Nr. 268.
Zur heutigen Numme
ein Beiblatt, "IM
Alpen: Verein.
Freitag Monats-Verſammlung.
Bekanntmachung.
Kommenden Samstag, d. 20. De M.,
nachmittags 2 Uhr
verſteigern wir auf der Anlage
5 Wagen Saub,
wmwazu Raufliebhaber mit dem Anfügen ein»
geladen werden, daß die Zujammenkunft
gegenüber der Reftauration IN at ftattfindet.
Heidelberg, den 16. November 1886.
Stadtbauamt.
Steigerungs- Ankündigung.
Der Erbtieilung wegen wird am
Freitag, den 19. d. Mits.,
nachmittags 3 Uhr
auf dem Rathauſe dahier folgende, zur Bers
laſſenſchaft der Chriſtina Arnold
Wwe.,geb. Wipfler gehörige Liegenſchaft
öffentlich zu Eigentum verſteigert, wobei
der Zuſchlag erfolgt, wenn der Schatzungs-
preis auch nicht geboten wird.
47 Ar Ol qm. Ackerland und Weg in
der kurzen Gewann; begrenzt: einſ. 3375
Wilh. Hormuth Chriſtoph's Sohn, anderſ.
3373 Züllig Hüll'ſche Stiftung.
Taxiert zu 2000 Mark.
Heidelberg, den 5. November 1886.
Großh. Gerichts-Notar:
Hagenunger. —
Ichbin von meiner Reise
zurückgekehrt und habe
meine Praxis wieder über-
nommen.
Dr. Nebel.
Sofort billig zu verkaufen
einige verglaſste Warenſchränke, ein
komplettes Schiebfenſter, ein eiſernes
Firmenſchild ꝛc. Zu erfragen Haupt-
jtraße. 85 im Laden.
Durch eigene Schuld
(21. Fortſetzung.)
So hatte Anna zum zweiten Mal den Schritt
gewagt. Ein thätiger, ſolider Mann eine raſtlos
arbeitende Frau voll innerer Freudigfeit, da konnte
es wohl nicht fehlen, daß alles ſichtlich gedieh und
der Wohlſtand ſich mehrte.
Von dem Tage an, da Wilhelm Dettmar zu
ſeiner Schweſter gekommen war, um ſie eben ſo
ſchnell wieder zu verlaſſen, hatte ſich Anna's Unglück
gewendet und daher kam es wohl, daß es ihr un—
willkürlich war, als habe ſie dem Bruder allein ihr
Glück zu danken. Ihre Liebe zu ihm hatte etwas
Rührendes; ſie konnte ſeiner kaum anders als mit
Thränen gedenken
8. Die Bettelprinzeſſin.
Ein wunderbar ſchöner Frühlingstag breitete
ſeinen Zauber über die Welt aus und die Strahlen
der glänzenden Maiſonne ſchlichen ſich nicht allein
in die Fenſter, in enge Straßen und Höfe, ſondern
auch ins Menſchenherz hinein.
Wie ſchön grün und bunt es geworden, wie
die Blumen blühten und dufteten, davon ſah man
freilich nichts im geſchäftlichen Treiben der Stadt;
aber es war doch anders wie alle Tage — wenn
man den Frühling nicht ſah, man fühlte ihn doch.
Die Welt war voll eitel Sonnenſchein und die
Kinder tummelten ſich kreiſchend und jubelnd umher —
Klein und Groß — in echter, rechter Frühlingsfreude.
Nur ein Mädchen jaß etwas abjeit8 von den
übrigen Kindern auf den fteinernen Stufen eine8
kleinen Hauſes und ſchien Keinen Teil an dem Jubel
zu nehmen. € mochte vierzehn bis fünfzehn Jahre
alt fein, eine hoch aufgelchoffene Dirne, mager und
edig, mit einem herben Zug um den feingef[OHnittenen
Mund. Das Mädhdhen machte feinen angenehmen
Eindruck; es war nicht ſchön, beſonders jetzt nicht,
wo es mit zu Boden geſenktem Blick, den Kopf in
beide Hände geſtützt, vor ſich hin ſtarrte, ohne ſich
um die Kinder und die Sonne und den Frühling
zu kümmern.
in allen
„120,5,
Farben.
99
Nächſten
Donnerstag, den 18. d. M.,
morgens 9 Uhr und mittags 2 Uhr
anfangend, werde ich aus dem Nachlaſſe
des Hafners Chriſtoph Waltz von hier
Märzgaſſe 12
1 Sefretär, 1 Chıffonnier, 3 zweithürige
Schränke, 1 Pfeilerlommode, 1 Pfeiler-
ſchränkchen, 1 Küchenſchrank, 1 Oval⸗,
1Näh⸗, 1 Nachttiſch, Tiſche, 1Etagère,
Bettladen, 1 Soja, 1 Fauteuil, 1 Regu-
lator und eine Taſchenuhr, Spiegel, Bilder,
Kleider und Weißzeug, Federbettung,
verſch. Faß-⸗ und Bandgeſchirre, ca. 3 Ster
Brennholz, 2 Karren, LErdmühle, 1Reiß⸗
ſtein, ꝛc, ferner verſchiedene neue
verfteigern.
