Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1866 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 26-49 Februar
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2795#0219

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Mlage,;m Heidetberger Zettung.

N 4lS. Mittwoch, den 28 Febrnar 1866.

Aus der Schluß-tzung des preuß.

AbgeordnctenhaoscS.

Berün, d-li 22. Febr, Jn der heutigeil
sitzung bes Hauses der Abgeordneteu,
in wclcher alle Zuhörerräume bis aus oen
letzten Platz gefüllt wareu, machte der Prä-
sident zunächsl Mittheiluug oon dem weiteren
Eiugange zahlreicher Zustimmuiigsadresseii zu
den Beschlüssen des Hauses aus Anlaß des
Obertribunalbeschlusses o, 29, o, M, aus allen
Gegenden der Monarchie, ja auch aus anderen
deutschen Staaten, wie aus Leipzig, Hanuooer,
Äraunschweig, Der Präsidem kommt dann
auf die Beschlüsse des Hauses in Betreff oer
Lauenbiirger Angelegenheit, des Obcrtribunal-
beschlusses oom 28, v, M, und oer Unter-
drückung des Kölner Abgcordueteiifestes, resp,
aus die erfolgte Zurückseiidung'dieser Beschlüsse
mit dem bekannten Sch reiben des Minister-
präsidenten vom 18, d,, zurück, indem er
sowohl diese Bejchlüsse, als auch das betreffende
schreiben des Ministerpräsidenten verliest,
Dann bemerkt der Präsident: Jch für meinen
Lheil bin der Meiiiung, daß der Miuistcrprä-
sident auf Grund des Art, 81 der Vcrsassuiig
unter allen Umständen verpflichtet geioeseu wäre,
die ihm oon mir übersaudten schreiben uud
Mittheiluiigeii zu seiuen Wten zu nehmen,
Jch will indefsen der Eutscheidung des Hauses
nicht oorgreifen, Bon Hooerbeck wiro der
der Antrag gestellt: Das Haus der Abgeord-
ueten wolle beschließen: iu Bezug auf die ge-
schäftliche Brhanöluiig des oorliegenden schrei-
bens des Ministerpräsidenteu und damit auch
über das Schreiben selbst zur eiufacheii Tages-
ordnung überzugchen, Wagener: Jn meiuem
und uieiuer polilischen Freunde Namen erhebe
ich aus Grund der Gcschäslsorduung Protest
gegen dieje Art der geschästlicheu Behandlung
des Gegenstandes. Jede Sache, über welche
oerhandelt werden soll, muß vorher auf die
Lagesordnnng gesetzt werdcn, und es lft also
eine Verletzung der Geschäftsordnung, weiin
inan zugleich mit der Frage der geschäftlichen
Bedandlung anch schon über den zn behandelu-
.den Gegeustand selbst zur Tagesorduung über-
geheu will, Präsideut Grabow: Jn der Ver-
fügung, welche ich mit dem ischreiben des
Staatsmiiiisteriums habe druckeu lassen, steht
ja bereits, daß über die Sache heute oerhan-
delt werden soll Graf Schwerin: Es han-
delt sich hier um keine Vorlage an das Haus;
zu eiuer iolchen hätte es der Genehmiguiig des
Kbnigs bedurft, Aus dem Schreiben des Mi-
nisterpräsidenteu geht nicht einmal hervor, ob
die Miuister Sr, Maj, dem Könige überhaupt
Miktheilung oou den fraglichen Bcschlüssen
dieses Hauses gemacht haben, (Lebhafte Zu-
stimimiiig,) Das Schreiben drückt ebeu nur
die Ansichten der Minister aus, und ich würde
darum anheimgebcii, keiiien Beschluß auf Lages-
ordniing zu fasse», soiiberu das Schreiben
einfach zu deu Akten zu nehmen und damit die
Sache als erledigt zu betrachten, Dr, Vir-
chow: Durch den Uebergang zur eiufachen
Tagesordnniig drückt das Haus aus, daß ber
Gegenstand uicht würdig ist, geschäftlich behau-
dell zn werden, Das Schreibeu soll nur eiiien
ueiien Zankapfel in dieses Haus und in das
Laud werfen; man möchte gerne im Lanöc
Verwirrung erzeugeu über die Berichtung der
oou uns gefaßten Beschlüsse, Das Land ist
aber durch unsere Virhandluiigen hinreichend
aufgeklärt. v. Hoverbeck stimmt dem Vor-
redner bei, Wagener: Zch lege keiuen Werth
darauf, daß über das Schreibe» des Minister-
präsidenteu eine lange Discussion stattstnde,
Jch Gegentheil: gerade die Tagesordnuug ent-
spricht unseren (der Konseroatioen) Znteressen
am besteu. Sie möchten, meine Herren, im-
poniren, man wird einen solchen Beschluß aber
nicht für chien tapfern hallen, Sie befinden
sich eben in Verlegenheit, iu ciner Sackgasse,

