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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 18.1926

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Heft 22
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0777

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Verschiedenes

in ioo bis 200 Exemplaren erscheint, oder
daß die wenigen, die von Giulio Romano
genügend Kenntnis haben, ihn in einer gra-
phischen Sammlung aufzusuchen, an ihrem
Seelenheil in dem Maße Schaden leiden
könnten, daß sie durch Gerichtseingriff da-
vor geschützt werden müßten.
Wir stehen vor wichtigen gesetzgebe-
rischen Entscheidungen in der Frage
„Schmutz und Schund“. Da ist es in kei-
ner Weise angängig, die für wenige
gedruckten Auflagen von Erotica
und die Darstellungen aus den Zei-
ten der Vergangenheitgleichzusetzen
den pornographischen Aktphoto-
graphien, den nur auf die Lüsternheit
des Publikums und der Unmündigen
spekulierenden Witzblättern und den
in Riesenauflagen erscheinenden
Ansichtspostkarten. Das Ausschlagge-
bende dürfte die Auflageziffer sein.
Wendet sich ein Verlag an die breitesten
Kreise des Volkes, geht er also, sagen wir,
über eine Auflageziffer von 200 Exempla-
ren hinaus, so unterliegt er der Kontrolle
der öffentlichen Sittlichkeit; denn nur in
diesem Fall kann von einer „Gefahr für die
Volksmoral“ gesprochen werden. Was un-
ter dieser Ziffer liegt, ist eine Angelegen-
heit jener, die reif genug sind, ihre Sittlich-
keit selbst zu schützen. Alfred Kuhn.
DREISSIG ODER FÜNFZIG JAHRE
ZUR FRAGE DER SCHUTZFRIST
Verlagsbuchhändler Dr. Gustav Kirstein
übersendet mir eine Broschüre obigen Ti-
tels und hat die Güte, mich' um meine
Stellungnahme zu bitten.
Wie bekannt, sind Bestrebungen im Gan-
ge, die Schutzfrist für die Werke der Lite-
ratur, der Musik und der Reproduktion von
bildender Kunst von 30 auf 50 Jahre zu er-
höhen und sie somit jener der meisten an-
deren Länder anzugleichen. Dr. Kirstein
wendet sich in seiner Schrift leidenschaft-
lich dagegen, indem er das Recht der All-
gemeinheit am Besitz geistiger Dinge ver-
ficht und der Meinung Ausdruck gibt, nach
30 Jahren seien zumeist tantiemeberechtigte
Erben nicht mehr vorhanden.
Dem kann nur entgegengehalten werden,
daß, solange der Staat im allgemeinen das
Erbrecht nicht abgeschafft hat, kein Grund
vorhanden ist, für die doch wirklich nicht
mit Glücksgütern gesegneten Schriftsteller
und Künstler eine Ausnahme zu machen.
Der StaathatinnochhöheremMaße ein Inter-
esse an Bodenschätzen, und doch denkt
er nicht daran, den Erben nach 30 Jahren
das Bergwerk wegzunehmen. Verschärft
wird die Frage jedoch dadurch, daß gar

nicht, wie zumeist im Unterbewußtsein ge-
glaubt wird, tatsächlich die Allgemeinheit,
der Staat, an die Stelle der tantiemeberech-
tigten Erben tritt, sondern durchaus private
Unternehmer, die dann einfach den ganzen
Unternehmergewinn in ihre Tasche stek-
ken. Beschließt der Staat, einen Staatsver-
lag aufzumachen und dann die tantieme-
berechtigten Nachkommen in irgendeiner
Weise abzufinden, zu billigem Preis die
Werke in das Volk gelangen zu lassen, so
ließe sich allenfalls darüber reden.
Daß tatsächlich 30 Jahre nach dem Tode
eines Schriftstellers oder Musikers oder
Künstlers tantiemeberechtigte Nachkom-
men zumeist nicht vorhanden seien, läßt
sich so ohne weiteres doch kaum unter-
stellen. Man nehme doch nur den Fall, ein
Künstler oder Schriftsteller schaffe ein paar
sehr berühmte Werke zwischen seinem
zwanzigsten und fünfundzwanzigsten Jahr,
habe in dieser Zeit auch geheiratet, ein bis
zwei Nachkommen erzeugt und sei dann
plötzlich gestorben. Dreißig Jahre nach sei-
nem Tode sind die Frau ca. 50 Jahre und
die Kinder ca. 33 respektive 35 Jahre alt,
also durchaus in der Lage, von dem Erbe
ihres Vaters zu profitieren.
Man kann auch nicht sagen, daß es für
die Lebenseinnahme eines Künstlers be-
langlos sei, ob die Schutzfrist über 30 oder 50
Jahre gehe, im Gegenteil repräsentiert ein
Werk, auch wenn es pauschal verkauft
wird, eine größere Geldsumme bei 50 Jah-
ren Künstlerbesitz als bei nur 30 Jahren.
Zugegeben, daß dies für die allermeisten
der Schriftsteller, Komponisten, Kunst-
historiker, Gelehrten, Künstler reine Theo-
rie ist. In 30 Jahren wird kein Hahn mehr
nach unseren Büchern krähen. Aber es gibt
immerhin doch eine ganze Reihe Ausnah-
men, und es ist nicht einzusehen, warum aus
den oben angeführten Gründen heraus der
Berufsschriftsteller eine andere Stellung
einnehmen soll. Man kann das Mono-
polrecht eines Verlegers nach einer
bestimmten Frist beenden, aber der
Tantiemebezug der Erben — Frau und
Abkömmlinge bis zu den Enkeln —
von den neuen Verlegern, hat weiter-
zugehen. Alfred Kuhn.
BERICHTIGUNG
Dr. H. Rinnebach, der Verfasser des in
Heft 20 veröffentlichten Aufsatzes „Echt
oder Fälschung“, bittet mitteilen zu dürfen,
daß er bei dem Satz auf S. 673 „als Adolf
Furtwängler-“ übersehen habe, auf das
Werk von Adolf Donath „Die Technik des
Kunstsammelns“ zu verweisen, dem dies
Zitat entnommen wurde.

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