Ein unbekanntes Bild des
Gian Francesco de’Maineri
Von G. v. TEREY
Mit einer Tafel
ENTURI hat auf Maineri aufmerksam gemacht und sich in einigen Auf-
V Sätzen mit ihm ausführlich beschäftigt1. Nachweisbar ist der Künstler, der
für die Höfe von Ferrara und Mantua gearbeitet hat, zwischen 148g und 1504.
Er wird nicht nur als Maler, sondern auch als Miniaturist genannt. Auf einem
Gemälde mit der Darstellung der heiligen Familie (früher im Besitze des Advo-
katen Ettore Testa in Ferrara2), nennt er sich „parmensis“, also aus Parma ge-
bürtig. Dieses Bild mit der vollen Namensbezeichnung bildete den Schlüs-
sel zur Rekonstruktion seiner Werke, was bei seinen Darstellungen mit der
heiligen Familie keine Schwierigkeiten verursachte, denn sie gleichen sich
außerordentlich und weichen voneinander nur wenig ab. Dies gilt von seinen
Bildern im ehemaligen Besitz von Ettore Testa, in der Berliner Galerie
(Eigentum des Kaiser-Friedrich-Museums-Vereins), in der Prado Galerie zu
Madrid und einem Bilde im Besitze von Elia Volpi in Florenz. Jedesmal
sehen wir eine Komposition von drei Figuren: links Josef, rechts Maria, die in
zierlicher Weise mit beiden, etwas emporgehobenen Händen hinter dem
Körper des Kindes ein weißes Tuch hält. (Auf dem Volpischer Bilde fehlt das
Tuch.) Auf drei der Bilder bildet eine reiche Renaissance-Architektur3 mit
Statuetten den Hintergrund, während auf dem Madrider Bilde eine felsige
Landschaft sichtbar ist.
Unlängst tauchte auf der XXX. Auktion des Ernst-Museums in Budapest
(Nr.78) eine kleine Tafel (Holz 39X37,5 cm) auf, die ohne Zweifel als ein Werk
des Gian Francesco de’ Maineri angesprochen werden kann und hier ge-
nannt werden möge, weil es in der einschlägigen Literatur nicht erwähnt ist.
Es handelt sich ebenfalls um eine heilige Familie. Die Komposition besteht
auch hier aus drei Figuren. Wiederum bilden Madonna und Kind die Haupt-
figuren, während Josef mehr in den Hintergrund tritt. Das Motiv des Empor-
hebens des weißen Tuches, welches auf drei der genannten Bilder vorkommt,
fehlt hier. Das Christuskind füllt den ganzen Vordergrund aus. Sein Kopf ist
nicht gegen die hinter ihm befindliche Mutter mit gefalteten Händen gerich-
tet, sondern vorwärts. Mit beiden Händen hält er einen Apfel. Der links
neben der Madonna stehende Josef blickt liebevoll auf das Kind herab. Hinter
dem Kopfe der Madonna ein Ausblick durch eine Fensteröffnung in eine
Landschaft, deren rückwärtigen Teil hellblaue Berge bilden. Auffallend ist die
Einstellung des Christuskindes, indem es von den Eltern abgewendet er-
scheint, wodurch der intime Kontakt, trotz des andächtigen, auf das Kind ge-
gerichteten Blickes der Mutter, nicht recht zur Geltung kommt. Auf den oben-
genannten Bildern kehrt das Christuskind in seinen stark entwickelten
Formen immer wieder, auf dem Budapester Bilde erscheint es noch kräftiger.
Die Madonna ist voller Anmut, von natürlicher Einstellung; ihr Blick ist an-
1 Archivio storico dell’ Arte 1888, S. 88—8g; L’Arte 1907, S.33ff.; Jahrbuch der Königl.
Preußischen. Kunstsammlungen, i8go, S. 183ff. — Vgl. auch Ad. Venturi, Storia dell’
Arte italiana, Bd. VII, S. 1104, woselbst die obengenannten vier Bilder abgebildet sind.
2 Wahrscheinlich identisch mit dem Bilde der Sammlung Sir Julius Wernher in
London.
3 Auf dem Bilde mit der Geißelung Christi in der Kollektion des Sir Herbert Cook
in Richmond schwelgt Maineri geradezu in den Formen der Renaissance-Architektur.
