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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 14.1916

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Friedländer, Max J.: Gainsborough als Radierer
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https://doi.org/10.11588/diglit.4751#0030

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dem weiten Wege des vervielfältigenden Verfahrens
ist erstaunlich wenig verloren gegangen.

Darf man so entstandene Blätter Originalradie-
rungen nennen? Ja und nein! Wohl trifft das
„invenit et fecit" zu, nämlich Erfindung und Aus-
führung rühren von einem Meister her. Aber: als
Gainsborough an das Radieren ging, war das Werk
schon fertig. Er stand vor der Aufgabe einer Re-
produktion, wenngleich der Reproduktion einer
eigenen Schöpfung. Man kann den Begriff „Origi-
nalradierung" so streng und eng fassen, dass selbst
Manets und Max Liebermanns Radierungen als
Originale zu beanstanden sind. Manet nähmlich,
Liebermann und andere neuere Maler haben zu-
meist Motive radiert, die sie auch gemalt haben.
Und wenn sie gewiss nicht ihre Gemälde mit der
Radiernadel reproduzierten, so gingen sie radierend
immerhin von Naturstudien aus, die sie als Maler
aufgenommen hatten. Wir haben es mit einer
Gattung des Bilddrucks zu thun, die zwar nicht
von der Malerei herstammt, wohl aber mit dem

Malwerk gleichsam geschwisterlich verwandt ist.
Solche Erwägungen mögen puristisch und spitz-
findig klingen; ohne Zweifel werden jedoch Wesen
und Charakter der Radierung von den angedeuteten
Verhältnissen berührt. Von Bedeutung und selbst
entscheidend ist die Konzeption, und wir dürfen
stets die Frage stellen, ob der Meister zur Erfindung,
Naturbeobachtung und zum Naturausschnitt zu-
gleich mit der Radierabsicht ansetzte, oder ob nicht
irgend etwas von der Schöpfung schon eher als die
Radierabsicht das Licht der Welt erblickt hatte.

Schliesslich werden Grade von Originalität zu
unterscheiden sein. Die Radierung Rembrandts ver-
tritt den ersten Grad, zum zweiten gehören die
Blätter, die Maler hervorbringen, indem sie aus ihrem
Vorrat an Naturstudien schöpfen und einen Fusspfad
parallel neben der Strasse ihrer Malkunst begehen.
Ein dritter Grad ist in der Bemühung Gainsboroughs
gegeben, der sich aus Liebe zu seinen Zeichnungen
zum Reproduzenten hergab und sie ganz eigentlich
faksimilierte.

THOMAS GAINSBOROUGH, RADIERUNG

BERLINER KUPFERSTICHKABINET

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