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Heidelberger Zeitung — 1866 (Januar bis Juni)

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Nr. 76-99 April
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ki die Sachi in'» Auge fassrn und da sei die
Hirftillung rinrr nation«len und centralin
DolkSvertrctung so wichtig, daß darüber wohl
in ganz Dcutjchland k-in- MkinungSvrrschieden-
heit hcrrjche. Da» «eutsche Bolk müsie i» die
Lagk -ersetzt werden, dnrch seine Bertreter an
seinem Geschick mitarbeiten zu könne». Er habe
schon seit Monaten da» Gesühl der Politischen
Unwirdc gehabt, wenu er den Gedanken gesaßt,
daß die Mbglichkeit vorhanden gewesen ist, daß
wir nnr ci» rcineo Objcct der Berhandlung
hältcn werscn könne». Au» dieser Situatio»
müssen wir unler allen Umständen herauskom-
men, hcrauskommcn kinnen wir aber nur, wcnn
wir jetzt mit briden Händen zngreisen. SPärer
kommcu doch andere Krästc aus den Pian. Aus
jcden Fall dirscn wir abcr nicht da» Gericht
dcr Gcjchichte über unS kommen lassen, daß
wir die Gelcgenheit ocrsänmt hättcn, daß wir oom
AnSland die alteu Träumcr gescholten würden.
Mit raschcr Entschlossenheit müsien wir die
Sachc in dic Haüd nehmen. Er sragc nun dic
Großh. Rczierung, welche Haltung sic cinzu-
nehmen gcdenke.

Staatsminister Frhr. v. Edelsheim: Scit
langc gchören — wie bekannt — die Sympa-
thien u»d Wüniche der Großh. Regicrung ciner
uationalcn Entwicklung aus parlamentarischer
BasiS.

Ein Betrelcn diejeS W-g-S wird daher von
ihrer Seilc gcwiß niemalS schwierigkeitcn be-
gcgne», sondcrn im Gegentheil stets aus ihre
Unicrstützung rechnen können.

WaS inSbesonderc dcn jetzt am Bunde ge-
st-lllen Antrag betrisst, so wird die Grvßh. Re-
gicrung demgemäß sür dessen Jnbclrachlnahme
und somit Vcrweisung an einen besondernAuS-
schuß stimmen.

Mehr zu jagen, ist, wie die hohe Kammcr
begreifc» wird, die Großh. Regicrung d-rmalen,
wo über daS eigentliche Wescn deS xrcußischen
Antrag« noch jedc näherc Kenntniß fehit, nicht
in der Lage.

Nach cincr Gegcnäußerung deS Jnterpcllan-
tcn, die übrigcns in keincm Gcgensatz zur Er-
klärung der Negicrung steht, jtillt der Jnter-
pellant an die Kammer den Antrag: der Gr.
Regierung gegenübcr da» Ersuchen auSzu-
sprechen:

„Dieselbc wollc für dic Herstellung der in
Folge des AntragS der prcnßischcn Rkgierung
vom 9. Axril zu constituircnden Mitwirkung
bei einer Resorm der BundeSvcrfasiung einzu-
berufendcn deutjchen Bolksvertretung thunlichst
besorgt sein."

