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Heidelberger Anzeiger: unparteiische Tageszeitung für jedermann: Heidelberger Anzeiger: unparteiische Tageszeitung für jedermann — 1886

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Nr. 221 - Nr. 230 (23. September - 4. Oktober)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42545#0703

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Erſcheint täglich, Sonntags ausge⸗

nommen. Preis monatlich 20 Pfg.

mit dem Illuſtrierten Unterhaltungs⸗

blatt 32 Pfg. — Wird in der ganzen

Stadt verteilt und an den Straßen⸗
ecken angeſchlagen.








Ale Zufendungen werden Frants
erbeten.

Für die Aufnahme von Anzeige:

an beſtimmt vorgeſchriebenen Tagen,

wird keine Verantwortlichkeit über⸗
nommen.



el

x. 233. Erſtes



Blatt.








I



















Samstag, den 25, September











neueste




























&armon ie.

Wegen Revifion find die aus der
Bibliothek entliehenen Bücher am

Samstag, den 25. d. Mits.
abzuliefern.

Heidelberg, den 20. September 1886.

Die Bibliotheks⸗kommiſſion.




Die Salt in



Kapitalien

auf erſtes Unterpfand in Liegenſchaften
werden fortwährend, jedoch nicht unter
83,000 Mark, au8grliehen von der
Epargefellfghaft für Landge—
meinden in Heidelberg und
wollen Verlanjdheine im Haufe der:
ſelben, Akademieſtraße Nr. 4, ein:
gereicht werden.

Can Anletrihls Iußitut,

Sandgaſſe 4
Mit Anfang Olktoder begiunt ein Tanz⸗
Curſus für Kinder und Erwachſene.

Ludwig Zimmer,
Großh. Hof⸗ und ee Tanzlehrer.



Abreiſe halber

zu verkanfen ein Kinderwagen, Kinderſtühl⸗
Öen, Pflanzen , ſowie einige Wirtſchafis—
Gigenftände, Bergb imerſtraß 26, patterre.

Durch eigene Schuld.

Roman von A. Lütetsburg.
(6. Fortſetzung.)
„Ich hoffe, Herr Medizinalrat,“ ſtotterte Baron
Öhevrenil in einiger Verlegenheit. Es iſt bei guten
euten untergebracht.“
Der Medizinalrat Jah den Baron fragend, ver:
wundert an.
„Ihr Kind, Baron?“
¶ Dem Gefragten ſchoß das Blut ſiedend heiß
in das Geſicht
„Allerdings, Herr Medizinalrat — ich hielt
die Mutter für tot — —
„Ja ſo — ja ſo, ſehr verſtändig. Im Uebrigen
T verde ich in einigen Stunden nachſehen. Leben
Sie wohl, Herr Baron! Ich würde hier bleiben,
enn nicht Zwei ſchwere Patienten meiner Hülfe
edürftig wären.“
Richard Chevreuil atmete tief auf, als er ſich
allein ſah. Dann ſank er in einen Seſſel nieder
und überließ ſich ſeinen Gedanken. Was ſollte nun
Werden ?
d Da ſtand die Kammerfrau der Baronin auf
Boden Schwelle. Er mußte ihr Klopfen nicht gehört





Ole gnäbdige Frau wünfdhen den Herrn Baron
zu ſprechen jagte fie.

d Richard zögerte mit der r
as bleiche, liebliche Geſicht vor
uge auftauchen.

„Ih werde Fommen, Marie.”

5 EEE EEE TE EEE
e8 Krankenzimmers. Silvia lag mit geſchlofſenen
ugen. Das goldige Haar überflutete den Kopf,
er auf blauſeidenem Polſter ruhte, ihre ſchönge—
Amten Hände lagen zuſammengefaltet auf der Dede,
ie war kaum minder bleich als in der letztver—
foſſenen Nacht, aber ein ſüßes Lächeln umſpielte

© feinen Mund. Die jebt geöffneten Augen {Hauten
N Gatten mit dem Ausdruck unbegrenzter Liebe

Da {ah er
ſeinem inneren






zum Neckarthal unſer



rer einlabet




8 Uhr findet im Gaſthaus



Der Vorstand.



Heidelberger

Musikschule,




Hahren, eröffnet hat, Preije mäßig.

. h. für Kinder von ca. fieben

Heber, Kapellmeiſter,




des Gatten bannte das Lächeln nicht.

„Richard!“

Sie ſtreckte ihm die Hand entgegen,
unwillkürlich einen Schritt weiter vor.

