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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 6.1931

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Riezler, Walter: Drei Bücher über "Technik"
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https://doi.org/10.11588/diglit.13708#0439

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Turbinenlokomotive, Bauart Krupp - Zoelly, im Schnellzugsdienst der Deutschen Reichsbahn. Leistung 2000 PS. Höchst-
geschwindigkeit 110 km/Std. Fried. Krupp Aktiengesellschaft, Abteilung Lokomotivfabrik, Essen

Drei Bücher über „Technik

W. RIE Z L E R

Die Zeit, da es nur zwei Möglichkeiten gab, sich mit
dem Problem der Technik auseinanderzusetzen — flachste
Bewunderung vom Standpunkt des Fortschrittgedankens
aus oder ebenso flache Verdammung vom Standpunkt
einer Kulturideologie aus —, scheint endgültig vorüber zu
sein. Mit jedem Jahre mehren sich die Versuche, diesem
vielleicht wichtigsten Problem unserer Tage etwas ernst-
hafter und von einem weiteren Standpunkte aus auf den
Leib zu rücken.

Der erste dieser Versuche, der größeres Aufsehen ge-
macht hat, ist Friedrich Dessauers „Philosophie der Tech-
nik", die nun schon in mehreren Auflagen erschienen ist
(Verlag Fr. Cohen, Bonn). Das Buch ist deshalb von be-
sonderem Gewicht, weil der Verfasser einerseits zugleich
Gelehrter und „Techniker", anderseits ein Führer der
katholischen Bewegung ist, was natürlich seinem Worte
eine ungewöhnliche Bedeutung verleiht — zumal da dieses
Wort zugunsten einer sehr positiven Wertung der Technik
in die Wagschale geworfen wird. In der Tat ist das
Phänomen der Technik noch niemals so ernst genommen,
so ganz positiv gewertet worden wie hier. Allerdings
nimmt er ursprünglich das Wort „Technik" weiter, als man
es meiner Meinung nach nehmen sollte, nämlich im Sinne
des „Werkzeugs", das es von Anfang der menschlichen
Kultur an gegeben hat; aber indem er im weiteren Ver-
lauf vom „vierten Reiche" spricht, an dessen Schwelle wir
stehen, engt er den Begriff doch wieder so ein, wie man
es wohl tun muß, um die Bedeutung der Technik gerade
für die Gegenwart zu begreifen.

Ein leitender Gedanke durchzieht Dessauers Buch von
Anfang bis zu Ende: daß die „Technik" — nehme man
den Begriff nun ganz weit im Sinne jeder menschlichen

Tätigkeit, die mit Hilfe von Werkzeugen auf die Er-
reichung irgendeines Zieles gerichtet ist, oder viel enger
in dem Sinne, den wir meinen, wenn wir von der Gegen-
wart als dem „technischen Zeitalter" reden —, daß die
Technik niemals im Widerspruch zur Natur stehe, daß sie
also nicht etwa einen Abfall von der Natur bedeute,
sondern im Gegenteil „selbstlosesten Anschluß an die
Natur". Und zwar ist hierbei „Natur" durchaus im katho-
lischen Sinne als das Reich Gottes verstanden. Wohl
dürfe man die Technik verstehen als den Ausdruck des
menschlichen Willens zur Befreiung von der Knechtschaft
der Natur — aber niemals im Sinne einer Feindseligkeit
gegen die Natur. Die Schöpfung pflanzt sich in der
Technik fort, in ihr bedient sich der Schöpfer des mensch-
lichen Geistes, um sein Werk weiterzubauen. „Durch sie
zieht sein Schöpfergeist ein in unsere Zeit." Wir befinden
uns „inmitten eines Schöpfungstages".

Niemals ist die Technik höher gepriesen worden. Als
Wort eines Physikers brauchte es nichts weiter zu be-
bedeuten; daß aber dieser Physiker zugleich ein tief reli-
giöser Mensch ist, verleiht seinem Worte ein besonderes
Gewicht. Sicherlich konnte nur ein Physiker so sprechen:
nur ihm offenbart sich bei seiner Arbeit unaufhörlich der
tiefe Zusammenhang mit der Natur, nur er sieht in jeder
neuen Entdeckung oder Erfindung einen Schritt weiter auf
dem Wege, den die göttliche Natur selber ging. Die
Einheit von Natur und Technik, die der Augenmensch
ahnt, wenn er die merkwürdige Verwandtschaft zwischen
natürlichen und technischen Formen wahrnimmt, sie er-
lebt der Physiker unmittelbar und mit der größten Ein-
dringlichkeit. Er weiß vor allem, daß die übliche Meinung,
als handle es sich bei der Technik nur um den Dienst am

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