Heidelberg, den 18. November 1886.
Winter,
Waiſenrichter.
F % *
Fahrnis-Verſteigerung
Freitag, den 19. d. M.,
mittags 2 Uhr
werden im Deutſchen Haus
1 Kanapee, 1 Fauteuil, 2 Bettladen
mit Strohmatratzen, Federbettung, ein
Waſchtiſch, 1 Auſſchlag-Tiſch, 5 Rohr⸗
ſtühle, Bilder, L Blument 9, 1 Schirm-
fiänder, Herrenkletder, eine. Partie Winters
ſchuhe, Petroleum-⸗Lampen, verſch. Bücher
und ſonſtiges Hausgeräte
gegen Barzahlung verſteigert.
Gg. Kahßer, Taxator,
Durgweg 5.
Ich empfehle eine hochfeine
I dbigarre,
per Stück 5 Pfg., dexen Allein-Verkauf mir
übertragen iſt
W. Rück, ſudwigspluß 12.
Sehr billig zu verkaufen
eine Komut ode mit Narmorplatte, Waſchtiſche,
Stühle, Bettladen mit Roſt und Matratzen.
Näheres Fiſchergaſſe 12, parterre.
Ein junges Bologneſer Hundchen abzu—
geben, Hanptſtraße 8.
empor, und wie die tiefblauen Augen voll Wehmut
auf der fröhlidhen Kinderſchar ruhten, hätte man
ſagen mögen, daß ein zweites Paar ſolcher Augen
nicht in der weiten Welt zu finden ſei. Mit den
Augen war das SGeficht ein ganz anderes, und als
nun noch die Sonne das goldjhimmernde, Iocfige
Haar umſpielte, da war's, als ob das Antlig von
einem Glorienſchein umgeben ſei.
Das Mädchen hieß Liefe und war das Pflege
find eines alten Militärs, der |päter eine Stelle
als Stadtſchreiber bekleidet hatte. Wie deſſen Gattin
behauptete, war es ein Schweſterkind, das ſeine
Eltern plöglich verloren. Aber Niemand hatte ſo
recht daran glauben wollen, denn die Nachbarinnen,
die es zuerſt geſehen, waren der Meinung, daß Frau
Marie Ritter's Schweſter ihr Kind nicht in feines
Leinen und Spitzen wickeln könne.
Zwiſchen Frau Marie und ihren Gevatterinnen
hatte ſich init der Zeit ſogar, um des Kindes willen,
ein ſehr geſpanntes Verhältnis entwickelt. Marie
war immer ein wahres Muſterbild von Offenheit
geweſen und um ſo weniger verzieh man ihr, daß
ſie die Neugierde auf den Höhepunkt trieb, ohne
fie ſpäter zu befriedigen. Marie aber lachte ſich
in's Fäuſtchen und war froh, daß man ſie mit dem
Kinde in Ruhe ließ, denn wenn ſie behauptete, daß
es ihrer Schweſter Kind ſei, hatte Niemand etwas
drein zu reden und ſie dachte nicht daran, es wieder
von ſich zu laſſen — ſie hatte ſich ein Kind ſo ſehr
gewünſcht.
Ihr Gatte, der Stadtſchreiber Ritter, hatte an—
fangs gemeint, daß man von dem ſeltſamen Funde
doch wohl Anzeige machen müſſe; aber Frau Marie
hatte nichts davon wiſſen wollen.
Es war ein ſo feines, hübſches Kindchen, dem
man die Vornehmheit auf den erſten Blick anſah
und der Gedanke, was die Gevatterinnen zu ſolcher
Verwandtſchaft ſagen würden, litzelte ſie ordentlich.
Es war Frau Marie nie im Traum eingefallen,
daß ſie ein ſchweres Unrecht beging, indem ſie das
Kind ohne weitere Nachfrage bei ſich behielt, um
der hiesigen
e 162,
Universität,
wozu die Freunde der Universität
hiermit eingeladen werden.
Universität
Heidelberg.
längstens bis Sonntag, d. 21. d. M.,
zu lassen haben.
Heidelberg, 16. November
1886.
Mitlwod,
Donnerstag, „18.
2
freundlichſt ein.
2
„ vormiltags 10
Das Comite.
Sie oder vielmehr ihr Mann, hatte das Kind auf
der Straße gefuͤnden und ſie warſ feſt überzeugt,
daß ſie ſich einen Gotteslohn verdiene, indem ſie
es bei ſich behielt und nach beſten Kräften für dasſelbe
ſorgte.
