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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 18.1926

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Heft 17
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Bier, Justus: Carl Großberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0581

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Von JUSTUS BIER / Mit vier
Abbildungen auf zwei Tafeln

Carl Großberg

DIE Kunst der „Neuen Sachlichkeit“, wie das Schlagwort lautet, unter dem
man die über den Expressionismus hinausführenden Strebungen zu-
sammenfaßt, zeigt nur in den Leistungen weniger Künstler wirkliche Kon-
sequenz. Zu diesen gehört Carl Großberg.
Seine Themen: Architektur, Bilder aus alten Städten, aber gänzlich un-
romantisch, nicht dem Reiz des Alten und Heimeligen, sondern dem des
Architektonischen und Strengen hingegeben. Fabriken, Maschinensäle, Un-
getüme von Dynamos, Walzwerken, Brennöfen, Hämmern — ohne falsche
Begeisterung vorgetragen, voll einer harten und geistigen Nüchternheit der
Betrachtung, die dem Gehäufe, Gewirr von Formen Klarheit, Zusammenhang,
Deutlichkeit der Funktion abzuringen weiß. Landschaften, weit gebreitet, mit
großen Fernen, scharf und bestimmt in allen Gründen, von einer fast geologi-
schen Durchklärung, die aber auf Detail, individuelle Bestimmtheit bis ins
Kleinste nicht verzichtet. Die reine Landschaft ist selten, neben den Dörfern
sind Stätten der Arbeit, große Fabriken, Steinbrüche, in das Bild hereingenom-
men. Die meisten der Bilder sind menschenleer, was um so stärker das nahe-
bringt, worum es in diesen Bildern geht: das Erlebnis des Raumes und der
Körper im Raum. Zugleich macht die Menschenleere diese so greifbar
wirklichen Räume seltsam fern und zeitlos. Im „Maschinensaal“, der leer im
harten Frühlicht daliegt, verstärkt sich dieser Eindruck zu nüchterner Ge-
spenstigkeit. Ein Äffchen hockt auf einem Mäuerchen im Vordergrund mit
glotzenden Augen, während eine Fledermaus über das stählern schimmernde
Walzwerk hinstreicht. Durch die riesige Fensterwand geht der Blick über
Fabriken auf Strom und Berge. Das ganze Bild von durchaus traumhafter
Erscheinung. — Dann aber gibt es wieder Bilder, in denen in flutendes Leben
hineingegriffen ist: eine Ecke in Amsterdam („Müntplein“), wo phantastische
Neubauten in die Höhe schießen, Reklameflächen ganze Wände durch-
schreien, aus vielen Straßen sich Menschen und Autos durcheinanderschieben;
aber auch hier flicht sich alles so, daß der Eindruck aus allem Fluten Ruhe ist.
Diese Andeutungen mögen genügen, um die Stoffwelt zu charakterisieren,
aus der der Künstler seine Themen holt. Örtlich bestimmt, haben für ihn
neben den Mainstädten und der Mainlandschaft — Großberg lebt in Sommer-
hausen bei Würzburg — vor allem die Großstädte, Budapest, Berlin, Amster-
dam, und die Industriebezirke, die dem in Elberfeld Geborenen ja von Jugend
an vertraut sind, Holland mit Meer, Häfen, Schiffen Anziehungskraft und
künstlerischen Reiz. —
Die gleiche Konsequenz, die den Künstler zu so gegensätzlichen Bild-
themen greifen läßt, leitet ihn auch bei der künstlerischen Durchformung. Es
ist der schärfste Unterschied zwischen der lockeren Bleistift- oder AquarelL
studie, wie sie an Ort und Stelle entsteht, ohne Selbstzweck, durchaus Vor-
studie, wenn auch mit hohem künstlerischen Reiz begabt, und dem im Atelier
als Zeichnung oder als Gemälde durchgeführten Bild. Die Bleistiftstudie,
silbrig, mit zartem, hurtigem Strich die plastische Form begrenzend, ohne jede
Ausführung der locker umrissenen Flächen. Die Zeichnung verfestigt, nicht
nur im bildmäßigen Habitus, in der Straffung und Schärfung des kompo-
sitioneilen Zusammenhangs, auch in der Einzelform, die jetzt schnurgerechte
Linien fest umspannen, kräftige und bestimmte Striche, die eine oft bis in
große Schwärzen gehende, sehr stoffliche, meist samtig wirkende Durch-

Der Cicerone, XVIII. Jahrg., Heft 17

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