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Heidelberger Zeitung — 1866 (Januar bis Juni)

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Nr. 76-99 April
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https://doi.org/10.11588/diglit.2795#0357

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Kreisvcrkiiildigimgsblatt fiir dm Kreis Heidelberg und amtliches Äerküildigungsblatt fiir die Amts^ unö Auits-
Gerichtsbezirke Hcidclbcrg und Wicsloch und dcn Amtsgerichtsbezirl Nclkargeiiiiilid.

sr 78.


Donnerstag. S April


18K«.

Bestellungen auf die „Heidelbsrger
Zeitung" nebst Beilaqe „Heidelber-
ger Familienblätter" für -as mit 1.
April 1866 begonnene 2. Quartal
werden fortwährend angenommen.

Die Expedition
* Politifche Umfchau.

Heidelberg, 4. April.

* Die Circularnote, welche das Berliner
Cabinel an die Regierunqen der deutschen
Mittel- und Kleinstaalen erlassen hat, und worin
sie dieselben auffordert, sich über die Stellung,
die sie eventuell bei cinem gewaltsamen Con-
fiicte der beiden oeutschen Vormächte einzuneh-
men gedenken, schon jetzt zu erklären, — hat
in mehrfacher Bcziehung eine ganz besondere
Bedeutung: einmal, weil dieses Actenstück zeigt,
wic ernstlich man in Bcrlin an eincn solchen
offenen Bruch mit'Oesterreich denkt, sodann
weil eS die andern Staaten nöthigt, eine be-
stimmte Position zu nehmcn, und endlich, weil
dadurch uumittelbar die Fragc nach dcr Stel-
lung der beiden streitenden Mächte zum Bunde,
und zu seinen Grundgesetzen in den Vorder-
grund gerückt erscheint, damit aber zugleich die
Möglichkeit ciner auswärtigen Jntcrvention —
auf Grund eben der Bundesacte und ihres Zu-
sammenhangs mit den übrigen völkcrrechtlichen
Verträgen von 1815 — näher an uns heran-
tritt, und einer Erwäguug unterzogen werden
muß. Jene Behelligung Preußcns — wclcheS
sast in demselben Augenblick die wenigftens ver-
suchte Allianz mit einer auswärtigen Macht,
Jtalien nicht verschmäht hat. um seine An-
nexionsabsichtcn in Deutschland durchzllsetzen —
hat zugleich wenigstenS daS Gute gchabt, den
deutschen Mittcl- und Kleinstaatcn, fast wider
Erwarten den positiv-rechtlichcn Standpuukt ins
Gedächtniß zurückzurufen, um sie — freilich bis
jetzt gauz allgemein uud mehr negativ — auf
den Ausgangspuukt eines gemcinsamen Han-
delns hinzuweisen.

Die „N. F. Z." warnt, sich durch die ein-
getretenc friedliche Stimmung optimistisch bloßen
Hoffnungen hinzugeben und diese wie That-
sachcn zu betrachten. Möge die deutsche Nation
insbesondere sich nicht neuerdings vollständig
einschläfern lassen; möge sie vielmehr aus ihrer
Erschlaffung sich aufraffen und den ernsten
Entschluß kund geben, mit aller Macht gegen

den Friedensbrcchcr sich zu erheben und gegen
den, der zur Durchführuug seiuer selbstsüchtigen
Pläne mit dem Auölande sich verbindet; möge
sie zunächst überall in den Mittcl- und Klcin-
staaten in diesem Sinne auf die einzeluen Re-
gierungen wirken.

Auch der Senat der freien Stadt Frankfurt
hat auf die preußische Aufrage mit einer Hin-
weisung auf den Art. 11 der BundeSacte ge-
antwortet.

Das „Journ. deS Deb." meint, daß im ent-
scheidenden Augenblick tzie Mittclstaaten den
AuSbruch der Feindseligkeiten verhindern könn-
ten, und Preußcn würde Nichts zu unterneh«
men wagen, wenn Bayern, Sachsen, Würtem-
berg und Hannover auf Grund ihrer vereinig-
ten Waffenmacht von nahc an 300,000 Mann
eine feste und entschlossene Sprache reden
werden.