Eckbardt: Jn diescm Hausc sei znerst der
Ruf nach einer denljchen VolkSvertrctung er-
klnngen und ihm sei die That gefolgt. AnderS
sei cS aber zwischen danialS und j-tzt. DamalS
sei frischer sreier Muth überall gewejen, heute
nicht. Und doch müsse jedcr BolkSvcrtrcter rück»
halislos seine Meinung auSsxrechen. Es werde
leider auch zu viel dixlomatisirt. Zm Großen
und Ganzen sei cr mit dem Abg. KnieS eiu-
»erstande». Nach cinem geschichllichcn Rückblick
aus die letzlen 60 Jahre, tommt Jeder zu dem
Rejultat, wie weni.r, die Regiernngen seither
gencigt warcn, dem Volke die Theiinahme an
scincm nationalen Geschick zu gewähren. Das
Parlanient habe unS einc Erbichaft hinterlassen,
die wir nicht leichtsinnig xreiSgeben dürftcn.
DaS Bolk sei cinig gewescn, die Fürsten aber
hätt-n nicht verstanden, dem Körper den Koxf
auszusetzen, so sei nur -in Rumxf vorhanden.
Die schleswig-holsteinijche Frage hänge enge mit
der heutizen Frage znsammen. Der Bnnd jei
nicht geeignet, dem deutschen Volk ais Central-
organ zu dienen, daS sei wie überall durch-
schlagende Ueberzeugung, er sei »ur cin Gcgen-
stand des UnmutheS und Sxottes. Dleser
Ueberzeugung j-i der Resormxlan deS KaiserS
»on Oesterrcich entsxrnngen. Freilich habe die-
ses Reformxrojcct ein andereS Gesicht gehabt,
als das frühcrc Parlament, nnd daß man nicht
sehr erfreut über dieses Prvject gewcjen, jei be-
grciflich. ES s-i geschcitert. Da kam als guter
Stern wicder dic schleSwig-holsteinische Frage
uud fand daS Volk einig. Preußen nnd Oestcr-
reich dagcgcn jprangen anS der nationalen
Bewegung herauS »ud -s gehöxte die ganze
lMgerxrobte Geduld des deutschen Volkes hin-
zu, die stattgefundenen Ereignisse zu ertragen.
Jetzt erhebt sich der Streit um die Theilung

der Beute. Als erste Karte spiell maa den
Krieg aus, die das deusiche Volk jedoch nicht
will. Nun sxielk man die zweite Karte aus,
Parlament, und in dieser Frage ist daL deutsche
Volk nicht einig. Aber xure verneinend darf
man sich der Frage gegenüber nicht verhalten.
Die Ansichten gingen nun weit anseinander.
Die einen wollen unbedingt annehmen, was
jedoch zu oerwerfen sei, angenommen könne
nur werden unter Bedingungen, denn mil dem
xreußischen Annkcrregiment sei nichts anzu-
fangen. Redncr belcuchtet hier die xreußische
Wirthschaft. Aber trotz alledem dürfe dieser
letzte Versuch, die Parlaments - Frage zu lösen,
nicht unbenutzt oorübergelaffen werden, das
dentsche Volk dürfe den Eintritt in die geöff-
nete Arena nichl scheuen, möge Bismarck Pläne
haben, welche er wolle. Ler Verschiedenheit der
Ziele entspreche auch di- Verschiedenheit der
Mittel. Aber auch auf die Frage der Mlttel
dürfe sich das Volk einlassen. Die Zukunft
gehöre der Wahrheit, dem deutschen Lolke.

Obkircher. Für Preußen und Oesterreich
sei es von Wichtigkeit, wie sich die Mittelstaaten
in den xolitischen Fragen oerhielten. Die Stim-
mung sei seither Prenßeu nicht günftig ge-
wesen. üiun könne man sich fragen, welchen
Zweck Preußen mit seinem Antrage verfolge
und er habe die Ueberzeugung, oaß es der
xreußischen Regierui^ mit der Reform ernst
sei, denn Preußen bedürse das deutsche Volk.
Auch zweifle er nicht, daß die norddeulschen
Mittclstaaten genöthigt sein würden, sich auf
das Reformproject einzulassen. Jm Süoen er-
klire sich Baiern bereit, und Baden bleibe wohl
auch nichts anders übrig, da die Gefahr sür
es am größten sei. Sogar glaube er, daß'
Oesterreich sich eher dasür als sür einea Krieg
entscheiden würde.

Von der Haltnng der Vertreter des deutschen
Volkes im Parlamente hänge dann das Uebrige
ab. Freilich sei die Gefahr vorhanden, daß die
deatsche Demokratie das Werk im Parlament
wieder vereitele. Diese Gesahr sei aber immer
vorhanden. Er stimme aus ooller Ueberzeugung
für oen Knies'schen Antrag.

