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Jahrbuch für Photographie und Reproduktionstechnik — 15.1901

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Wanach, B.: Ueber das Betrachten einfacher Bilder nebst Bemerkungen über Stereoskopie
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https://doi.org/10.11588/diglit.32120#0168

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148 Betrachten einfaclier Bilder nebst Bemerkungen über Stereoskopie.

Uebsr das Betrachten einfacher Bilder nebst Bemerkungen
über Stereoskopie.

Von B. Wanach in Potsdam.

Von Jugend auf sind wir gewöhnt, mit der Betrachtung
flächenhafter Bilder die Vorstellung der körperlicheu Objecte
der bildlichen Darstelluug zu verbinden, selbst wenn die Aus-
führung der Bilder sehr mangelhaft ist, speciell gegen alle
Regeln der Perspective verstösst. Unsere Empfindlichkeit
gegen perspectivische Fehler ist aber eine sehr ungleich-
artige.

Denken wir uns ein photographisch hergesteiltes, also bei
verzeichnungsfreiem Objective perspectivisch absolut richtiges
Bild; richtig sehen wir es nur dann, wenn unsere Augen-
pupille dieselbe Stellung gegen die Kopie einnimmt, welche
die Eintrittspupille des Aufuahmeobjectives gegen die Platte
hatte. War die Brennweite nicht zu klein und das Bildfeld
nicht zu weitwinkelig, so empfinden wir aber den enormen
perspectivischen Fehler gar nicht, der durcli falsche Ent-
fernung cles Bildes oder gar Neigung desselben entsteht. Es
ist das eine Ai't Erziehungsresultat; wir haben uns gewöhnt,
ein horizontal auf dem Tisch hegendes Bild, auch ohne uns
senkrecht darüber zu beugen, unwillkürlich in die richtige
vertikale Lage zu iibersetzen.

Umgekelirt aber empfinden wir ganz uugerechter Weise
ein Bild falsch, welches z. B. mit geneigter Platte aufge-
nommen ist und die bekannten „stürzenden Linien “ bei Ge-
bäuden uud dergl. zeigt, selbst wenn wir unser Auge an den
richtigen Ort bringen und folglich eine ganz richtige Per-
spective vor uns haben. Wir sind eben zu sehr daran ge-
wöhnt, uns die Bilclebene vertikal vorzustelleu.

Den von einer falschen Eutferuung des Auges herriihrenden
perspectivischen Fehler erkennen wir nur bei beträchtlich
weitwinkeligen Bilderu, bei denen die Brennweite meist so
kurz ist, dass das Auge nicht oline Zuhilfenahme eiuer Lupe
in die richtige kleiue Distanz gebracht w ;erden kann. Mit
den eigentlichen Weitwinkelobjectiven von mehr als 60 Grad
Bildwinkel sollte man eigentlich überliaupt nur Objecte mit
geringer Tiefenausdehnung, z. B. Fläuserfronten ohue zu starke
Vorspriinge, aufnehmen; bei solchen schadet eine falsche Ent-
fernung beim Betracliten wenig, denn bei einem vollkonunen
fläclienhaften Objecte wiirde man absolut identische Resultate
erhalten, wenn man es einmal mit einem gewissen Objectiv,
darauf niit einern anderen von etwa doppelter Brennweite,
aber aus halber Entfernuug, aufnimmt.
 
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