rußlands mit charakteristischen Proben
ihrer Kunst vertreten sind, dem Print
Room des British-Museums. —
Diese englisch-russische Künstlerentente
hat jedoch noch eine Fortsetzung gefun-
den, indem nämlich durch Vermittelung
von Mr. Campbell Dodgson, dem Kee-
per des Londoner Kupferstichkabinetts,
wiederum die englischen Graphiker sich
gegenüber dem Moskauer Kupferstich-Ka-
binett durch Übersendung einer umfangrei-
chen Sammlung ihrer Werke revanchierten,
deren größter Teil jetzt zu einer Sonder-
ausstellung vereinigt wurde.
Einige fünfzig lebende englische Graphi-
ker sind hier vertreten, wobei allerdings
viele erste Namen, wie Sir D. S. Cameron,
James McBey, Muirhead Bone, Francis
Dodd und Frank Short, ganz fehlen, ohne
die die moderne englische Radierung nicht
voll repräsentiert werden kann. Reicher
kommen Holzschnitt und Lithographie zur
Geltung. Allzu stark ist der Gesamteindruck
nicht, trotzdem moderne, englische Druck-
graphik in Originalblättern in solcher An-
zahl — die Schau umfaßt über 160 Num-
mern — in Moskau noch niemals gezeigt
werden konnte. Das durchschnittlich hohe
technische Niveau, im Vergleich mit der
russischen Produktion, kann für den Man-
gel führender Persönlichkeiten und indi-
vidueller Prägnanz nur zum Teil entschä-
digen. P. E.
DIE HERBST-AUSSTELLUNG DER
BERLINER AKADEMIE
Diese Ausstellung ist gut, weil sie gerecht
ist und lebendig. Sie zeigt, was ihr an jun-
gen Kräften erreichbar war und gliedert das
Ganze geschmackvoll. Das ist bei einer gra-
phischen Ausstellung nicht leicht; denn es
handelt sich zumeist um kleinere Objekte.
Die hohen Mittelsäle der Akademie sind da-
zu auch nicht sehr günstig. Trotzdem ist
der Eindruck durchaus befriedigend. Der
Verfasser dieses hat gehofft, mehr neueste
Graphik zu sehen und ist in diesem Punkte
enttäuscht. Von Künstlern wie: Hubbuch,
Heise, Kanoldt, Schrimpf, Holtz ist leider
nichts zu finden. Da in den letzten Jahren
durch die Stagnation auf dem deutschen
Graphikmarkt so wenig produziert worden
ist, scheint es nötig, gerade dieses Wenige
mit besonderer Liebe zu bedenken; allein,
um die Kontinuität nicht abreißen zu lassen.
Abgesehen davon hat die Akademie der
jüngsten Generation ein dankenswertes In-
teresse zugewandt. Sie verdient es durch-
aus; denn mit zähem Fleiß stellt sie die
Dinge wieder her, die in den letzten Jahr-
zehnten langsam zerfallen waren. Es sei
hier nichts gegen den Expressionismus ge-
sagt. Jede Epoche ist geschichtlich not-
wendig als ein Stück organischen Wachs-
tums. Jede Kunst kann immer nur der Aus-
druck ihrer Zeit sein. Was also gewesen
ist, war gut und wird immer als ein Monu-
ment jener Tage leben. Wie aber beispiels-
weise in der Plastik eines Rodin am Ende
der großen impressionistischen Bewegung
ein Punkt berührt war, an dem es einfach
nicht mehr weiterging, eine Reaktion ein-
setzen mußte, um die Skulptur zu den Quel-
len ihres Lebens zurückzuführen, so war in
den letzten Jahren in der expressionisti-
schen Malerei jener Augenblick erreicht, in
dem der Umschwung quasi aus dem Prin-
zip des Hegelschen Prozesses eintreten
mußte. Es gibt in der Kunst nichts Will-
kürliches, sondern immer nur einen rein
organischen Ablauf wie in der Natur selbst.
Wo eine Pflanze allzu lang der Verbindung
mit dem Mutterboden entbehrt, stirbt sie
ab. Wo sie unter nichtgemäße Lebensbe-
dingungen gebracht wird, verändert sie ihre
Form. So wird die Kunst immer wieder die
Verbindung mit der Natur suchen müssen,
eben weil sie nichts anderes ist als ein
Produkt organischen Lebens. Damit ist nicht
gesagt, daß sie nichts anderes ist und
sein könne als Nachahmung der Natur.
