Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 6.1931

DOI article:
Lotz, Wilhelm: Die Halle II auf der Bauausstellung
DOI article:
Hilberseimer, Ludwig: Die Wohnung unserer Zeit
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13708#0261

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
die Umgebung mit dazu gehört. Deutlich wird das
auch in der Hochhaus-Proklamation von Gropi-
us, bei der die Frage der großen Grünstreifen
zwischen den Häusern als ein wichtiges Argu-
ment bewertet wird. Daß man allerdings von der
Terrasse eines Wohnhochhauses in ein Stück
ganz unberührter, in süßlichen Farben gehalte-
ner Landschaft hineinsieht, ist sehr poetisch-un-
wahrscheinlich. Jedenfalls bedeutet das leben-
dige Übergehen der Räume in den Hofraum bei
dem Miesschen Haus einen wichtigeren Beitrag
zum modernen Raumproblem als ein solches
süßes Panoramabild.

Wir haben schon darauf hingewiesen, daß die
Frage des Möbels und des Wohngeräts hier in
einem ganz neuen Sinn genommen ist, der aller-
dings schon auf der Weißenhof-Siedlung ange-
deutet wurde, aber hier viel weiter ausgereift
ist. Und wenn man hier und da die Meinung hört,
besonders bei solchen, die sich unter der Thema-
stellung eine Möbelschau vorgestellt haben, in
dieser Halle sei das Möbel zu kurz gekommen,
so ist dagegen zu sagen, daß es wichtiger ist,
das Möbel nicht als einzelnes Ding zu zeigen,
sondern im Zusammenhang mit der ganzen
Wohnung an seiner richtigen Stelle. Wie un-
logisch es werden kann, wenn das nicht in der
richtigen Weise geschieht, zeigt die über den Ar-
chitekten hinweg vorgenommene Möblierung mit
unmöglichen Stücken bei den Häring-Häusern.

Über die besondere Leistung der Aufstellung
der Materialienschau haben wir schon im letz-

ten Heft gesprochen. Dazu gehört noch eine
kleine Randglosse. Eine bekannte, sonst in ihrem
Urteil sehr beachtenswerte Fachzeitschrift, es ist
die gleiche, die schon eingangs aufgeführt wurde,
schreibt dazu: „Auch die Ausstellung im Ober-
geschoß der Halle II macht betrüblicherweise kei-
nen wesentlich anderen Eindruck. Es fehlte die
starke Hand, die auch dem Zahlungsschwachen
und dessen etwaigem bedeutungsvollen Mate-
rial deutlich ans Licht geholfen hätte, die das
Überwuchern einzelner besonders Reklamelusti-
ger unterdrückt und für Vollständigkeit und eine
sichere Führungslinie gesorgt hätte. Gewiß bürgt
eine solche „Diktatur" die Gefahr des Tenden-
ziösen, aber lieber eine Tendenz als deren
zehn, die nur zu leicht die wirre Dissonanz einer
Messe ergeben." Man kann ja nicht verlangen,
daß der Referent weiß, wie die Vorarbeiten ge-
leistet worden sind, aber wenn er dem Material
nicht ansieht, daß gerade das, was er bemän-
gelt, hier im vollsten Sinne durchgeführt wurde,
dann sollte er lieber kein Urteil über eine solche
Ausstellung fällen. Gegenüber solcher Art der
Beurteilung sei noch einmal mit Nachdruck fest-
gestellt, daß Aufbau und Auswahl dieser Abtei-
lung ausstellungstechnisch eine außerordentliche
Leistung darstellen. Wir bilden im gleichen Heft
den Grundriß der Galerie ab, weil wir es für wich-
tig halten, den Grundgedanken dieser Ausstel-
lung unseren Lesern in der Skizze vorzuführen.
Einige Bilder der Materialienschau haben wir im
letzten Heft gezeigt.

DIE WOHNUNG UNSERER ZEIT

LUDWIG HILBERSEIMER

Die Weißenhofsiedlung in Stuttgart war die erste
praktische Demonstration der neuen Bestrebungen
im Wohnungsbau, dessen Entwicklung sie außer-
ordentlich beeinflußt hat. ..Die Wohnung unserer
Zeit" auf der Bauausstellung in Berlin setzt diese
Bestrebungen fort. Sie befaßt sich im Gegensatz
zu der Ausstellung in Stuttgart, wo das bürgerliche
Einfamilienhaus vorherrschte, hauptsächlich mit der
Gestaltung der verschiedenen Formen der Kleinwoh-
nung. Bedauerlich ist allerdings, daß es in Berlin
nicht möglich war, den Stuttgarter Versuch, Dauer-
bauten zu errichten, zu wiederholen. Der Zwang der
Realität hätte auch eine fester umrissene Pro-
grammstellung zur Folge gehabt, der man bei einer
reinen Ausstellung viel eher auszuweichen ge-
neigt ist.

Heute haben sich im großen ganzen klare Forde-
rungen und bestimmte Vorstellungen von dem, was
eine Kleinwohnung ist, herausgebildet. Auch die Ber-

liner Ausstellung trägt zur Klärung Wesentliches bei,
im positiven wie im negativen Sinne.

Das Problem der Kleinwohnung kann allerdings
nicht isoliert, sondern nur im Zusammenhang mit den
heutigen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen
gelöst werden. Die veränderte wirtschaftliche und
soziale Lage hat zwar die Kleinwohnung zum Kern-
punkt der ganzen Wohnungsfrage gemacht: doch ist
es bisher nicht gelungen, für die große Masse der
Bevölkerung Wohnungen herzustellen, die sie auch
bezahlen kann. Man hat daher vielfach versucht, das
Mißverhältnis zwischen den Mietpreisen und der
Zahlungsfähigkeit der Bevölkerung einfach dadurch
zu beseitigen, daß die Wohnfläche immer mehr be-
schränkt, aus der Kleinwohnung die immer noch klei-
ner werdende Wohnung gemacht wurde. Nur durch
Verkleinerung des Wohnraums ist jedoch eine
Preissenkung nicht zu erreichen, denn der Preis
einer Wohnung wächst im umgekehrten Verhältnis

249
 
Annotationen