! (Widerspruch links.) Als Minderheit müffen
! wir einen Werth darauf legen, daß die Ge-
! schäftsordnung, die unser Schutz ist, streng
! erfüllt werde, o, Hennig: Man mußdasGe-
geutzeil thun von oem, was der Feind uns
räth, Der Vorredner oersteht nicht die Stel-
lung unserer Partei, aber ganz Prenßen, ganz
Europa oersteht sie, Es ist uns ein Schrei-
beu zugegangen, in welchem die Staats-
regierung sich etwas anmaßt, was ihr nicht
zukommt, Wir stnd nicht berufen, die falschen
Positionen der Staatsregierung in jedem Augen-
blicke zu widerlegen; wir behandeln dieses
schreiben einfach, wie mau jede andere Unge-
bührlichkeit behandelt: wir gehen über daffelbe
zur einsachen Tagesordnung über, o, Gott-
berg: Jch muß der Ausicht des GrafeuSchwe-
rin über die Bedeutung deS Schreibeus entge-
gentreten; das Schreiben geht oom Staatsmi-
uisterium aus, uud das Staatsmiliifterium ist
der Vertreter Sr, Majestät, (Ol O! u»v
Heiterkeit ) 'Jch stimme auch für die einsache
Tagesordnuug, aber uur deßhalb, weil ich Alles,
was das schreiben besagt, als vollkommen
richlig anerkenne. v, Hooerbeck: Jch muß
gestehen,. daß mein gegenwirtiger Antrag inir
zuerst schwächlich erschien, Aber ich habe mir
sagen müssen: das Schreiben ist nichts weiter,
als eine Beleidigung, und wir haben hier An-
deres zu thuu, als uns mit Beleidigungen
abzugeben, Welche Gründe hatte die Staatsl
regierung, so schroff gegeu das Haus aufzutre-
teu? Die NorddeutW Allgemeine Zeitung
giebt die Autwort daraus: das Ministerium
Bismarck, so will man glanben macheu, schütze
die Verfassung (Heiterkeit), uud gegeu das
Haus will man eiue Verfolgung im grohen
ivlaßstabe wegen — und oas isl ueu — der
Abstiinmungen der ciiizelnen Mitglieder, So
weit war die Jnterpretanon bis jetzr noch nichl
geschritten, uno darum wollen wir es auch
jetzt durch ilnsere Abstimmung dein Ministerium
recht bequem inachen, Der Reduer gieit dann
dent Präsideuten den Rath, dic Beschlüsse des
Hauses der Staatsregierung künftig lieber gar
uicht mehr zu überseiiden, sonderu es der Siaats-
regieruug zu überlassen, sich dicseBeschlüsse aus
oeu Akten des Hauses selbst ausziehen zu lasseu,
Dann fährt er fort: Neu ist auch der uns ge-
machte Borwurf der BerfassungSoerletzuug;
iMhrjcheinlich hat man deshalb zu dieser Be-
schuldiguug gegristen, weil die Minister eiuge-
seheu haben, welchen Eindruck die Erkläruiigen
des HaufeS über die Verfassungsverletzungen
der Regierung im Landc gemacht, uud so wol-
len es die Minister denn auch ihrerseits einmal
versuchen, Ab-r stz werden das Laud nicht
beirren, ja uicht eilimal ihre eigeneu Anhiuger,
Schou die heute oerlefeuen Adresseu zeigen,
wie das preußische Volk denlt, Hatteu wir
die Versassung oerletzt, jo war es Pflicht der
Staatsregieruug, das Haus schon sofort am 3,
d, M, zu schließen (Braool); sie hat es nicht
gethan, und sie hat sich dadurch des Rechtes
zu jeder derartigen Beschuldigung begeben.
Stimmen Sie deshalb für die einfache Tages-
ordnung, Gueist: Zch bin der Ansicht, daß
man über das Schreiben des Miiüster-Präst-
dente» nicht zur einfachen Tagesordnung über-
gehen darf, und zwar deßhalb nicht, weil das
-schreiben uicht bloß Beleidigungen, sondern
auch thatsachliche Unrichtigkeiten enthält,

Dcr Antrag v, Hoverbrcks aus Uebergang zur
einfachen TageSordnung wird mit großer Mchr-
heit angenommeii; nur die Konscrvativen und
etwa ö—8 Mitglieder vom liuken Centrum
stimmen dagegen, — Das Haus tritt nunmehr
in dic TageSordnuiig ein und ertheilt oem Ge-
setzeSentivnrf, bctreffcnd die Ermäßigung und
Aufhebung dcs GrrichtSkosten-Zuschlags, die
versassungSmäßige Zustimmung, Dann folgt
Lchlußberalhung übcr dcn Antrag Reichen-
sperger'S aus Erlaß eincr Adresse an die Kronc,
Gneist alS Referent: Der Antrag gcht davvn i