, Wie bcdenklich die Stimmuug im preußischen
Volk ist, geht am besten darauS hervor, .daß
die „Kreuzztg." einen „festen Griff" in die
„Agitationen" verlangt; müsse die Regierung
Krieg führen, dann dürften die Kappelmänner
nicht gegen sie aufwiegeln. Also daS preu-
ßische Volk hat nicht das Recht des Protestes
gegen einen deutschen Bruderkrieg. Die Ver-
ruchtheit ist auf dem Gipfel. Gott schütze
Deutschland!

Daß nicht die ganze preuß. Armee mobil
gemacht wird, beweist wohl hinlänglich, daß an
einen Krieg in maßgebcnden Kreisen auch jetzt

auf dessen Seite man jedenfallS einen großen
Theil der deutschen Bundesstaaten finden würde,
einrichtcn wollte, so würde es in der That
seine ganze Armce nothwcndig haben. Beson-
ders aber würde es dann nothwendig sein, alle
Vorkehxungen in dem von dem Hauplkörper
des prenßischen Staates abgetrennten westlichen
Theile so früh als möglich zu treffen.

Die Abneigung und Erbitterung des preußi-
schen Volkes auch gegen die äußere Politik Bis-
marcks und der entschiedene Widerwille gegen
einen preußisch-österreichischen Krieg tritt von
Tag zu Tag deutlicher hervor. So hat nach
den Borgängen in der Nheinprovinz und West-
phalen auch in Stettin eine Volksversammlung
stattgefunden, die von 3000 Personen besucht
war. Auf derselben wurde folgendc Resolution
einstimmig angenommen: „Die Versammlung

erklärt jeden Krieg zwischcn deutschen Bruder-
stämmen für ein Nationalunglück. Motive: Eme
Politik oeS Blutes und des Eisens, die UnS
auf die Bahn dcS Kriegcs und der Eroberung
drängen möchte, muß nothwendig eine freiheits-
feindlichc und landesverderbliche sein, weil sie:
ersteus daS preußische Volk von der Begrün-
dung seiner bürgerlichen Freiheit abhalten möchte,
um es mit dem eitlen Scheine deS Ruhmes
zu blenden odcr in Niederlagen-zu entkräften;
weil sie zweitens nicht der Weg ist, auf dem
Preußen die Herzogthümer und die Führer-
schaft in Dcutschland erringt, welche betde nicht
erobert, sondern gcwonnen werden wolleu uud
zwar durch ein aufrichtig verfafsungSmäßiges
Regiment, und weil drittcns dicse kriegerifche
Politik die Einmischung des AnSlandeS und
damit das Unglück Deutschlands und Preußens
sichcr zur Folge haben würde."

Die Gerüchte von einer Vermittelung des
HerzogS von Coburg sind total erfunden.

Die Patrie bringt die Nachricht, daß Baron
Saillard, der sich am 6. März in Vera Cruz
eingeschifft hat, am 8. April mit dem franzö-
stschen Post-Paketboot Panama in St. Nazaire
eintreffen wird. — Die Mission des BaronS
Saillard habe vollständigen Erfolg gehabt und
die Rückkehr der französischen Truppen werde
Ende Septcmber oder Anfang October begin-
nen. Ungefähr 5000 Mann würden um diese
Zeit.nach Frankreich zurückkehrcn. — Die (st-
doch weniger bestimmten) Angaben der France
scheinen diese Mittheilungeu zu bestätigen.

