ganz schlichten, unendlich einfachen und unendlich oft schon wiederholten
Motive, die das alte Thema mit homerischer Wirklichkeit füllen und mit
warmer Unmittelbarkeit durchströmen. Deutsche Madonnen aus dieser Zeit
sind doch meist feierlicher und himmlischer; alle südliche Kunst ruht auf
der Basis der Natur und nicht des Gedankens, sie nimmt das Wirkliche und
formt es mit leiser Betonnung in eine spezielle und intime Situation um. Als
junger Mensch hatte Giovanni eine blutjunge, etwa 16jährige Mutter ab-
gebildet (Beckerathsches Tabernakel), die das vor ihr auf dem Kissen spielende
Kind plötzlich hochreißt und an sich preßt, Mund zu Mund. Seine Ma-
donnen aus der Paduaner Zeit benehmen sich zurückhaltender, feierlicher und
doch nicht weniger gütig, in jener wundervollen südlichen Gelassenheit, die
wir Deutschen so oft staunend noch beim heutigen Volk beobachtet haben, so-
weit es noch nicht von Mussolinos Kommandos aufgepeitscht ist. Jede der
Madonnen Donatellos und seiner Schüler hat eine besondere Note und Situa-
tion, nicht nur als Motiv, sondern als Stimmung und Temperatur.
Ein nicht weniger interessantes Madonnenrelief mit vielen Engeln und einer
großen Predella fand ich im Palazzo Venezia in Rom, das Hermanin schon
richtig als Domenico Paris bezeichnet hat. Es ist so ungewöhnlich, daß wir
etwas näher darauf eingehen. Die thronende Maria sitzt in einem Gestühl, auf
dessen Balken rechts und links je vier musizierende Engel stehen; man unter-
scheidet Flöte, Geige, Tamburin. Die Engel sind leicht bekleidet, die Beine
meist nackt, die Bewegungen frei und locker. Und neben dem Thron acht
weitere Engel, vier als Sänger mit gekreuzten Armen und betenden Händen,
vier kleine Putten als Kranzhalter zu den Füßen der hohen Mutter. Man
glaubt das Magnificat vielstimmig und hell begleitet von Flöte und Zimbel im
jubelnden Fluß tönen zu hören. — Dagegen geht es in der Predella sehr ernst
zu; Gerichtssitzung, ein Gefesselter. Ist die auf dem Faltstuhl sitzende Ge-
stalt rechts eine Frau oder ein Richter? Drei Soldaten stehen als Leibwache
hinter ihr. Vorn links schreiten zehn Männer heran, zum Teil alt, bärtig, in
schwerem Schritt. Der eine ist nackt und gefesselt, also wohl der Übeltäter.
Welche Legende zugrunde liegen mag, es ist eine ungemein reiche, lebendige
Szene; vor allem die Figur rechts von dem Gefesselten ist ausdrucksreich.
Wie kontrastreich ist der Glanz und Jubel des Gloriabildes zu dem Ernst
dieses Verhörs!
Domenico Paris gehört auch im weiteren Sinne zur Donatelloschule. Er
ist der Schüler des Florentiners Niccolo Baroncelli, eines Schülers Brunelleschis,
der dann nach Ferrara kam, um an der Konkurrenz für das Reiterstandbild
Niccolös d’Este sich zu beteiligen. Domenico hat diese Statue 1454 vollendet
und daher den Beinamen „del Cavallo“ bekommen. Als Schwiegersohn Nic-
colos erbte er dessen Bottega und blieb in den Diensten Borso d’Estes, 1466
entstehen die zwei schönen Statuen des Georg und Maurelius im Dom von
Ferrara. Aus dem folgenden Jahr stammen die entzückenden farbigen Stuck-
figuren unter der Decke im Palazzo Schifanoia, anticamera; sieben Tugenden
mit musizierenden Putten. Berlin besitzt das feierliche, schöne Tonrelief der
das schlafende Kind anbetenden Madonna (N 275). Ein Cartapesta-Madonnen-
relief, das ich in dieser Zeitschrift vor Jahren zuerst veröffentlichte, be-
sitzt Fürst Liechtenstein in Wien, einen Stucco der Kreuzigung und der
Madonna Graf Mazzari in Ferrara. Noch 1490 wird der alternde Meister er-
wähnt, da soll er Hochzeitstruhen für Isabella d’Este zusammen mit Ercole
di Roberti geschmückt haben. Das römische Relief, das hier zum erstenmal
veröffentlicht wird, dürfte in der Zeit um 1470 entstanden sein.