auS, daß das HauS eS an cincr Begründung
seines BudgetrechlS biS jetzt noch habe fehlen laffen,
u»d daß andererseits die SlaatSregierung sich
über daS Maß der von ihr zu machenden Zu-
geständnisse ebensalls uoch nicht ausgesprochen
habe. Dicß svll uun zu dcm Zustandedringen
eineS KvmproiniffeS benutzt Ivcrden. Einen
ähnlichen Antrag hat Reichensperger schon im
verflosstnen Jahre eingebracht, mit wenig Glück,
und jetzt wird die Sachlage kaum eine andere
jein, Jndem der Rcdner deS Nähercn auf die
Lage unstrer innern Verhältniffe eingeht, führt
er auS, wie mit der gegenwartigen neuprcußi-
fchcn Regiernng, welche di- Gcjctze ledigltch
nach ihrcn Maßregeln auslegcn wolle, cin Kom-
promiß unmöglrch sei, Die wcitere DiScusston
geht ebcnfallS lcdiglich aus dis bekannte Lagc
unserer innern Verhällnisse znrück, ohne daß
in dicfer Bezichnng etwaS NeueS angeführt
würde, Außcr Gneist sprechen noch Wagcner,
Twesten, Reichenspergcr und Waldeck, worans
dcr Antrag deS Referentcn, den Reichensperger-
schen Antrag abzulehnen, mil großer Mehrheit
angenommen wird, Der Ministerprästdent: Jn
Folgc allerhvchster Ermächtigung habe ich dem
Hanfc zwci königl, Botschaflrn zu vrrkünden,
(Sämmllichc Abgeordneten erheben stch von
den Sitzen), Der Ministerpräsident verlieSt
hierauf die bercits bckannten zwei königlichen
Botschaften, deren erste ihn, dcn Ministerprä-
stdenten, beanstragl, den Landtag morgen Mit-
tag 1 Uhr im Namen deS KönigS zu schlicßen,
während durch die andere die beiden Häuser
de« LandtagS biS zum Schluffe der gegenwär-
tigen Scsston, also von heute biS morgsn ver-
tagt wcrden, (Grvßc, lang andauernde Bcwe-
gung.) Prästdcnt Grabow: AuS der Vertagung
entneyme ich, daß die gegenwärtige auch unsere
letzte Sitzung in diejer Legislaturperiode ist.
Zch hatte keine Kenntniß davon, daß dieS be-
vorstünde, und ich bestnde mich dahrr auch nicht
in der Lage, Zhnen mittheilen zu können, Ivclche
Arbeiten crledigt und noch zu crledigen stnd,
Wir können die heutigc Sitzung nur mit dcm
lebhaftcn Wunsche jchließcn, daß daS preußische
Bolk hinter setnen Abgcordneten stehen und die
Vcrfaffuiig, wie bisher, heilig halten wcrde,
Die Maßregeln, die vielleicht in Folge unserer
Verlagung und Schlicßung einlreten werden,
sind im Laufe dieser Sesston bereitS angekün-
digt worden, wir abcr werden nic vcrgcffcn,
daß wir, so wie bis jetzt, auch ferner einzu-
stehen haben für die Verfaffung, Und somit
schließe ich denn die gegenwärtige Sitznng mit
dcin Rnfe (mit tiefbewegtcr Stimmc): Hoch
lebe S, Maj, der König, und abermalS und
nochmals hoch, Die Ageordneten stimmen in
diesen Ruf dreimal eiu und verlassen dann in
großer Beivegung den Saal,

D e » t s ch l a n d

Darmstadt, 23, Febr. Eine Verordnung
hcbt dic auS dcn Zunftverhältniffen hervorgeheu-
den Beschränkuiigen deS frcicn Gewerbebetriebs
in den rechtSrheinischen Landestheilen auf. — Die
FvrtschrittSpartei hat behufs einer fcsteren Organi-
salion im Großherzogthum einenAuSschuh nieder-
gesetzt, welchcr auS dcn Abgg, Diehl, Hof-
mann l,, K, Z, Hosmann II,, Metz, Schultz
und Vollhard besteht, Derselbe trat am 21,
d, M, zusammcn, um dic nölhigeii Maßnahmen
zu berathen,

München, 23, Febr, Ju der jüngsten
Rummer deS PastoralblatteS unscrcr Erzdiözese
wird der SecljorgS-KlcruS zur Wachsamkeit
»nd möglichsten Verhülllng der verwerflichen
Unsiltc des sogenannten HabcrfeldtreibenS, wel-
ches insbesvndere „für die unreifere Jugend
als eine Schule alles Bösen erscheint", neuer-
dingS aufgesordcit, Wenn aber die gewöhn-
lichc» Miltcl der Seelsorge als unzureichcnd
sich erweiscn jvllten, so haben Sc, Epz. der
Erzbischof erklärt, ohne WeitereS über alle An-
stifler und Theilnehmer an dtesem sündhaftcu
 
Annotationen