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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 18.1926

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Heft 19
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Schmidt, Paul Ferdinand: Deutsch-römische Malerei und Zeichnung: zur Ausstellung im Leipziger Kunstverein
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https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0652

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Deutsch-römische Malerei
und Zeichnung
Zur Ausstellung im Leipziger Kunstverein
Mit vier Abbildungen auf zwei Tafeln Von PAUL F. SCHMIDT

DIESE Ausstellung war schon längst fällig. Sie bildet gewissermaßen eine
nachträgliche Korrektur zu der Berliner Jahrhundertschau von igoö, sie
zeigt, wie wir heute die romantische Generation von 1810 betrachten und als
selbständig erwachsene deutsche Kunsterscheinung zu würdigen wissen (und
nicht mehr als „Bruch mit der Tradition“, als mäßiger Notbehelf und Platzhalter
für den alleinseligmachenden Impressionismus). Einzelausstellungen aus der Zeit
sind in den letzten Jahren genügend voraufgegangen. Diese Schau, unternommen
vom Museum und Kunstverein in Leipzig, durchgeführt und ausgewählt von dem
verdienstvollen Dr. Teupser, gibt zum erstenmal den ganzen Kreis, zwar nicht
der deutschen Romantiker (er wäre für Leipzig zu umfassend gev/esen), doch
aber der deutschrömischen Neuerer. Sie ist so glücklich organisiert, daß man
von ihr nicht nur einen gelungenen Überblick über das heroische Jünglingswollen
jener Zeit davonträgt, sondern auch Neuentdeckungen verbuchen kann, die der
Chronist der Epoche als solcher vermerkt.
Die deutschen Künstler, die in den Jahrzehnten zwischen 1790 und 1830 sich
in Rom zusammenfanden, bilden den Kern und Stoßtrupp der Aufrührer gegen
den veralteten Rationalismus. Sehnsucht nach der Ewigen Stadt ist das Kenn-
zeichen fast jedes vorwärtsdringenden Geistes dieser Jahrzehnte. Rom war die
künstlerische Hauptstadt der Deutschen, darum hat es einen Sinn, die Rom-
fahrer unter ihnen herauszuheben unter gemeinsamer Flagge. Immerhin: so ist
letzten Endes eine Vorarbeit geleistet für die kommende alles umfassende Ro-
mantikerschau, die uns doch nur Berlin wird geben können, und für die die Zeit
allmählich reif geworden ist.
Denn dies ist ein unverrückbares Resultat: daß wir uns bei keiner antiquari-
schen Angelegenheit zu Gaste fühlen, sondern das Lebendig-Fortwirkende jener
Künstler heute ganz vor uns sehen. Hier ist beinahe zeitgemäße Form, und mit
Beglückung erleben wir die Erkenntnis, daß uns diese innerlich mehr zu sagen
haben (heute und morgen), als das Jahrhundert des malerischen Materialismus
seit 1830.
Von zwei Seiten dringt diese Erkenntnis auf uns ein. Bisher glaubten wohl
die Meisten, daß die Romantik nur eine Wiedergeburt des deutschen Linien-
gefühls sei (soweit sie helläugig genug waren, das Positive an ihr überhaupt
zu sehen). Das bestätigt sich überwältigend in der Leipziger Schau. Sie ist
ein Triumph des hohen Genius jener Zeichenkunst, die uns die Namen Dürers,
Altdorfers, Holbeins verkörpern; eine Renaissance der Intensität und Maßlosig-
keit der Empfindung, mit der der Deutsche, seinem Genius überlassen, die form-
bestimmende Linie, den Umriß wie die plastische Binnenform, handhabt. Fast
noch glückbringender aber ist das Erlebnis der Farbe. Selbst unheilbare An-
beter der „bonne peinture als Sinn aller Kunst“ werden hier einen ganz be-
sonders gearteten Sieg der Lokalfarbe feststellen müssen. Nicht gotische Glas-
fenster-Leuchtkraft, aber eine moderierte, auf Olivgrün und Samtbraun gestellte
Skala von Lasuren beherrscht die Erneuerung deutscher Koloristik. Welche un-
gemeine Varietät der Farbenwahl besitzt schon der alte J. A. Koch; seine

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