Weit entfernt. Aber das Material der Na-
tur muß in inniger Verbindung vorhanden
sein mit ihrem Humus, auf dem sie wächst.
Hierin liegt das Geheimnis der Sterilität des
Kubismus. Zweifellos eine Bewegung von
großem Werte, eine Disziplinierung des for-
malen Bewußtseins, eine hohe Schule der
Technik wie der Kontrapunkt. Trotzdem
aber nicht mehr als dieses. Als alleinselig-
machendes Kunstprinzip zu tödlicher Lange-
weile verurteilt, zu Unfähigkeit innerer Er-
neuerung.
Man kann die neue Bewegung nicht mit
dem Schlagwort der sogenannten „Neuen
Sachlichkeit“ fassen, insofern man, wie es
Roh getan hat, die Nebenbedeutung des
„Magischen“ damit verbindet. Das trifft in
einzelnen Fällen zu, aber faßt nicht das
Ganze. Hier handelt es sich um ein tiefes
Bedürfnis der Kunst, wieder einmal mitten
hinein in den Reichtum der Natur zu sprin-
gen, sich voll zu saugen an ihrer Fülle, von
neuem sich Rechenschaft abzulegen von
der Varietät ihrer Formen, das Repertoir zu
ergänzen, das ganz dünn geworden war.
Sehr interessant ist es zu sehen, wie selbst
ältere Künstler, große Namen der expres-
sionistischen Zeit, erfaßt worden sind von
diesem Bedürfnis. Max Pechstein hat die
großen Kartons zu den Glasfenstern des
internationalen Arbeitsamtes in Genf aus-
gestellt. Mag sein, daß er im Grunde nie
das gute Handwerk seiner Jugendjahre ver-
lernt hat. Sicher ist, daß diese Kartons voll
Naturanschauung sind, dabei zusammenge-
halten durch einen großen kompositionei-
len Aufbau.
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ihrer Kunst vertreten sind, dem Print
Room des British-Museums. —
Diese englisch-russische Künstlerentente
hat jedoch noch eine Fortsetzung gefun-
den, indem nämlich durch Vermittelung
von Mr. Campbell Dodgson, dem Kee-
per des Londoner Kupferstichkabinetts,
wiederum die englischen Graphiker sich
gegenüber dem Moskauer Kupferstich-Ka-
binett durch Übersendung einer umfangrei-
chen Sammlung ihrer Werke revanchierten,
deren größter Teil jetzt zu einer Sonder-
ausstellung vereinigt wurde.
Einige fünfzig lebende englische Graphi-
ker sind hier vertreten, wobei allerdings
viele erste Namen, wie Sir D. S. Cameron,
James McBey, Muirhead Bone, Francis
Dodd und Frank Short, ganz fehlen, ohne
die die moderne englische Radierung nicht
voll repräsentiert werden kann. Reicher
kommen Holzschnitt und Lithographie zur
Geltung. Allzu stark ist der Gesamteindruck
nicht, trotzdem moderne, englische Druck-
graphik in Originalblättern in solcher An-
zahl — die Schau umfaßt über 160 Num-
mern — in Moskau noch niemals gezeigt
werden konnte. Das durchschnittlich hohe
technische Niveau, im Vergleich mit der
russischen Produktion, kann für den Man-
gel führender Persönlichkeiten und indi-
vidueller Prägnanz nur zum Teil entschä-
digen. P. E.
DIE HERBST-AUSSTELLUNG DER
BERLINER AKADEMIE
Diese Ausstellung ist gut, weil sie gerecht
ist und lebendig. Sie zeigt, was ihr an jun-
gen Kräften erreichbar war und gliedert das
Ganze geschmackvoll. Das ist bei einer gra-
phischen Ausstellung nicht leicht; denn es
handelt sich zumeist um kleinere Objekte.
