Dazu treten oft speiseeisfarbene Kotflügel, und solche
Wagen werden wohl besonders von Anfängern bevor-
zugt, die noch nicht wissen, daß sich allein schwarze
Kotflügel einwandfrei ausbessern lassen — aber sie wer-
den es nach wenigen Tagen erfahren müssen —, denn
es gibt keinen Autofahrer, der nicht im Anfang ein paar
Kotflügel verbeult hätte.
Die Brauchbarkeit eines Automobils hängt übrigens
auch noch in anderer Beziehung von der Farbe ab: sie
sollte möglichst unaufdringlich sein. Man begegnet im
Berliner Westen gelegentlich Karosserien starker Wagen,
die von geradezu provozierend luxuriöser Farbe und
Form sind.
Protzerei und Repräsentationssucht (und, seitens der
Fabrikanten die erwähnte Angst vor der Absatzkrise)
führten übrigens noch zu weiteren seltsamen Blüten: die
amerikanische Firma Duesenberg produziert einen 265-PS-
Wagen zu einem phantastischen Preis, und Cadillac baut
nun unter anderem auch eine 16-Zylinder-Type, zu deren
Lob selbst der Prospekt der Firma eigentlich nichts weiter
anzugeben weiß als: daß es der erste 16-Zylinder-
Wagen der Welt ist; daß er für einen exklusiven Kreis
geschaffen wurde; daß es heute Personen in führender
Stellung gäbe, für deren Lebensstandard und Pflichten-
kreis usw. usw. — Was sonst über die Möglichkeit, mit
dem Wagen 160 km pro Stunde zu fahren, gesagt ist,
ist belanglos, weil das ja doch niemand brauchen kann;
denn es handelt sich nicht um einen Sportwagen.
Auf der internationalen Automobilausstellung vom
Februar 1931 hat man leider wieder Nachahmungen all
dieser verzweifelten Krisenerscheinungen gefunden — wie
es vorauszusehen war. Es ist noch Neues dazugekommen:
zum Beispiel das Steinschutzgitter in Spitzform vor dem
Flachkühler. Oder die Karosserie mit aufgemaltem Rohr-
geflecht. Die Konstrukteure sollten sich darauf besinnen,
daß im Automobilbau auf die Dauer lediglich das Ver-
nünftig-Zweckmäßig-Schöne Erfolg haben kann. Sie
sollten sich durch keinerlei modische Strömungen, durch
nichts anderes als durch sachliche Erwägungen zu neuen
Formen leiten lassen. Im übrigen sollte es ihnen klar
sein, daß es noch genügend aktuelle Probleme für den
deutschen Motorwagenbau gibt.
Es fehlt zum Beispiel der geräuschlose schnellaufende
kleine Motor — denn die jetzigen sind noch solche Kra-
keeler, daß das Fahren in den kleinen Limousinen sehr
starke Nerven erfordert.
Und dann vor allem: müßte man nicht vom Auto
ebensogut wie von einem Schiff oder Eisenbahnwagen
fordern können, daß es ohne jede Garage und bei
jedem Wetter intakt bleibt? Denn die schützenden Teile
des heutigen Wagens schützen längst noch nicht hin-
reichend, und ihre Lackierung gar ist immer noch so emp-
findlich, daß sie nicht einmal Spritzer von Spiritus ver-
tragen — und den will man bekanntlich zwangsweise
dem Brennstoff beimischen.
Doch ist auch von guten neuen Versuchen zu berichten:
Da sind vor allem die Karosserien, die Gropius für die
Adlerwerke entwarf, die mit ihren ruhigen und sauberen
Formen einen deutlichen Protest gegen Sinnwidrigkeit und
Schnörkelei demonstrierten. Da diesem Wagen ein Aus-
stellungserfolg beschieden war, so wird er in nächster
Zeit sicherlich Schule machen — hoffentlich zeigen sich
die Schüler nicht lediglich eifrig, sondern auch wirklich
verständig; denn andernfalls wäre es allerdings besser,
sie blieben bei traditionellen Formen.
