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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 6.1931

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Schwab, Alexander: Baupolitik und Bauwitschaft, [18]
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https://doi.org/10.11588/diglit.13708#0491

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bis diese Zeilen im Druck erscheinen. Von den Verhand-
lungen des Ausschusses dürfte es zum Teil abhängen,
ob der Entwurf überhaupt und ob er in der jetzigen
Gestalt dem Reichstagsplenum bei seiner für den
Februar geplanten Tagung vorgelegt wird. Eine Ver-
kündung durch Notverordnung möchte man in diesem
Falle, trotz manchem, doch für unwahrscheinlich halten.

Daß die bestehende Gesetzgebung für die Bedürf-
nisse des Städtebaus völlig unzureichend ist, darin
stimmen alle Sachkenner überein, auch die Vertreter der
historisch-ästhetischen Richtung haben bisher wenigstens
Gegenteiliges nicht geäußert. Die internationalen Kon-
gresse, die im Sommer dieses Jahres in Berlin statt-
fanden, haben dieses Urteil noch einmal sehr nachdrück-
lich bestätigt, und die Bauausstellung hat zum mindesten
in dieser Richtung der Negation ausreichend anschau-
liches Beweismaterial gebracht. Leider steht nicht ebenso
eindeutig fest, was nun an die Stelle des Alten gesetzt
werden müsse. Da die Fachleute sich darüber nicht einig
sind und sich auch bei den letzten Kongressen — ab-
gesehen von technischen Einzelheiten — nicht einigen
konnten, wird man es der Ministerialbürokratie nicht ver-
denken können, wenn sie nicht in der Lage ist, von sich
aus schöpferisch neue Wege zu weisen — was ja in
dieser Materie ohnehin kaum ihre Aufgabe sein kann.
Sie hat es auch gar nicht erst versucht. Vielmehr hat
man sich darauf beschränkt, gewisse Grundbegriffe für
die Praxis brauchbar juristisch zu definieren, ein Gerüst
und einige Handhaben zur Verfügung zu stellen und das
Ganze in den bestehenden allgemeinen gesetzlichen
Rahmen hineinzupassen. Dabei ist man zum Teil weiter
gegangen als der ältere Entwurf eines Bauland-
gesetzes. Dagegen ist leider dem preußischen
Entwurf eines Städtebaugesetzes, dessen Un-
möglichkeiten seinerzeit an dieser Stelle aufgezeigt
wurden, die Möglichkeit einer künftigen realen Existenz
nicht abgeschnitten worden; im Gegenteil.

Der Entwurf enthält in fünf Abschnitten Bestimmungen
über Geländeerschließung (Planung, Umlegung und
Grenzberichtigung), Anliegerbeiträge, Baurechtliche Vor-
schriften, Bodenbeschaffung (Enteignung und Vorkaufs-
recht), Entschädigung. Ein letzter Abschnitt enthält
Schlußbestimmungen, darunter die Aufhebung der
Wohnungsnot-Verordnung vom 9. Dezember 1919. Die
zwei baupolitisch wichtigsten Fragen in diesem (wie in
jedem) Städtebaugesetz sind: die Regelung der
Zuständigkeit und die Auseinandersetzung mit
dem Grundsatz des Privateigentums. Die Zuständigkeit
ist grundsätzlich weitgehend für die gesetzliche
Regelung der Einzelheiten den Ländern, für die Praxis
der Durchführung den Gemeinden überlassen. Mit der
Eigentumsfrage setzt sich der Entwurf derart ausein-
ander, daß er — auf Grund der bekannten praktischen
Erfahrungen und in Abänderung des geltenden, jede
Bewegungsfreiheit abschnürenden Rechts — in zahlreichen
Fällen Entschädigungsansprüche wegen Beschränkung des
Eigentums ausdrücklich ausschließt, allgemeine Grund-
sätze für die landesgesetzliche Regelung der Enteignung
aufstellt, daneben die Möglichkeit einer zwangsweise
erfolgenden Umlegung vorsieht und schließlich ein
generelles Vorkaufsrecht der Gemeinde für solche Fälle
schafft, in denen an sich auch die Voraussetzungen der
Enteignung gegeben sind. Eine spätere reichsrechtliche
allgemeine Regelung des Enteignungsrechts ist dabei
ausdrücklich vorgesehen.