Die hohen Mittelsäle der Akademie sind da-
zu auch nicht sehr günstig. Trotzdem ist
der Eindruck durchaus befriedigend. Der
Verfasser dieses hat gehofft, mehr neueste
Graphik zu sehen und ist in diesem Punkte
enttäuscht. Von Künstlern wie: Hubbuch,
Heise, Kanoldt, Schrimpf, Holtz ist leider
nichts zu finden. Da in den letzten Jahren
durch die Stagnation auf dem deutschen
Graphikmarkt so wenig produziert worden
ist, scheint es nötig, gerade dieses Wenige
mit besonderer Liebe zu bedenken; allein,
um die Kontinuität nicht abreißen zu lassen.
Abgesehen davon hat die Akademie der
jüngsten Generation ein dankenswertes In-
teresse zugewandt. Sie verdient es durch-
aus; denn mit zähem Fleiß stellt sie die
Dinge wieder her, die in den letzten Jahr-
zehnten langsam zerfallen waren. Es sei
hier nichts gegen den Expressionismus ge-
sagt. Jede Epoche ist geschichtlich not-
wendig als ein Stück organischen Wachs-
tums. Jede Kunst kann immer nur der Aus-
druck ihrer Zeit sein. Was also gewesen
ist, war gut und wird immer als ein Monu-
ment jener Tage leben. Wie aber beispiels-
weise in der Plastik eines Rodin am Ende
der großen impressionistischen Bewegung
ein Punkt berührt war, an dem es einfach
nicht mehr weiterging, eine Reaktion ein-
setzen mußte, um die Skulptur zu den Quel-
len ihres Lebens zurückzuführen, so war in
den letzten Jahren in der expressionisti-
schen Malerei jener Augenblick erreicht, in
dem der Umschwung quasi aus dem Prin-
zip des Hegelschen Prozesses eintreten
mußte. Es gibt in der Kunst nichts Will-
kürliches, sondern immer nur einen rein
organischen Ablauf wie in der Natur selbst.
Wo eine Pflanze allzu lang der Verbindung
mit dem Mutterboden entbehrt, stirbt sie
ab. Wo sie unter nichtgemäße Lebensbe-
dingungen gebracht wird, verändert sie ihre
Form. So wird die Kunst immer wieder die
Verbindung mit der Natur suchen müssen,
eben weil sie nichts anderes ist als ein
Produkt organischen Lebens. Damit ist nicht
gesagt, daß sie nichts anderes ist und
sein könne als Nachahmung der Natur.
Weit entfernt. Aber das Material der Na-
tur muß in inniger Verbindung vorhanden
sein mit ihrem Humus, auf dem sie wächst.
Hierin liegt das Geheimnis der Sterilität des
Kubismus. Zweifellos eine Bewegung von
großem Werte, eine Disziplinierung des for-
malen Bewußtseins, eine hohe Schule der
Technik wie der Kontrapunkt. Trotzdem
aber nicht mehr als dieses. Als alleinselig-
machendes Kunstprinzip zu tödlicher Lange-
weile verurteilt, zu Unfähigkeit innerer Er-
neuerung.
Man kann die neue Bewegung nicht mit
dem Schlagwort der sogenannten „Neuen
Sachlichkeit“ fassen, insofern man, wie es
Roh getan hat, die Nebenbedeutung des
„Magischen“ damit verbindet. Das trifft in
einzelnen Fällen zu, aber faßt nicht das
Ganze. Hier handelt es sich um ein tiefes
Bedürfnis der Kunst, wieder einmal mitten
hinein in den Reichtum der Natur zu sprin-
gen, sich voll zu saugen an ihrer Fülle, von
neuem sich Rechenschaft abzulegen von
der Varietät ihrer Formen, das Repertoir zu
ergänzen, das ganz dünn geworden war.
Sehr interessant ist es zu sehen, wie selbst
ältere Künstler, große Namen der expres-
sionistischen Zeit, erfaßt worden sind von
diesem Bedürfnis. Max Pechstein hat die
großen Kartons zu den Glasfenstern des
internationalen Arbeitsamtes in Genf aus-
gestellt. Mag sein, daß er im Grunde nie
das gute Handwerk seiner Jugendjahre ver-
lernt hat. Sicher ist, daß diese Kartons voll
Naturanschauung sind, dabei zusammenge-
halten durch einen großen kompositionei-
len Aufbau.
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