Ich darf noch ein drittes Relief anfügen, das seit kurzem in das museo
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Motive, die das alte Thema mit homerischer Wirklichkeit füllen und mit
warmer Unmittelbarkeit durchströmen. Deutsche Madonnen aus dieser Zeit
sind doch meist feierlicher und himmlischer; alle südliche Kunst ruht auf
der Basis der Natur und nicht des Gedankens, sie nimmt das Wirkliche und
formt es mit leiser Betonnung in eine spezielle und intime Situation um. Als
junger Mensch hatte Giovanni eine blutjunge, etwa 16jährige Mutter ab-
gebildet (Beckerathsches Tabernakel), die das vor ihr auf dem Kissen spielende
Kind plötzlich hochreißt und an sich preßt, Mund zu Mund. Seine Ma-
donnen aus der Paduaner Zeit benehmen sich zurückhaltender, feierlicher und
doch nicht weniger gütig, in jener wundervollen südlichen Gelassenheit, die
wir Deutschen so oft staunend noch beim heutigen Volk beobachtet haben, so-
weit es noch nicht von Mussolinos Kommandos aufgepeitscht ist. Jede der
Madonnen Donatellos und seiner Schüler hat eine besondere Note und Situa-
tion, nicht nur als Motiv, sondern als Stimmung und Temperatur.
Ein nicht weniger interessantes Madonnenrelief mit vielen Engeln und einer
großen Predella fand ich im Palazzo Venezia in Rom, das Hermanin schon
richtig als Domenico Paris bezeichnet hat. Es ist so ungewöhnlich, daß wir
etwas näher darauf eingehen. Die thronende Maria sitzt in einem Gestühl, auf
dessen Balken rechts und links je vier musizierende Engel stehen; man unter-
scheidet Flöte, Geige, Tamburin. Die Engel sind leicht bekleidet, die Beine
meist nackt, die Bewegungen frei und locker. Und neben dem Thron acht
weitere Engel, vier als Sänger mit gekreuzten Armen und betenden Händen,
vier kleine Putten als Kranzhalter zu den Füßen der hohen Mutter. Man
glaubt das Magnificat vielstimmig und hell begleitet von Flöte und Zimbel im
jubelnden Fluß tönen zu hören. — Dagegen geht es in der Predella sehr ernst
zu; Gerichtssitzung, ein Gefesselter. Ist die auf dem Faltstuhl sitzende Ge-
stalt rechts eine Frau oder ein Richter? Drei Soldaten stehen als Leibwache
hinter ihr. Vorn links schreiten zehn Männer heran, zum Teil alt, bärtig, in
schwerem Schritt. Der eine ist nackt und gefesselt, also wohl der Übeltäter.
Welche Legende zugrunde liegen mag, es ist eine ungemein reiche, lebendige
Szene; vor allem die Figur rechts von dem Gefesselten ist ausdrucksreich.
Wie kontrastreich ist der Glanz und Jubel des Gloriabildes zu dem Ernst
dieses Verhörs!
Domenico Paris gehört auch im weiteren Sinne zur Donatelloschule. Er
ist der Schüler des Florentiners Niccolo Baroncelli, eines Schülers Brunelleschis,
der dann nach Ferrara kam, um an der Konkurrenz für das Reiterstandbild
Niccolös d’Este sich zu beteiligen. Domenico hat diese Statue 1454 vollendet
und daher den Beinamen „del Cavallo“ bekommen. Als Schwiegersohn Nic-
colos erbte er dessen Bottega und blieb in den Diensten Borso d’Estes, 1466
entstehen die zwei schönen Statuen des Georg und Maurelius im Dom von
Ferrara. Aus dem folgenden Jahr stammen die entzückenden farbigen Stuck-
figuren unter der Decke im Palazzo Schifanoia, anticamera; sieben Tugenden
mit musizierenden Putten. Berlin besitzt das feierliche, schöne Tonrelief der
das schlafende Kind anbetenden Madonna (N 275). Ein Cartapesta-Madonnen-
relief, das ich in dieser Zeitschrift vor Jahren zuerst veröffentlichte, be-
sitzt Fürst Liechtenstein in Wien, einen Stucco der Kreuzigung und der
Madonna Graf Mazzari in Ferrara. Noch 1490 wird der alternde Meister er-
wähnt, da soll er Hochzeitstruhen für Isabella d’Este zusammen mit Ercole
di Roberti geschmückt haben. Das römische Relief, das hier zum erstenmal
veröffentlicht wird, dürfte in der Zeit um 1470 entstanden sein.
Ich darf noch ein drittes Relief anfügen, das seit kurzem in das museo
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