Foto: Berliner Bild-Bericht
Adler, Modell Gropius
425
Wagen werden wohl besonders von Anfängern bevor-
zugt, die noch nicht wissen, daß sich allein schwarze
Kotflügel einwandfrei ausbessern lassen — aber sie wer-
den es nach wenigen Tagen erfahren müssen —, denn
es gibt keinen Autofahrer, der nicht im Anfang ein paar
Kotflügel verbeult hätte.
Die Brauchbarkeit eines Automobils hängt übrigens
auch noch in anderer Beziehung von der Farbe ab: sie
sollte möglichst unaufdringlich sein. Man begegnet im
Berliner Westen gelegentlich Karosserien starker Wagen,
die von geradezu provozierend luxuriöser Farbe und
Form sind.
Protzerei und Repräsentationssucht (und, seitens der
Fabrikanten die erwähnte Angst vor der Absatzkrise)
führten übrigens noch zu weiteren seltsamen Blüten: die
amerikanische Firma Duesenberg produziert einen 265-PS-
Wagen zu einem phantastischen Preis, und Cadillac baut
nun unter anderem auch eine 16-Zylinder-Type, zu deren
Lob selbst der Prospekt der Firma eigentlich nichts weiter
anzugeben weiß als: daß es der erste 16-Zylinder-
Wagen der Welt ist; daß er für einen exklusiven Kreis
geschaffen wurde; daß es heute Personen in führender
Stellung gäbe, für deren Lebensstandard und Pflichten-
kreis usw. usw. — Was sonst über die Möglichkeit, mit
dem Wagen 160 km pro Stunde zu fahren, gesagt ist,
ist belanglos, weil das ja doch niemand brauchen kann;
denn es handelt sich nicht um einen Sportwagen.
Auf der internationalen Automobilausstellung vom
Februar 1931 hat man leider wieder Nachahmungen all
dieser verzweifelten Krisenerscheinungen gefunden — wie
es vorauszusehen war. Es ist noch Neues dazugekommen:
zum Beispiel das Steinschutzgitter in Spitzform vor dem
Flachkühler. Oder die Karosserie mit aufgemaltem Rohr-
geflecht. Die Konstrukteure sollten sich darauf besinnen,
daß im Automobilbau auf die Dauer lediglich das Ver-
nünftig-Zweckmäßig-Schöne Erfolg haben kann. Sie
sollten sich durch keinerlei modische Strömungen, durch
nichts anderes als durch sachliche Erwägungen zu neuen
Formen leiten lassen. Im übrigen sollte es ihnen klar
sein, daß es noch genügend aktuelle Probleme für den
deutschen Motorwagenbau gibt.
Es fehlt zum Beispiel der geräuschlose schnellaufende
kleine Motor — denn die jetzigen sind noch solche Kra-
keeler, daß das Fahren in den kleinen Limousinen sehr
starke Nerven erfordert.
Und dann vor allem: müßte man nicht vom Auto
ebensogut wie von einem Schiff oder Eisenbahnwagen
fordern können, daß es ohne jede Garage und bei
jedem Wetter intakt bleibt? Denn die schützenden Teile
des heutigen Wagens schützen längst noch nicht hin-
reichend, und ihre Lackierung gar ist immer noch so emp-
findlich, daß sie nicht einmal Spritzer von Spiritus ver-
tragen — und den will man bekanntlich zwangsweise
dem Brennstoff beimischen.
Doch ist auch von guten neuen Versuchen zu berichten:
Da sind vor allem die Karosserien, die Gropius für die
Adlerwerke entwarf, die mit ihren ruhigen und sauberen
Formen einen deutlichen Protest gegen Sinnwidrigkeit und
Schnörkelei demonstrierten. Da diesem Wagen ein Aus-
stellungserfolg beschieden war, so wird er in nächster
Zeit sicherlich Schule machen — hoffentlich zeigen sich
die Schüler nicht lediglich eifrig, sondern auch wirklich
verständig; denn andernfalls wäre es allerdings besser,
sie blieben bei traditionellen Formen.
Foto: Berliner Bild-Bericht
Adler, Modell Gropius
425