Als Voraussetzungen für Enteignung und Zwangs-
umlegung werden genannt: Beschaffung von Gelände

für Klein- und Mittelwohnungen einschließlich des er-
forderlichen Gartenlandes, für öffentliche Verkehrs- und
Freiflächen, für Anlegung von Kleingärten, zur Bebauung
von Baulücken und zum Ersatz von Gebäuden, die durch
Naturgewalt zerstört sind; außerdem, was von beson-
derer Bedeutung ist, wird als einer der möglichen
Zwecke zur Anwendung des Enteignungsrechts auch die
Sanierung von Wohnvierteln und Häuser-
blöcken angegeben (der Entwurf versucht für den
Fachausdruck das deutsche Wort „Gesundung" ein-
zuführen, obwohl es doch, wenn schon deutsch, richtiger
„Heilung" heißen müßte). Damit würde, in Verbindung
mit den Bestimmungen über Zwangsumlegung, die drin-
gend notwendige Grundlage für die Sanierung von Slums
geschaffen; man kann in dieser Bestimmung wohl eine
Auswirkung des diesjährigen inlernationalen Städtebau-
kongresses erblicken, der sich ja speziell mit dieser
technisch-juristischen Einzelfrage beschäftigt hat.

Neben diesen Zweckbestimmungen ist nun aber für
alle Enteignungsmaßnahmen noch eine gemeinsame
Grundvoraussetzung vorgesehen: sie können sich nur be-
ziehen auf „Grundstücke, die im Bereiche eines rechts-
verbindlich festgesetzten Bebauungsplanes liegen". Da-
mit gelangen wir zu den fragwürdigeren Teilen des Ent-
wurfs. Der Gedanke einer Unterscheidung zwischen
Wirtschaftsplänen, die nicht rechtsverbindlich,
und Bebauungsplänen, die rechtsverbindlich sein
sollen, kann zwar als förderlich anerkannt werden; auch
gegen die Bestimmung, daß die Wirtschaftspläne be-
kanntgegeben, je nach der Entwicklung abgeändert und
laufend in Zeiträumen von höchstens fünf Jahren nach-
geprüft werden sollen, wird nichts einzuwenden sein.
Dagegen muß alles, was über die Fragen der Z u -
ständigkeit und des Verfahrens gesagt wird,
lebhaften Bedenken begegnen.

Da ist zunächst der weitgehende Spielraum, der der
Gesetzgebung der Länder eingeräumt werden soll.
Sie haben das Verfahren sowohl für die Aufstellung von
Wirtschaftsplänen als auch für die Festsetzung von Be-
bauungsplänen zu bestimmen; sie können im Notfalle
Maßnahmen, von denen mehrere Gemeinden betroffen
werden, besonderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften
übertragen; sie sollen entscheiden, ob für die Zwangs-
umlegung von bebauten Grundstücken das erforderliche
dringende öffentliche Bedürfnis vorliegt; ihnen werden
die baurechtlichen Vorschriften im wesentlichen über-
lassen. Vielleicht ist es nicht anders möglich, solange die
zusammenfassende Reichsreform noch immer nicht ge-
schaffen ist. Aber dann sollte vielleicht auch erwogen
werden, ob man derartige gesetzgeberische Aufgaben
nicht überhaupt, trotz mancher Bedenken, zurückstellen
soll, bis die Reichsreform da ist. übrigens fühlt jeder
Leser dem Gesetzentwurf an, wie schwer Punkt für Punkt
die Entscheidung darüber war, wie weit man nun eigent-
lich in der reichsgesetzlichen Regelung gehen könne, und
was man den Ländern überlassen müsse. Das kann nicht
anders sein, da es in der Sache selbst eine natürliche
Grenzziehung nicht gibt und daher jeder Entscheidung
etwas Willkürliches anhaftet.

Bedenklicher noch ist die Ubergabe fast der gesamten
Praxis an die Gemeinden. Sie werden durch den
Entwurf grundsätzlich zu den Bauherren des
Städtebaus. Kein Wort gegen die Städte an sich!
Kein Wort gegen den Grundsatz der Selbstverwaltung!
Darum handelt es sich nicht.

Was sagt der Entwurf? „Der Wirtschaftsplan ist in
der Regel für das Gemeindegebiet, soweit erforderlich,

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