Milet gefordert wird, wäre jede asiatische, ägyptische oder selbst romanisch-
gotische Abteilung berechtigt, ihrerseits chinesische Architekturen, ägyptische
Pyramiden und gotische Dome museumsmäßig zu magazinieren oder neu auf-
zustellen, sobald sich für den betreffenden Abteilungsdirektor einmal eine Ge-
legenheit dieser Art ergeben sollte.
So sehr ein solcher Vergleich an sich schon das Unmögliche der Wiegand-
schen Forderung beweisen könnte, soll trotzdem mit diesem Argument die heute
akut gewordene Frage jenes antiken Architektur-Museums nicht einfach ad ab-
surdum geführt werden. Vielmehr müssen wir zugestehen, daß hier in der Tat
ein Ausnahmefall vorliegt, der in sich Berechtigung genug besitzt, um die An-
sprüche des Leiters des Berliner Antikenmuseums zu erklären. Denn dieser Fall
rührt direkt an die großen Verdienste deutscher archäologischer Wissenschaft,
die imstande war, den Pergamon-Altar für Berlin zu sichern, in Priene, Milet
und an anderen Stätten antiker Kultur zu graben und originale Dokumente für
Deutschland zu sichern. Diese Tatsachen allein, die einmal den Stolz einer
Generation ausmachten, erhärten wie von selbst auch jene musealen Ansprüche,
um die eben der neue Kampf geführt wird. Gibt also die Besonderheit des
Falles und die historische, weniger künstlerische Bedeutung der nach Berlin
verbrachten Originale — die eben anderswo, weder in Europa noch in Amerika,
ähnlich zu finden sind — dem Verlangen nach musealer Aufstellung eine nicht
zu bestreitende Berechtigung, dann handelt es sich eben letzten Endes weniger
um die Frage, ob das von Wiegand verlangte Museum antiker Architektur inner-
halb des von Messel projektierten Deutschen Museums kommen soll, sondern
nach welchen Gesichtspunkten die Aufstellung der Monumente selbst zu er-
folgen hat.
Als Messel vor vielen Jahren den ersten, inzwischen vielfach abgeänderten
Entwurf des Deutschen Museums fertigte, war der Abteilung antiker Architektur
jener breite Mitteltrakt Vorbehalten, der nach Anlage und Dimensionen mit einer
in Originalgröße aufgeführten Aufstellung all jener Monumente rechnete, die heute
nur unter Zuhilfenahme von Unmengen von Gips möglich ist, weil die verfüg-
baren Originale immer nur einen bescheidenen Teil der geplanten Rekonstruk-
tionen ausmachen. Gegen diese Art von Pseudoarchitektur und Rekonstruktion
mit den Mitteln moderner Technik wehrt sich aber mit Recht unser künstle-
risches Gefühl, ganz abgesehen davon, daß in solcher Form das Moment der
räumlichen Anlage und Wirkung in einem quadratisch museal begrenzten Innen-
raum gegenüber der ursprünglichen Aufstellung niemals richtig in Erscheinung
tritt. Wollte man diesen Pergamon-Altar oder jenes Markttor von Milet den
Berlinern in der von Wiegand projektierten Rekonstruktion wirklich ihrem ur-
sprünglichen Sinn nach auf räumliche Wirkung hin veranschaulichen, dann wäre
es schon besser, man stellte diese Monumente irgendwo in den Tiergarten oder
auf die Havelberge (je nach der räumlichen Voraussetzung der alten Anlage),
anstatt sie in einem Museumsraum um ihre ursprüngliche architektonische Funk-
tion zu betrügen und unter Verwendung von Gips und Eisen eine falsche Vor-
stellung zu wecken. (Wie grotesk solche Aufstellung wirken würde, beweisen
die zur Zeit in den Räumen des Deutschen Museums aufgestellten Modelle in
Originalgröße, die z. B. bei dem Pergamon-Altar unmögliche Raumverzerrungen
ergeben und zur Genüge erhärten, wie sehr das Kultusministerium Recht hatte,
gegen diese Art der Rekonstruktion und Aufstellung sein Veto zu erheben!)
Auch das Vorhandensein der Messelschen Räume ist kein Beweis für die Be-

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