„Richard,“ wiederholte ſie mit leiſer kaum hör—
barer Stimme. „Du warſt dieſe Nacht bei mir,
ſonſt wäre ich wohl geſtorben. Aber ich konnte
nicht aus der Welt gehen und in Deinen Augen
eine Schuldige bleiben. Als ich dalag ſtarr und
ſteif, unfähig ein Glied zu rühren, oder einen Laut
über meine Lippen zu bringen und Deine Vor—
würfe, Deine Klagen hörte, da habe ich den lieben
Gott ſo recht inbrünſtig gebeten, mich noch eine
kurze Spanne Zeit leben zu laſſen, nur ſo lange,
bis es zwiſchen uns klar geworden iſt. Richard,
Du wirſt nicht von mir glauben, daß ich mit einer
Lüge aus der Welt gehen würde. Ich ſchwöre Dir
bei meiner Seligkeit, jener Mann in deſſen Armen
Du mich geſehen, war mein unglücklicher Bruder.“

Die junge Frau hatte die Worte langſam, eines
nach dem anderen geſprochen. Nun lag ſie wieder
mit geſchloſſenen Augen, erſchöpft von der ungeheuren
Anſtrengung, die ſie gemacht und über ſie gebeugt
ſtand Richard Chevreuil, ſie mit dem Ausdruck
namenloſer Angſt betrachtend.

Seine Hand hielt den hohen Bettrand gefaßt,
wie um ſich zu ſtützen — ſeine Knie zitterten.

„Dein Bruder iſt tot, Silvia,“ rang es ſich
endlich von ſeinen Lippen. Sie ſchüttelte leiſe den Kopf.

„Nein, Richard, mein Bruder hat nur das
Gerücht von ſeinem Tode zu verbreiten verſtanden.
Er iſt nicht bei Dodendorf gefallen, ſondern hat
ſich mit dem Schill'ſchen Korps nach der Altmark
gewendet. In Stralſund wurde er ſchwer verwundet
und als Toter fortgetragen. Von mitleidigen Menſchen
verborgen gehalten und gepflegt, genas er und lenkte
ſeine Schritte wieder der Vaterſtadt zu.“

„Du weißt nicht, was ich gelitten habe, als

er trat


ich mich freute, den Bruder wiederzuſehen, ebenſo
ſehr war ich von der Furcht beherrſcht, von Dir





zofen, ihm Aufnahme gewährt. Co [hwieg ih,
um dem erften Unrecht ein neues hinzuzufügen und
dadurch den furchtbaren Konflikt Herbeizuführen, der
mid fo lange glauben ließ, ich: habe Deine Liebe
nie beſeſſen. Aber — nun weiß ih — Du lHiebft
mich, Richard, und — kannſt Du mir vergeben ?*

Sie ſah ihn an, bittend, wie in Todesangſt,
während ihre Hand die ſeine gefaßt hielt. Er ſtand
aber vor ihr wie ein verurteilter Sünder.

„Silvia, ſchwöre mir, daß Du die Wahrheit
ſprichſt,“ ſtieß er endlich hervor.

Sie ſah ihn mit einem tieftraurigen, aber zu:
gleich mitleidsvollen. Blick. an.

„Muß ich es, Richard? Ja, Du haſt Urſache,
mir zu mißtrauen. Sieh’, dort in dem redhten Schub-
fache des Wandſchränkchens wirſt Du die Briefe
finden, die auf meine Zuſammenkünfte mit meinem
Bruder Bezug haben.“

Die Welt drehte ſich mit Richard Chevreuil
im Kreiſe. Er ſchaute auf die letzte Zeit zurück
wie in einen bodenloſen Abgrund und Abſcheu vor
ſich ſelbſt erfüllte ihn. Aufſchluchzend ſank er an
dem Lager Silvia's auf die Knie nieder.

„Silvia, meine Geliebte, mein Weib! O, mein
Sott, wo giebt e8 eine Vergebung für den Slen-
deften aller Clenden? Was Habe id) gethan? Wozu
hat mich. der Teufel in meiner Bruft getrieben?
Nicht allein, daß ich einen ſchmachvollen Verdacht
auf Dich geworfen, daß ich einen Engel kränkte
— o, mein Gott! — ich — ich —

Gr vollendete nicht, jondern [prang plöglih auf,

„Silvia, gelobt fei Gott! Noch ift nichts ver-
loren. Durch ein Leben voll Liebe, voN unbe[hränkten
Vertrauens will ih gut zu machen juchen, was
ih an Dir gefündigt. Du wirft mir eine8 Tages
vergeben, denn Du bift eine Heilige, Doch nun
— nun laß mich gehen.“

Ihre kleine 1Omale Hand hielt die feine noch
ſchlungen.

„Wohin, Richard? Bleibe hier, und — laß
mich mein, laß mich unſer Kind ſehen.“



(Zum
Grosse










Stall.)