Die kleine Lieſe war aber erſt ſieben Jahre
alt geweſen, als Frau Marie plötzlich ſtarb, und
wenn ihre erſte Kinderzeit einſam und freudlos, ſo
wurde es von da ihr ferneres Leben in noch höherem
Grade. Die Nachbarskinder hatten ſie immer ängſt⸗
lich gemieden, nicht weil Lieſe etwa ein unliebens—
würdiges, abſtoßendes Mädchen war, ſondern weil
die Mütter ſchlecht von ihr ſprachen und ſie eine
„Bettelprinzeſſin“ nannten. Nach Frau Marien's
Tode fehlte dem Kinde auch noch jede körperliche
Pflege. Viele Jahre war e8 zerlumpt nnd zerriffen
umbergelaufen und die glüclidheren Kinder Hatten
es nicht unterlaſſen, ihr Mütchen an der Aermſten
zu kühlen.
Lieſe war von Natur kein ſchlecht veranlagtes
Kind; in ihren Augen lag die reine Seele, aber
— wer durch den Schlamm gezogen wird, kann
nicht feine Reinheit bewahren, und ſo war es Lieſe
ergangen. Sie hatte in früheren Jahren, dem Zuge
ihres Herzens folgend, oft verfucht, fi unter die
Kinder zu mijchen,» aber man Hatte fie mit Spott
und Schimpfreden von hinnen geſcheucht, bis ſie
entſchloſſen war, nie mehr zu ihnen zu gehen.
Das Kind kämpfte vielleicht einen ſchweren Kampf,
ehe es zu dieſem Entſchluſſe kam, aber dann hielt
es mit bewunderungswürdiger Energie daran feſt.
Gleichzeitig war Lieſe's Stolz erwacht und dieſer
Stolz prägte ſich nicht allein in ihren Zügen, ſondern
in ihrer ganzen Crſcheinung aus. Wenn man fie
eine Prinzeß nannte, wollte fie auch eine fein, aber
gewiß Feine Bettelprinzeffin.
Bon Stund an mußte man fich über die Um:
wandlung wundern, die mit dem Mädchen vorge:
gangen war. Wenn auch ärmlich gekleidet, zeichnete
e5 fi doch durh Sauberkeit auß und wenn Sie
dann an zerlumpten Kindern vorüberging, blickte
Ludwis Kun2zl
udwig Künzle.
fie diejelben über die Achfel an, gerade fo, wie fie
e8 eines Tages mit ihr gemacht hatten.
Nur dem alten Ritter gegenüber konnte man
fie ein Mufjter nennen und der alte Mann behaup-
tete, jelbjt bei Lebzeiten feiner braven Marie Habe
er nicht fo feine Ordnung und Pflege gehabt wie
jetzt. Innerhalb feines Häusdhens ſah es allzeit
wie in einem ſauber geputzten Glaskäſtchen aus.
Dabei hatte Lieſe Zeit in Hülle und Fülle; die Arbeit
flog ihr von der Hand und man ſah ſie manchen Tag
mit einem alten zerfetzten Buche vor der Hinterthür
ſitzen, wo ſie vor allen Spöttereien geſichert war.
Seitdem Lieſe ſich von den übrigen Kindern
fern hielt, durfte ſie ſich überhaupt kaum noch auf
der Straße blicken laſſen. Nicht ſelten wurde ſie
mit Schlägen und Steinwürfen empfangen, und
ſie floh dann entſetzt in ihre Behauſung zurück, um
erſt am Abend die nötigen Einkäufe zu machen.
Anfangs hatte Lieſe noch bittere Thränen geweint
und dem Vater jammernd ihr Leid geklagt; aber
Ritter ſchüttelte den Kopf und meinte, ſie thue am
beſten, ſich zu vertragen — ihm war die Jugend
ja längſt fremd geworden.
Seitdem öffnete Lieſe die Lippen weder zu einer
Klage, noch rannen Thränen über ihre Wangen,
wenigſtens nicht, wenn es ein Menſch ſah. An
Stelle des Schmerzes war der wilde Trotz getreten
und um die Lippen lagerte ein harter, ſtrenger Zug,
finſtere Entſchloſſenheit — ſie wollte ſich wehren,
aber ſich nicht mit Füßen treten laſſen, zum
erſten Male zeigte ſie einem Haufen großer Jungen,
daß ſie ſich nicht fürchte.
Ob es gewirkt hatte? Lieſe glaubte es beinah.
Man ließ ſie mehrere Tage ruhig ihrer Wege gehen,
floh, ſobald ſie ſich zeigte, hinter eine Thür und:
Rote Lieſe! rote Lieſe! ſchallte es hierher und dorther.
Sie preßte die weißen Zähne ſo feſt in ihre
Lippen, um ihren Schmerz zu verbeißen, daß ſie
blutige Spuren zeigten, nur um ihren Feinden nicht
zu zeigen, wie tief man fie getroffen habe, Aber
zu Haufe Hatte fie fig) dann in die dunkeljte Ecke
ihres Stübohens gejeßt und Jo Jange geweint, bis