Deutschlund.

xx Aus dem Amtsbezirke Sins-
heim, 1. April. Zu unserm Bericht in Nr.
72 d. Bl., die Ansangs verweigerte Prokla-
matiou einer gemischten Ehe drirch einen pro-
testantischen Geistlichen betreffend, sind wir
moralisch genöthigt, nachträglich eine erläuternde
Erklärung zu geben. Wir haben nämlich ge-
legentlich in Erfahrung gebracht, daß gerade
von der Seite, zu deren Gunsten unser Ar- -
tikel geschrieben.ist, eine Stelle desselben aus
Mißverständniß so gedeutet wurde, als ob da-
mit eiu Tadel oder doch ein uugünstiges Ur-
theil über die hier in Frage stehende prote-
stantische Braut ausgesprochen sei. Die be-
treffende Stelle lautet: „Ueberdies kann unsere
prot. Kirche diejenigen ihrer Mitglieder, die
sich aus bloß äußerlichen Rücksichten oder auch

Seethopen^s letzter Äusgang.

nehmen, einzelne Züge von den Herren der Kunst
zu crzählen, die bis in das kleinste Detail das
Leben dcrselben charaktcrifiren sollen. Ob wahr oder

Schöpfern auf geistigrm Gebiete macheu, schlingen
sollcn, und zu einem solchen Biographien-Frag-
ment von viel Dichtung und etwas Wahrheit sei
auch die folgende, fast von überströmender Vereh-
rung zeugende klcine Skizze gerecknet, dte wir heute
in einem neu erscheinenden musikalischen Organe,
das den klangvollen Titel „Symphonia" führt,
finden. Es wird darin erzählt:

Traurig und einsam, von einer kleinen Penfion
lcbend, die kaum für bescheidene Bedürfniffe hin-
reichte, hatte fich Beühoven, körperlicher Leiden
halber, nach Baden bet Wien zurückgezogen. Dte
Liebe zu seinem Neffen, der in Wien in ein un-
angenehmes Verhaltniß verwickelt war, brsttmmte
thn, selbst n^lch Wien zu retsen, und, um haus-

hälterisch mil seiner Börse umzugehen , machte er
einen Theil der Reise zu Fuß. Da am Abend blieb
er vor einem kleinen Häuschen stehen, um Gast-
freundschaft zu erbittcn.

Er hatte noch mehrere Stunden des Weges zu
gehen, ehe er noch Wien erreichen konnte, aber
feine Kräfte erlaubten nicht, noch wetter den Weg
zu verfolgen. Man nahm ihn bereitwillig auf. Jn
diesem Familienkreise war cs nun, wo ihm daS
Schicksal noch eine Freude zugedacht hatte, die
seinem Herzen so wohl that.

Beethoven nahm Theil am Abendbrod, setzte sich
dann in einem Winkel in den Großvaterstuhl des
HausvaterS ans Feuer und wartete, daß man ihm
sein Lager zeige. Als yer Tisch abgedeckt war, öff-
nete der HauSvater ein Elavier, und die drei Söhne
nahmen ein Jeder fein Instrument zur Hand, das
an der Wand hing. Man stimmte ein, und alle
Vier spielten mit etnem Ensemble, daS wir Deut-
schen in Folge eines» angeborenen tiefen GefühlS
für die Mufik zu erreicken vermögen. Es schien,
daß daS, waS fie spielten, fie aufs Lebhafteste tn-
teresfirte, denn fie überließen sich ihrem Spiele mit
Leib und Seele. Mutter und Tochter lrgten ihre

(Schluß folgt.)

Eine kleme Gcsellschaft eines sächsischen Grenz-
städtchenS veranfialtete eine Schlittenpartie nach
einem nahen böhmischen Dorfe und hatte, die
Kalte scheuend, sich mtt Wärmeflaschcn versehen.
Dort angekommen, mundete den Leutchen der feu-
rige Ungarwcin vorzüglich, und fie beschlossen,
einige Flaschen davon mit nach Hause zu nehmen.
Um aber den hohen Eingangszoll nicht zu geben,
wurde der Wein in die Wärmeflaschen gefüllt und
gepascht. Und vas war klug und wcise! Auf dem
Nachhausewcge wird aber noch etn sächfischer Gast-
hof besucht. Beim Wiedereinsteigen brickt ein Herr
der Gesellschaft tn dte Worte auS: „Herr IeseS,
unsere Wärmeflaschen sein ja heeß!" Die anderen
erbleichen. Da trttt aus dem Hintergrunde der
Hausknecht stillvergnügt hervor und spricht: „Die
 
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