Kirsner stimmt ebenfalls uad zwar oon
„ächt coiistitutionellem" StLndpunkt ans für
den Aittrag des Znterpellanten. Den Motioi-
rungen Eckhard's könne er zwar nicht solgen.
Auch er habe gezweifelt, daß man in Preußen
in Folge des Antrages mit oea seitherigen
Traditionen gebrochen, aber der jetzige Zustand,
wie er im Bunde oorhanden, sei unhaltbar.
Er habe sich zwar immer gesreul im Lande zu
hören, wie man stch frei mid wohl fühle, aber
ohne Aenderung der Verhälmisse Gesammt-
deurschlands sei keine Garantie für die Daner
geboten. Ob Oesterreich in der Lage sei, sich
an der Bnndesreform zu betheiligen? Wenn
es der Fall, dann begrüße er es, weim nicht,
niin so müsse die Reform ohne es durchgeführt
werden.

Pagenstecher erblickt in dem Erlaß der
xrenßischen Regierung nicht ein bloßes Paxier,
sondern eine That, denn der prenßische Slaat
hat eia wirkliches Bedürfniß, die Frage zu
lösen. Schon die Geschichte des preußischeii
Staates lehre das. Friedrich der Großc und
Friedrich Wilhelm IV. hätten in dieser Bezie-
hnng Lhnliche Anschauungen gehabt. Preußeu
wolle ein dentsches Parlament, nur habe es
der oerstorbene König nicht aus der Hand des
Volkes nehmen wollen. Ablehnsn dürfe das
deutsche Bolk nicht, denn er wiederhole es, der
xreußische Antrag sei eine That, eine wirkliche.
That. Anch branche man nicht zu fürchten,
daß Preußen das Parlament wieder fortschicken
werde. Däs köniie es nicht. Er wünsche Got-
tes Segeu für das Werk.

Prestinari gegen den Antrag. Er wünsche
zwar auch eine zentrale und nalionale Vertre-
tnng, aber nicht eine Unterstütznng der xren-
ßischen Bestrcbungen. Preußen wolle die Her-
zogthümer, sehe aber, daß Oesterreich iiicht
zustimme und sche stch deshalb uach Bundes-
genossen nin. Ernst sei eö ihm gewiß nicht
mit der Bnndesreform, dafür bürge die ganze
Vergangenheit Bismarcks. Auch glaube cr
ulcht, daß lvenn nur einmal das Parlament
zusammen sei, Alles gut ablaufe, dafür s-i zn
wenig Enthusiasmus im Volke vorhanden.

v. Roggenbach für den Aiitrag. Die

Realisirung ocs Parlainemsgedaiikens sei des-
halb möglich, weil hinter Preußen die ganze
Wucht materieller Mittcl stehe. Freilich stün-
den der Berhandlnng manche Schwierigkeiten
im Wege. Einmal well, wie die großh. Re-
gierung bemerkt, man ja noch nicht wiffe, wo-
hinans die Sache laisie, sodann weil Jeder
seine eigensten Aiisichten in die Debatte hin-
eintrage. Er sasse den Knies'schea Antrag so,
daß die Regiernag ausgesordert werde, demiiächst
eine feste Pofltion zn der Frage einzunehmcn.
Er hosse, daß die Regierang von dem Geiste
erfüllt jei, auch sür Deusichland Oxfer brin-
gen zn köiinen, daß sie die Zukmift und Größe
des gemeinsamen Vaterlandcs im Ange haben
werde. Er ist nül dcn AnSgangSpunk-
tcn dcr gegenwärligen preußiichen Politik Nlcht
elnverstanoen; aber Preußcn sei in -ine Lage
gedrängt, dic man beachten müsse. Man solle
mit Vorsichl handelu; man dürse stch nichl zu
sehr cngagircn, aber auch nicht dagegen stimmen.