525
Gian Francesco de’Maineri
Von G. v. TEREY
Mit einer Tafel
ENTURI hat auf Maineri aufmerksam gemacht und sich in einigen Auf-
V Sätzen mit ihm ausführlich beschäftigt1. Nachweisbar ist der Künstler, der
für die Höfe von Ferrara und Mantua gearbeitet hat, zwischen 148g und 1504.
Er wird nicht nur als Maler, sondern auch als Miniaturist genannt. Auf einem
Gemälde mit der Darstellung der heiligen Familie (früher im Besitze des Advo-
katen Ettore Testa in Ferrara2), nennt er sich „parmensis“, also aus Parma ge-
bürtig. Dieses Bild mit der vollen Namensbezeichnung bildete den Schlüs-
sel zur Rekonstruktion seiner Werke, was bei seinen Darstellungen mit der
heiligen Familie keine Schwierigkeiten verursachte, denn sie gleichen sich
außerordentlich und weichen voneinander nur wenig ab. Dies gilt von seinen
Bildern im ehemaligen Besitz von Ettore Testa, in der Berliner Galerie
(Eigentum des Kaiser-Friedrich-Museums-Vereins), in der Prado Galerie zu
Madrid und einem Bilde im Besitze von Elia Volpi in Florenz. Jedesmal
sehen wir eine Komposition von drei Figuren: links Josef, rechts Maria, die in
zierlicher Weise mit beiden, etwas emporgehobenen Händen hinter dem
Körper des Kindes ein weißes Tuch hält. (Auf dem Volpischer Bilde fehlt das
Tuch.) Auf drei der Bilder bildet eine reiche Renaissance-Architektur3 mit
Statuetten den Hintergrund, während auf dem Madrider Bilde eine felsige
Landschaft sichtbar ist.
Unlängst tauchte auf der XXX. Auktion des Ernst-Museums in Budapest
(Nr.78) eine kleine Tafel (Holz 39X37,5 cm) auf, die ohne Zweifel als ein Werk
des Gian Francesco de’ Maineri angesprochen werden kann und hier ge-
nannt werden möge, weil es in der einschlägigen Literatur nicht erwähnt ist.
Es handelt sich ebenfalls um eine heilige Familie. Die Komposition besteht
auch hier aus drei Figuren. Wiederum bilden Madonna und Kind die Haupt-
figuren, während Josef mehr in den Hintergrund tritt. Das Motiv des Empor-
hebens des weißen Tuches, welches auf drei der genannten Bilder vorkommt,
fehlt hier. Das Christuskind füllt den ganzen Vordergrund aus. Sein Kopf ist
nicht gegen die hinter ihm befindliche Mutter mit gefalteten Händen gerich-
tet, sondern vorwärts. Mit beiden Händen hält er einen Apfel. Der links
neben der Madonna stehende Josef blickt liebevoll auf das Kind herab. Hinter
dem Kopfe der Madonna ein Ausblick durch eine Fensteröffnung in eine
Landschaft, deren rückwärtigen Teil hellblaue Berge bilden. Auffallend ist die
Einstellung des Christuskindes, indem es von den Eltern abgewendet er-
scheint, wodurch der intime Kontakt, trotz des andächtigen, auf das Kind ge-
gerichteten Blickes der Mutter, nicht recht zur Geltung kommt. Auf den oben-
genannten Bildern kehrt das Christuskind in seinen stark entwickelten
Formen immer wieder, auf dem Budapester Bilde erscheint es noch kräftiger.
Die Madonna ist voller Anmut, von natürlicher Einstellung; ihr Blick ist an-
1 Archivio storico dell’ Arte 1888, S. 88—8g; L’Arte 1907, S.33ff.; Jahrbuch der Königl.
Preußischen. Kunstsammlungen, i8go, S. 183ff. — Vgl. auch Ad. Venturi, Storia dell’
Arte italiana, Bd. VII, S. 1104, woselbst die obengenannten vier Bilder abgebildet sind.
2 Wahrscheinlich identisch mit dem Bilde der Sammlung Sir Julius Wernher in
London.
3 Auf dem Bilde mit der Geißelung Christi in der Kollektion des Sir Herbert Cook
in Richmond schwelgt Maineri geradezu in den Formen der Renaissance-Architektur.
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