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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 14.1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.4751#0064

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NEUE BÜCHER

WIELAND DER SCHMIED

AUS CHRISTOPHER UNRUHS FELDTAGEBUCH

VON
JOACHIM VON DER GOLTZ

-----Ich träumte diese Nacht einen merkwürdigen

Traum.

Es erschien in meinem Unterstand ein lahmer, aber
geflügelter Bote. Er hatte nicht angeklopft und erklärte
ohne viel Umschweife: „Ich bin Wieland der Schmied.
Ich sehe etwas verändert und stark mitgenommen aus,
aber ich hoffe, du erkennst mich trotzdem wieder als
den Wieland aus der Helden-Sage." — Ich entgegnete
überrascht: „Ich muss gestehn, lieber Wieland, dass ich
im Zweifel bin. Hat mein Gedächtnis durch den Feld-
zug gelitten oder hast du dich in der That so verändert?
Wo ist das Dämonische, das mir Knaben so lieb an dir
war? Du schienst uns eher von Odysseus abzustammen,
jetzt aber hast du etwas so Ajashaftes an dir. Du könntest
fast in einer Oper auftreten. Du musst eine Kur durch-
gemacht haben. Selbst dein lahmes Bein ist fast gesund
geworden. Das hatten wir Knaben just so lieb gehabt."

Wieland seufzte: „Ich war in einem schlesischen
Naturbad, da wurde ich massiert."

Ich meinte fast traurig: „Armer Wieland, sie haben
einen Tenor aus dir gemacht."

Da brach Wieland, denn er war es wirklich, das Ge-
spräch kurz ab und sagte mit sachlichem Ton und mit
einem gewissen Pathos: „Ich komme als Bote der aus-
erlesenen und anerkannten deutschen Künstler, um mich
an der Front zu unterrichten und zugleich um die Front
über die deutschen Künstler zu unterrichten."

Ich war noch zu sehr unter dem Bann der ersten
Überraschung, um die zweite aufnehmen zu können.

Wieland holte etwas künstlichen Atem, denn er war
ja bloss ein künstlich Wiederbelebter und fuhr fort:

„Die deutschen Künstler haben eine Versammlung
über den Krieg abgehalten. Es lag ein Beschluss vor,
der lautete: die anerkannten deutschen Künstler sind
durch den Krieg vor die Frage gestellt, ob sie ihre
mühsam erworbene Anerkennung angesichts des Krieges
verteidigen oder verlieren wollen. Dies geschieht ent-
weder durch Schweigen oder durch Handeln. Mit beiden
Mitteln können sie beides erreichen. Angesichts der
Forderung der Nation und eingedenk der Gefahr, die
in dem erfahrungsgemäss unter dem Kriegszustand
leidenden Gedächtnis der Nation uns bedroht, lasst uns



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