M. zu ;

Schwere Winter-

DOoOS@OSCS80ES

E30 jo, Silvia, um Dir Dein Kind zu bringen, f;
darum gehe ih. IH gehe, e8 zu holen und dann
— dann — — DO, mein Gott, zuviel des SIüks |“
Er ſtürmte hinaus und. fie [Haute ihm nach
mit thränenumflortem Blick. Aber es waren Thränen
des Glücks, die in ihren Augen funkelten. Er liebte
ſie ebenſo heiß, innig und treu wie in den erſten
Tagen ihrer Ehe und ſeiner Liebe entſprang die
wahnſinnige Eiferſucht, die ſo verderbenbringend
ihr Glück auf lange Zeit zerſtörte. Nun konnte
noch alles gut werden. Ein neues Band verknüpfte
die Gatten und vor dem ſonnigen Lächeln eines
Kindes würden die finſteren Schatten weichen, wenn
ſie jemals wieder Gewalt über den Gatten gewinnen
ſollten.

Inzwiſchen war Baron Chevreuil geradewegs
zu der Wohnung des Doktor Leonhard gefahren.
Wohl wirkte der Gedanke an das, was er dem
Arzte würde ſagen müſſen, beſchämend auf ihn ein,
aber dennoch dachte er nicht mehr daran, ihm auch
in dieſer Stunde ſeinen Namen zu verheimlichen.
Er wollte ihm eine offene Erklärung abgeben und
ſeine Schuld gewiß nicht beſchönigen.

Wie ein Blitz aus heiterem Himmel traf ihn
indeſſen die Nachricht, daß Doktor Leonhard am
frühen Morgen wie tot auf dem Straßenpflaſter
liegend, gefunden und nach dem allgemeinen Kranken:
hauſe gebracht worden ſei. Die Nachricht wirkte
furchtbar erſchütternd auf den Baron. Im erſten
Augenblick brachte er keinen Laut über ſeine Lippen,
dann entſchlüpfte denſelben ein qualvolles Aechzen
„Und das Kind?“

„Das Kind?“ fragte die Mutter des Arztes,
ſich aus ihrer Lethargie aufraffend, indem ſie den
Fremden erſtaunt anblickte.

Aber Baron Chevreuil gab keine Antwort mehr.
Was ſuchte er hier noch? Er konnte von dieſer
Frau, die offenbar ſelbſt ſchwer litt, keine Aufklärung
erwarten, er konnte ſie auch nicht einmal über das
aufklären, was ihn hergeführt, denn ihr Sohn war
nicht mehr nach Hauſe gekommen.



Wenige Augenblicke ſpäter ſtand er in dem






6. Spell,






J. Behrens. ©

Slur, 1 kaum fähig, ſich auf den 8 den Süßen zu er zu erhalten,
Was dachte er? Dachte er an fein Weib, das ihn
Jehnfucdht8voll mit dem Kinde erwartete, dachte er
an dieſes ſelbſt? Er hätte niemals Auskunft darüber
geben fönnen.

„Nach dem Krankenhaufe der Eſchenheimer⸗
ſtraße,“ befahl er hinaustretend dem Kutſcher.

Die Fahrt dünkte dem Baron unerträglich lang—
ſam, obgleich die mutigen Pferde mit größter Schnellig⸗
keit vorwärts kamen und bereits nach einer Viertel⸗
ſtunde vor dem Krankenhauſe hielten.

Der Baron fragte nach dem Direktor und
wurde ſofort zu demſelben geführt. Die Nachrichten,
welche er indeſſen hier empfing, raubten ihm den
letzten Reſt von Beſonnenheit und Hoffnung. Doktor
Leonhard war ſehr ſchwer verletzt und bis zur Stunde
noch nicht zum Bewußtſein erwacht. Die Frage des
Baron8, ob man bei ihm ein Kind gefunden, beant-
tvortete der Direktor mit einem Achfelzucken.

„Darüber Fann ich Ihnen allerdings keine Aus-
kunft geben, Herr Baron. Es ſollen verſchiedene
Unglücksfälle vorgekommen ſein, aber über den Umfang
derſelben wird man bereits heute ſchwerlich Näheres
wiſſen.“

Vollſtändig entmutigt, grenzenlos elend, verließ
der Baron das Haus. Draußen befahl er dem
Kutſcher, allein nach Hauſe zu fahren; e& war ihn
unmöglich, in diefem Seelenzuftand feinem Weibe
ſchon jeßt unter die Augen zu treten. Was follte
er ihr jagen ?

Cr wanderte zum Zhor hinaus, von einer
namenloſen Angſt erfaßt. So grauſam ſtrafte der
Himmel. Das Kind — ſein Kind verloren — hinaus⸗
geſtoßen von ihm, dem eigenen Vater. Was ſollte
er Silvia ſagen?

Die Dämmerung war hereingebrochen, als er
den Heimweg antrat. Der Baron hatte einen furcht⸗
baren Kampf gekämpft. Einige Zeit war es ihm
geweſen, als ſei er unfähig, Sildia wieder gegenüber—
zutreten, der Verſucher trat an ihn heran. Es gab
nur eine Löſung dieſes Konfliktes — ſein Tod.

Fortjegung folgt.)







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