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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 14.1916

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Heft 2
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4751#0115

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CHRONIK

PAUL MEYERHEIM f

PaulMey erheim ist am 14.September, im gesegne-
ten Alter von dreiundsiebzig Jahren, plötzlich und ohne
Krankheit, verschieden. Leicht wie das Leben war ihm
der Tod. Alle guten Geister förderten früh seinen
Aufstieg; kaum den Jünglingsjahren entwachsen, war
er schon berühmt. Ein schönes Talent war ihm in die
Wiege gelegt; ein trefflicher Vater, der handwerks-
tüchtige und gefällige Genremaler Friedrich Eduard
Meyerheim, wachte behutsam über seinen Anfängen und
gab ihm die Möglichkeit, noch in der Lehrzeit sich durch
Reisen, zumal nach Frankreich, auszubilden; der Abgott
des Stammhauses Meyerheim, Adolf Menzel, beriet
die aussichtsreichen Versuche des jungenPaul und wurde
der Duzbruder und Freund des Fertigen und Alternden.
Meyerheim war voll Verstandeskühle und Skeptizismus —
aber Menzel war seine schwache Seite; in der Neigung
zu Menzel schlug sein Herz; er hat ihm eine rührende
Treue gehalten, und vielleicht wird das kleine menze-
lianische Erinnerungsbuch, das zuerst in der „Deutschen
Rundschau" (Bd. ny und 126, 1906) erschienen ist, seine
Werke überdauern. Schade, dass seine Verehrung für
Menzel nicht auch seiner Kunst die innere Richtung
und Festigkeit geben konnte. Als ein beängstigend
Reifer sprang dieser Künstlersohn in die Öffentlichkeit.
In der „Zeitschrift für bildende Kunst" kann man 1866
(S. 71) lesen: „Paul Meyerheim, den schon vor vier
Jahren nur sein allzufrischer Taufschein schützte, hat

sich diesmal die offizielle Anerkennung (das ist die kleine
goldene Medaille) im Sturm erzwungen. Sechs Bilder
von ihm in verschiedenen Genres zierten die Ausstellung,
und alle zeugten gleichmässig von seiner glücklichen
Originalität, seinem gesundenrealistischenGefühl,seiner
meisterhaften Technik und seinem eminenten Farben-
sinn." Im selben Jahrzehnt veröffentlichte die „Garten-
laube" eine Betrachtung über ihn, die den Titel führte:
„Ein glücklicher Maler" ... So frühzeitige und voreilige
Meisterweihe ist gefährlich. Meyerheim bekam seinen
Stempel, und dieser Stempel war sehr begehrt und hoch-
bezahlt. Die reichge wordene Bourgeoisie der siebziger
Jahre riss sich um ihn; erwurde einMittelpunkt, er wurde
ein Liebling der Berliner und einer ihrer besten Witz-
bolde. Als Künstler aber stand der ursprünglich so be-
gabte Mann noch mit siebzig Jahren dort, wo er mit
vierundzwanzig Jahren gestanden hatte. Meyerheim
erzählt sehr offenherzig in seiner Menzelschrift, einst
habe der französische Porträtmaler Ricard zu ihm, dem
vorwitzigen jungen Burschen, in Gegenwart Menzels
gesagt: „Cher jeune homme, vous avez beaucoup de
talent, mais il vous manque le serieux." Dies Wort war
gut und bezeichnet durchaus das Wesen dieser Künstler-
laufbahn. Und Paul Schienther berichtet, aus Meyer-
heims eigenem Munde den radikalen Spruch vernom-
men zu haben: ,,'n oller Stiebel von Menzel ist mir lieber
als de janze Sixtin'sche Madonna". Aber Leben und
Lehre war hier nicht eins. Dem Maler fehlte durchaus
der Ernst vor der Natur — des Stiebeis. Die ganze Tier-

RUT

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