Roßhirt gegen den Antrag, da er nicht
glauben kaiiii, daß es Bismarck Ernst ist.
Jhm scheinen alle seither gemachten Ersahrun-
gen für oie Unmöglichkeit der Dnrchführung
der von Preußen xroponirten Parlamentsresorm
zu sprechen. Man höre immer, Preußen müsie
sich oergrößern, warum jolle man auch nicht
sagen, Oesterreich muß im deusichen Verbande
bleiben. Nur wenu Preußen und Oesterreich
zusammen gchen, sei Dcutschland stark und
dem Auslande gewachsen. Der xreußische An-
trag fördere aber dieses Zusammengehen iiicht.
Er schließe niit dem Rufe: das ganze Deutsch-
land.

v. Fed er rcchtserligt dle dcutsche Democratie
gcgcn Obkircher S Vorwürse; nicht jene, sondern
dcren Gegner, namentlich die Goihaer, treffe
di- Iveit größte Schnld; Deutschlandi Zukunst
bcrnhe ani der Dcmocratie, und scibst Gras
BiSmarck werde iich hülcn, mit den Golhaern
stch cinznlaffcn, mit dcr Democratic, ihrer
Energie und Opserwilligkeit, werde er zu un-
tcrhaiideln haben.

B-ck HLlt di- Erklärung der Regierung dcr
Lage dcr Dingc angcmeffcn; man solle stch
möglichst ncgaliv vcrhallen, nur mil großer
Rnckhaliung vorgchcn, nnd zwar nicht allcin,
sonocrn i,n Einvcrständniß nnd in Vcrbindung
mit andern süddentichcn Staaten- Den xrcu-
ßischcn Antrag ohnc WcitercS wcgen der Per-
sönlichkcit dcS UrhcbcrS zurückzuwcijen, sei nn-
politisch; Rcdncr habe cS seiner Zeit anch für
vcrscylt erklärt, daß man ans den österreichischen
Rcformantrag untcr angemesseneti Bedingungcn
»icht ciugkgangc» sci; daS »ächste Ziel und
dic Hauxiaufgabc müssc jcin, einen sichcrn
Rcchtsbodcn zn gcwinnen, anf dem dann dic
deutjche Nation schon wcitcr zu jchreiten wissen
wervc; daS sei eden dcr große Politijche Miß-
griff, baß man stets nur ein vollcndetes Gan-
zeS haben wolle, nnd bei solchen Dlngcn in
dcr Thal allen Boden verliere.

Moll ist entgcgengcsetztcr Anstcht, man
lliüsse mit ganz xvsitiven Fordernngen auf-
tretcn.

Kiefer spricht gegcn Obkirchcr, Deutsch-
landS Znknnft hänge von der fortichreitendcn
Bcrwlrklichung deS wahrcn democratischen
Prinzixs ab.

Nvch sxrccheu Husfschmied, Gerwig,
Kusel, Kopfcr, Schaaff, Tritscheller.

Die Verhaudlungen hatten stch bcreitS durch
fünf Stunden hingezogen, als dcr Schluß der
Debatten vcrlangt wnrde.

Der von KnieS gestellte Antrag wnrde mit
allcn Stimmcn gcgen drei (Prestinari, Haagcn,
Roßhirl) angenommen.

sisi Osfenburg, 15. April. Jn der auf
heute hierher berufenen und von etwa 1700
Personen besuchten badischen Volksversnmmlung
wurde folgende Erklärung gefaßt:

1) Das deutsche Volk oerabscheut einen Krieg,
der Deutsche gegen Dentsche unter die

. Waffen rust.

2) Es verdammt eine Staatsleitung, welche
eine solche Gefahr über das gemeinsame
Vaterland herausbeschwört.

3) Die Lhatsache, daß die Gefahr eines innern
Krieges entstehen konnte, ist eine nochma-
lige und criiste Mahnung, die deulsche
Bilndesoersassung mit Garantien zu um-
geben, welche die Einheit und Freiheit
 
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